Das Cockpitpersonal der Kernmarke votiert mit großer Mehrheit für einen Arbeitskampf. Ob und wann der stattfindet, bleibt aber vorerst unklar.
Streik der Lufthansa-Piloten
Das Cockpitpersonal der größten deutschen Airline hat sich mit großer Mehrheit für die Arbeitsniederlegung ausgesprochen.
Bild: dpa
Frankfurt Die Piloten der Lufthansa-Kernmarke haben sich mehrheitlich für einen Streik ausgesprochen. Das gab die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) am Sonntagmittag bekannt. Danach votierten 97,6 Prozent des Cockpitpersonals bei Lufthansa und 99,3 Prozent bei Lufthansa Cargo in der Urabstimmung grundsätzlich für einen Arbeitskampf.
Ob und wann die VC die rund 5000 Pilotinnen und Piloten der Premium-Airline Lufthansa tatsächlich zu einem Ausstand aufrufen wird, bleibt allerdings vorerst offen. „Auch im Interesse unserer Passagiere bedarf es jetzt eines ernst zu nehmenden Lösungswillens seitens Lufthansa, um gemeinsam kreative Lösungsräume im Interesse des Unternehmens und seiner Mitarbeitenden zu schaffen“, erklärte Marcel Gröls, Vorsitzender Tarifpolitik der VC.
Eine Urabstimmung wird eingeleitet, wenn die vorherigen Verhandlungen für gescheitert erklärt werden. Das hat die VC nach mehreren Gesprächsrunden getan. Lufthansa habe bis dahin kein verhandlungsfähiges Angebot vorgelegt, heißt es bei der Gewerkschaft.
Dennoch sprechen die Tarifpartner weiterhin miteinander. Es laufen sogenannte Sondierungsgespräche, in denen geprüft wird, ob es doch noch eine Möglichkeit gibt, den Tarifkonflikt am Verhandlungstisch zu lösen. Beide Seiten haben zuletzt noch mal das Interesse an einer friedlichen Lösung betont.
Viele Piloten fühlen sich unwohl bei dem Gedanken, in einen Streik zu treten. Lufthansa macht gerade eine schwierige Zeit durch. Die Pandemie ist nach wie vor nicht zu Ende, gleichzeitig tun sich die Airlines der Gruppe schwer mit dem Hochfahren des Flugbetriebs, weil überall Personal fehlt.
Allerdings ist der Frust bei den Piloten des sogenannten Konzerntarifvertrags (KTV) groß. Dieser regelt die Bedingungen in der Kernmarke Lufthansa und bei Lufthansa Cargo. Das hängt nicht zuletzt mit der Entscheidung des Managements zusammen, Ende vergangenen Jahres die sogenannte Perspektivvereinbarung zu kündigen.
Diese hatte den KTV-Piloten eine Mindestflotte und damit eine Jobsicherheit und planbare Aufstiegschancen garantiert. Stattdessen will die Konzernführung die Kernmarke schrumpfen und die Zubringerverkehre an den beiden Drehkreuzen Frankfurt und München an die geplante Airline Cityline 2.0 übergeben, sollte es zu keiner Einigung mit der VC kommen.
Diese Drohung überlagert die laufenden Tarifgespräche. Angesichts dessen gibt es in der Pilotenschaft auch zahlreiche Stimmen, die glauben, es könne keine Lösung ohne einen Arbeitskampf geben.
Die VC hat nach Informationen des Fachportals Aero.de kürzlich eine sogenannte Scope Clause ins Spiel gebracht. Sie wird bei einigen amerikanischen Fluggesellschaften genutzt. Dabei gibt es innerhalb eines Tarifvertrags verschiedene Tarifklassen, die sich zum Beispiel an der Zahl der Sitze der eingesetzten Flugzeuge orientieren. Es ist allerdings nicht bekannt, ob solch ein Vorschlag die Basis für eine Lösung sein kann.
Die VC fordert bisher für dieses Jahr 5,5 Prozent mehr Lohn und ab dem kommenden Jahr einen automatisierten Inflationsausgleich. Zudem strebt die Pilotenvertretung einen einheitlichen Tarifvertrag für das gesamte Cockpitpersonal des Konzerns an. Bisher gibt es für jeden Flugbetrieb eigene Regelungen. Damit will die VC ein Problem lösen, das der Gewerkschaft seit Langem schon die Arbeit erschwert.
>> Lesen Sie dazu: Lufthansa droht der Abstieg aus der Weltliga
Die Gewerkschaft droht zwischen den unterschiedlichen Interessen der einzelnen Pilotengruppen zerrieben zu werden. Die VC-Führung hat deshalb vor, sich künftig besser untereinander abzustimmen. Es ist offen, ob das angesichts der teils sehr unterschiedlichen Tarifverträge gelingen kann.
Weiter ungeklärt ist zudem der Tarifstreit mit Verdi. Die Gewerkschaft hatte die rund 20.000 Bodenmitarbeiter des Konzerns am vergangenen Mittwoch zu einem eintägigen Warnstreik aufgerufen. 1000 Flüge und damit fast das gesamte Flugprogramm mussten abgesagt werden. An diesem Mittwoch und Donnerstag wollen beide weiterverhandeln.
Lufthansa ist nicht die einzige Airline in Europa, die mitten im schwierigen Neustart unter Arbeitskämpfen leidet. So haben die Piloten des britischen Billigfliegers Easyjet in Spanien für August einen Streik angekündigt. Der Ausstand soll neun Tage dauern. Bei British Airways lässt die Gewerkschaft Balpa derzeit über einen Streik des Cockpitpersonals abstimmen. Einen Ausstand des Bodenpersonals konnte das Airline-Management gerade noch abwenden.
Die Motivation ist überall ähnlich. Nach teils großem Verzicht während der Pandemie wollen die Gewerkschaften mindestens wieder an den Status vor der Pandemie anknüpfen, verbunden mit einem Aufschlag. Denn die Inflation ist aktuell hoch und bleibt wohl noch länger auf einem sehr hohen Niveau.
Da allerdings die Bilanzen vieler Fluggesellschaften nach der Krise mit Schulden belastet sind, tun sich die Airline-Spitzen schwer mit den Forderungen. Die Lufthansa-Führung hat zum Beispiel ein gewisses Verständnis dafür, dass die niedrigen Gehälter vieler Bodenmitarbeiter wegen der Inflation deutlich angehoben werden müssen.
Doch bei den Forderungen der in der Regel gut bezahlten Piloten der Kernmarke Lufthansa dürfte das Management Härte zeigen. Nach dem eindeutigen Ergebnis der Urabstimmung könnte das die Gefahr eines Streiks zusätzlich erhöhen.
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