Die Airline ist durch die Pandemie stark angeschlagen. Nun gerät sie durch den Green Deal der EU und eine mögliche Regierungsbeteiligung der Grünen zusätzlich unter Druck.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr auf der Hauptversammlung
Europas größte Fluggesellschaft verweist auf zahlreiche Initiativen und Investitionen in das nachhaltige Fliegen.
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Frankfurt, Berlin Eigentlich werden bei der Lufthansa alle Kräfte für das Hochfahren des Flugbetriebs benötigt. Allein die Reaktivierung von 50 geparkten Flugzeugen wird in den kommenden Wochen viel Kapazität binden. Doch die Führungskräfte müssen sich gleichzeitig mit einem anderen Thema beschäftigen. Einem, das eine noch viel größere Dimension haben wird als die Pandemie: dem Klimaschutz.
Demnächst will die EU-Kommission konkrete Maßnahmen verkünden, mit denen der Green Deal umgesetzt werden kann. Bis 2030 sollen innerhalb der EU die CO2-Emissionen um 55 Prozent gesenkt, 2050 soll die Klimaneutralität erreicht werden. Der Luftverkehr soll einen Beitrag leisten.
Am Sonntag wiederum zurrten in Deutschland die Grünen, die gute Chancen auf eine Regierungsbeteiligung haben, ihr Wahlprogramm fest. Ein Element: Auf Dauer sollen Kurzstreckenflüge durch die Bahn ersetzt werden.
Bei Lufthansa ahnt man, was da kommen wird. Intensiv diskutierten nach Informationen des Handelsblatts Vertreter des Vorstands und des Aufsichtsrats vor einigen Wochen über mögliche Folgen einer Regierungskoalition unter grüner Beteiligung. „LHG-relevantes Wohlstandsniveau potenziell unter Druck“ lautete eine der Schlagzeilen in der Präsentation des Managements. LHG steht für Lufthansa Group.
„Relevantes Wohlstandsniveau“ – damit sind mehrere Dinge gemeint. Zum einen der Wohlstand der Kunden, sich zum Beispiel mehrfach im Jahr einen Urlaub leisten zu können. