Die internationale Logistiktochter der Bahn steht offenbar vor dem Verkauf. Die Bundesregierung soll grünes Licht gegeben haben, heißt es aus Branchenkreisen.
Berlin, Frankfurt Bei der Deutschen Bahn zeichnet sich ein Verkauf der Logistiktochter Schenker ab. Das bestätigten Regierungskreise dem Handelsblatt. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte als Erstes berichtet. „Der Verkauf ist beschlossene Sache“, heißt es in Regierungskreisen. Weder das Verkehrsministerium noch die Deutsche Bahn wollten sich zu den Informationen äußern.
Wie aus Regierungskreisen zu hören ist, kommt das Thema Schenker auf die Tagesordnung des Kontrollgremiums, das Ende September tagen wird. Dann würde nach bisheriger Planung auch ein neuer Aufsichtsratsvorsitzender bestimmt. Das wäre eine wichtige Voraussetzung für weitere Beschlüsse in Sachen Schenker-Verkauf.
Der bisherige Chefkontrolleur Michael Odenwald hatte vor wenigen Monaten überraschend hingeschmissen. Nach Informationen aus Regierungskreisen läuft es bei der Nachfolge auf den SPD-Politiker und Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer hinaus. Er sei der Favorit von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), heißt es in Berlin.
Seit dem Regierungswechsel in Berlin verdichten sich die Hinweise, dass sich die Bahn von ihrer Tochter trennen wird. Aus Finanzkreisen heißt es, es fänden derzeit die sogenannten Banken-Pitches statt, bei denen die entsprechenden Verkaufsmandate verteilt werden. Das deutet darauf hin, dass eine grundsätzliche Verkaufsentscheidung gefallen ist.
Wie schnell eine Trennung tatsächlich realisiert werden kann, ist aber unklar. Insider sprechen davon, dass sie sich bis ins Jahr 2024 ziehen könnte. Interessenten für Schenker gibt es viele. Schon länger rüsten sich zum Beispiel Finanzinvestoren für einen solchen Megadeal, der ein Volumen von 15 bis 20 Milliarden erreichen könnte.
So hätten sich die Beteiligungsfirmen CVC und Carlyle für eine gemeinsame Offerte zusammengetan und bereits Berater hinzugerufen, hatten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen vor einigen Monaten berichtet. Auch Bain und Advent sollen erörtert haben, gemeinsam zu agieren. Von Blackstone wurde berichtet, auf Partnersuche zu sein. Die Investoren selbst haben sich bisher nicht zu Schenker geäußert.
Auch die Namen strategischer Investoren werden immer wieder genannt. Dazu zählen zum Beispiel DSV, Kühne+Nagel, Maersk und möglicherweise die Deutsche Post. Bislang sind das aber Vermutungen. Offiziell hat in den letzten Monaten keines der Unternehmen etwas zu dem Thema gesagt.
Schenker beschäftigt 75.000 Mitarbeiter und ist weltweit tätig. Das Unternehmen kam 2002 durch die Übernahme der Stinnes AG zur Deutschen Bahn. Der frühere Bahn-Chef Hartmut Mehdorn wollte damit eine Lücke im Ausland schließen. Auch wollte er die Schiene enger mit der Straße verknüpfen. Wirklich integriert wurde Schenker allerdings nie in den Deutsche-Bahn-Konzern.
Die Tochter ist für die Bahn vielmehr ein verlässlicher Lieferant von Gewinnen, um die Verluste in anderen Bereichen, vor allem im Schienengüterverkehr, auszugleichen. Wie wichtig Schenker für die Bilanz des Staatskonzerns ist, zeigt der jüngste Halbjahresbericht der Bahn.
Während der Konzern ein operatives Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 876 Millionen Euro erwirtschaftete, waren es bei DB Schenker satte 1,2 Milliarden Euro. Dass die Bahn in den ersten sechs Monaten dieses Jahres wieder schwarze Zahlen schreiben konnte, lag an der Logistiktochter.
>> Lesen Sie dazu: Möglicher Milliarden-Verkauf durch die Bahn: Investoren wappnen sich für Schenker-Übernahme
Entsprechend zurückhaltend äußert sich Bahn-Chef Richard Lutz zur Idee eines Verkaufs. DB Schenker gehöre bisher zum Kernportfolio des Unternehmens, sagte er vor gut einer Woche dem Handelsblatt: „Was die Zukunft bringt, wird sich zeigen. Bei potenziellen Verkaufsüberlegungen muss sich jeder darüber im Klaren sein, dass DB Schenker die finanzielle Situation der DB erheblich stabilisiert und der einmalige Verkauf von Tafelsilber keine nachhaltige Lösung für die strukturelle Unterfinanzierung von Infrastrukturinvestitionen ist.“
Andererseits lastet ein enormer Schuldenberg auf der Bahn, der abgetragen werden muss. Und sie muss gewaltig investieren. Bei den Grünen und der FDP sind viele zudem der Ansicht, dass sich der Staatskonzern angesichts der großen Probleme im deutschen Bahnbetrieb mit einem veralteten Netz sowie verspäteten und teils kaputten Zügen auf das Stammgeschäft in der Heimat konzentrieren sollte.
Gleichzeitig passt auch nicht ins Bild, dass der Staatskonzern, der sich der grünen Verkehrswende verschrieben hat, sein Geld vor allem mit Logistik auf der Straße und mit Verbrennern verdient.
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