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10.08.2022

04:10

Luftfahrt

LSG-Chef zur Zukunft des Flugzeug-Catering: „Die Vision, sein Essen zu konfigurieren, wird Realität“

Von: Jens Koenen

PremiumDie Zahl der Flugreisen steigt wieder und mit ihr das Interesse an Bordverpflegung. Der Chef des Caterers LSG erwartet, dass Fluggäste bald mehr mitreden.

Die Passagiere sollen künftig stärker mitreden können, wenn es darum, was sie an Bord zu Essen bekommen. ddp/imageBROKER/Lex Rayton

Verpflegung für die Passagiere eines A350 von Lufthansa

Die Passagiere sollen künftig stärker mitreden können, wenn es darum, was sie an Bord zu Essen bekommen.

Frankfurt Vielflieger kennen noch die Frage: „Möchten Sie Hühnchen oder Pasta?“ Bis zum Beginn der Pandemie mussten sie diese Frage des Kabinenpersonals wieder und wieder beantworten. Dann war plötzlich Schluss, die Reisebeschränkungen zwangen die Jets zu Boden. Auf den wenigen Flügen, die noch stattfanden, gab es wegen des Infektionsschutzes keine Speisen mehr.

Mittlerweile wird wieder mehr geflogen, und das Thema Bordverpflegung ist zurück. Wobei Erdmann Rauer mit diesem Begriff so seine Probleme hat. Der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa-Tochter LSG Group sagt: „Catering ist viel mehr als die Bordverpflegung, also das Tablett vor jedem Fluggast.“

Historisch sei Catering nur eine Freiabgabe am Sitz, so Rauer, kostenlos, aber dafür kaum vom Passagier zu beeinflussen. Das werde sich ändern. „Die Vision, sein Essen zu konfigurieren, wird Realität“, prognostiziert der LSG-Chef. Die Individualisierung sei nicht mehr aufzuhalten.

Flugzeug-Catering ist ein Wachstumsmarkt. Die Marktforscher von GMI (Global Market Insight) erwarten, dass das weltweite Geschäftsvolumen im sogenannten In-Flight-Catering von 8,89 Milliarden US-Dollar im ersten Pandemiejahr 2020 auf 21,76 Milliarden Dollar im Jahr 2027 steigen wird.

Zudem träumen Airlines schon seit Jahren vom Fluggast, der sich selbst sein Essen zusammenstellt und natürlich dafür bezahlt. Doch viele Ansätze scheiterten. Denn Catering im Flugzeug hat zwar mit Kochen zu tun, es ist aber auch eine logistische Herausforderung.

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Die richtigen Produkte zur richtigen Zeit in der richtigen Zahl zu produzieren und zum Flugzeug zu bringen – das ist alles andere als trivial. Doch zum einen eröffnet die Digitalisierung neue Möglichkeiten. Die IT-Systeme seien das zentrale Nervensystem, sagt Rauer.

Dieses hilft nicht nur beim klassischen Flugzeug-Catering, es ist vor allem wichtig für das wachsende On-Board-Retailgeschäft, also mit Produkten, die im Flugzeug angeboten und die schon vorher zum Beispiel auf der Internetseite der Airline angepriesen werden. „Ohne ein gutes On-Board-Management, eine optimale Konfektionierung und Logistik würde es kein Angebot in den Flugzeugen geben“, sagt Rauer: „Die IT-Systeme sind die Basis für konfektionierte On-Board-Produkte.“

Fluggäste werden bei Menüs anspruchsvoller

Zum anderen können die Fluggesellschaften die sich ändernden Wünsche und Befindlichkeiten ihrer Kunden nicht ignorieren. Jahrzehntelang sahen viele Airline-Manager die Verpflegung vor allem als Kostenfaktor, der Jahr für Jahr gesenkt werden musste. Das funktioniert nicht länger, denn wie in der heimischen Küche steigen auch im Flugzeug die Ansprüche an das Essen.

Gesunde und ausgewogene Ernährung, die wachsende Zahl an Lebensmittelallergien, nachhaltig produzierte Lebensmittel, aber auch die Erwartung, für sein Geld ein gutes Essen zu bekommen – all das treibt die Veränderung. „Der Passagier will wissen, was er zu sich nimmt“, sagt Rauer. Und nennt Beispiele.

Ein Vielflieger wolle, auch wenn er zum Beispiel Eco gebucht habe, die Möglichkeit haben, den besten Wein zu bestellen. „Das Angebot orientiert sich nicht mehr an der Buchungsklasse, sondern am Passagier.“ Überall experimentieren deshalb die Airlines an neuen Catering-Konzepten.

