Mit guten Zahlen im Rücken dürfte bei Europas größtem Airline-Konzern der Appetit auf Zukäufe wachsen. Ein erstes Ziel könnte die portugiesische TAP sein.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr vor dem ersten Dreamliner der Airline
Der Lufthansa-CEO ist angesichts gut laufender Geschäfte bestens gelaunt. Branchenkenner erwarten, dass er bald auch wieder die Hand nach anderen Airlines ausstrecken wird.
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Frankfurt Lufthansa bleibt trotz der vielen Krisen und einer drohenden Rezession zuversichtlich. „Unsere angebotenen Sitze sind im vierten Quartal besser gebucht als vor der Krise, nicht nur in der Economy, auch in den Premiumklassen“, sagte Konzernchef Carsten Spohr am Donnerstagmittag. Die Airlines der Gruppe wollen deshalb im laufenden vierten Quartal wieder eine Kapazität von 80 Prozent des Vorkrisenniveaus bereitstellen.
Für das gesamte Jahr rechnet der Konzern nun mit einem bereinigten Ergebnis vor Zinsen und Steuern von mehr als einer Milliarde Euro. Das ist auch deshalb möglich, weil das Unternehmen höhere Preise durchsetzen kann. Die sogenannten Durchschnittserlöse lagen im dritten Quartal um rund 23 Prozent über dem Wert von 2019, ein Rekord. Auch im vierten Quartal werden die Durchschnittserlöse demnach wohl hoch bleiben, mit weiter steigenden Ticketpreisen rechnet Spohr aber nicht.
Lufthansa hatte schon vor einigen Tagen erste Kennzahlen publiziert. Der Umsatz stieg im dritten Quartal auf 10,1 Milliarden Euro und war damit doppelt so hoch wie im vergleichbaren Vorjahresquartal. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern erreichte 1,1 Milliarden Euro, die operative Marge lag bei 11,2 Prozent.
Dass das Management mal eben die Ergebniserwartung für das gesamte Jahr verdoppelt, liegt vor allem an zwei Töchtern. So erzielte der Wartungsableger Lufthansa Technik im dritten Quartal ein bereinigtes Betriebsergebnis von 177 Millionen Euro, der höchste Quartalswert der Tochter überhaupt. Auch im kompletten Jahr rechnet sie mit einem Rekordwert. Gleiches gilt für den Frachtableger Lufthansa Cargo, der ein Ergebnis von 331 Millionen Euro einflog. Erstmals seit Beginn der Krise konnten auch die Passagier-Airlines wieder ein positives Ergebnis erzielen.
Vor dem Hintergrund der weiterhin hohen Erwartungen gehen Branchenkenner davon aus, dass Europas größter Airline-Konzern wieder aktiver bei der Konsolidierung der europäischen Luftfahrtbranche mitmischen wird. Zumal das letzte Hindernis für größere Akquisitionen aus dem Weg geräumt ist: Die deutschen Staatshilfen, die größere Transaktionen aufgrund von EU-Auflagen verhindert hatten, sind zurückgezahlt. Die verbliebenen Staatshilfen für ihre Auslandstöchter Austrian und Brussels will die Lufthansa bis Ende Dezember ablösen.
Bei der italienischen ITA musste Lufthansa einem Konsortium rund um den Investor Certares und Air France den Vortritt lassen. Doch das nächste Ziel ist in Sichtweite. Die portugiesische Regierung will die nationale Fluggesellschaft TAP wieder privatisieren. Das Unternehmen war in der Pandemie zur Rettung verstaatlicht worden.
Der Verkaufsprozess ist noch nicht gestartet, soll aber innerhalb der kommenden zwölf Monate abgeschlossen sein. „TAP macht sich gerade wieder kapitalmarktfähig, das fügt sich ins Bild einer geplanten Privatisierung der Gesellschaft“, sagt Andreas Meyer, Gründer und Fondsmanager bei der Fountain Square Hamburg.
Meyer hat auch schon den passenden Käufer ausgemacht. „Lufthansa ist für uns der logische Investor. In Italien ist man nicht zum Zug gekommen, das Management hat aber stets klargemacht, Treiber einer Konsolidierung in Europa sein zu wollen.“
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Lufthansa-Chef Spohr gibt sich bei dem Thema zurückhaltend. Aktuell gebe es hier nichts zu berichten, sagte er am Donnerstag. Klar sei, dass Zukäufe Mehrwert für Airline und Investoren bieten müssten. Allerdings hatte Lufthansa im Jahr 2019 bereits einmal ernstes Interesse an der portugiesischen Fluggesellschaft gezeigt.
TAP hätte einiges zu bieten. Das Wichtigste sind die Langstreckenverbindungen nach Südamerika. „Die Langstrecke nach Brasilien ist ein wichtiger Markt, in dem Lufthansa noch Lücken hat“, erklärt Investor Meyer. Die Lücken entstanden durch den Verlust früherer Partner: Varig und Avianca Brazil mussten Insolvenz anmelden, TAM und LAN schlossen sich zusammen und landeten schließlich im konkurrierenden Bündnis Skyteam rund um Air France-KLM.
Meyer sieht TAP auch aus anderen Gründen als attraktives Ziel: „Das Unternehmen ist restrukturiert, wenn es auf den Markt kommt. Auch die Flotte ist jung.“
Die zentrale Frage aus Lufthansa-Sicht dürfte sein: Was kostet eine Übernahme? Denn das Geld ist knapp, Lufthansa leidet noch unter den Spätfolgen der Pandemie. Für den geplanten ITA-Deal hatte sich das Management die finanzstarke Schweizer Reederei MSC ins Boot geholt. Zwar wurde der Schuldenberg der Lufthansa im dritten Quartal weiter abgebaut. Die Nettokreditverschuldung sank seit Ende 2021 von neun auf 6,2 Milliarden Euro. Doch das Unternehmen muss weiter Verbindlichkeiten tilgen und will Milliarden in die Flotte und neue Services investieren.
Am Ende könnte ein Argument maßgeblich für den Kauf sprechen: das Risiko, dass sich der Rivale Air France nach ITA auch noch die TAP schnappen könnte.
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