Die Golf-Airline Emirates hat ein Joint Venture mit Crop One geschlossen, einem Spezialisten für das sogenannte Vertical Farming, die nachhaltige Produktion etwa von Salaten in Gebäuden über mehrere Ebenen. Gemeinsam haben die Partner in der Nähe des Flughafens Dubai die größte Farm in diesem Bereich eröffnet.

Wer mit Air France in der Premiumklasse ab Paris auf die Langstrecke geht, bekommt noch bis Oktober Menüs, die von den bekannten französischen Köchen Michel Roth und Anne-Sophie Pic kreiert wurden. Gleichzeitig arbeitet der Lufthansa-Rivale daran, demnächst bei Flügen ab Paris Fleisch, Milchprodukte und Eier aus französischer Produktion sowie Fisch aus nachhaltiger Zucht einzusetzen.

Der Chef des Caterers LSG Sky Chefs will zusammen mit einem neuen Eigentümer wachsen – auch über Zukäufe. Pressebild

LSG-Chef Erdmann Rauer

Der Chef des Caterers LSG Sky Chefs will zusammen mit einem neuen Eigentümer wachsen – auch über Zukäufe.

Ist das sogenannte Special Meal bisher nur Passagieren vorbehalten, die das Standardmenü etwa aus religiösen oder gesundheitlichen Gründen nicht zu sich nehmen können, sollen solche Wünsche bald für alle Fluggäste möglich sein. Er bekomme relativ früh im Buchungsprozess die Optionen für die Verpflegung angezeigt, beschreibt Rauer das Vorgehen bei LSG. Aber je nach Standort könnten auch noch am Tag des Flugs Wünsche berücksichtigt werden.

„Nicht nur die Crews, die in Zukunft viel individueller auf den Fluggast zugehen können, müssen sich umstellen“, sagt Rauer: „Es ist auch für die Küchen eine Herausforderung.“ Um flexibel auf die Kundenwünsche reagieren zu können, müssten die Menüs eine gewisse Intelligenz besitzen. Sie würden zu modularen Baukästen. „Ein Kunde wählt zum Beispiel immer eine Proteinspeise, die dann flexibel ergänzt werden kann.“

Zudem kenne das System die Vorlieben der Kunden, die regelmäßig fliegen, und mache Vorschläge. „Die Airlines clustern die Kunden und können so relativ gut einschätzen, was an Bord gebraucht wird.“ Laut Rauer gibt es bereits sogenannte Pre-Order-Systeme, teilweise hätten die amerikanischen Kunden diese Funktion bereits im Einsatz.

Inzwischen setzen einige Caterer aber nicht mehr nur auf die Verpflegung an Bord. Weil wegen der Reisebeschränkungen kaum geflogen wurde, wurde auch wenig Essen angefordert. Bis zur Krise setzte zum Beispiel LSG 2,3 Milliarden Euro im Jahr um. 2021 waren es nur noch gut 1,1 Milliarden Euro. Aktuell arbeiten 18.600 Menschen für LSG, vor der Krise waren es rund 26.000.

LSG-Essen auch für Endkunden

Der LSG-Chef war heilfroh, dass sich das Unternehmen schon vor dem Ausbruch von Corona weitere Standbeine aufgebaut hatte. Dazu zählt neben dem Bordverkauf auch die Belieferung von Endkunden über Partner wie Starbucks oder 7-Eleven – im Fachjargon Convenience Retail genannt.

„Anfänglich war das Catering-Geschäft um 85 Prozent zurückgegangen, und unsere Küchen mussten dringend alternativ ausgelastet werden“, erzählt Rauer, „deshalb haben wir im Convenience-Retail-Bereich weiter ausgebaut in Richtung Ghost-Kitchen.“ Gemeint sind damit Küchen ohne Gastraum und Servicepersonal, in denen nur zubereitet und geliefert wird.

Auch das Aufräumen nach dem Essen im Jet muss nachhaltiger werden. Nach Angaben des Welt-Airlineverbandes IATA fallen im Durchschnitt 1,43 Kilogramm Kabinenabfall pro Passagier pro Flug an. Das passt nicht so recht zu den Plänen der Luftfahrt, bis 2050 klimaneutral zu werden.

Mit den strengen Hygienevorgaben und den abgepackten Produkten ist es allerdings schwer, Müll zu vermeiden. LSG setzt auch hier auf moderne Technologie. Beim Ausladen der Trolleys nach dem Flug werden die Inhalte fotografiert. Das System registriert zum Beispiel, dass häufig Joghurt oder Rührei unangetastet sind – so kann die Küche künftig auf Alternativen setzen. „Das sind kleine Details, aber in Summe hilft das dabei, das Fliegen nachhaltiger und die Passagiere zufriedener zu machen“, sagt Rauer.

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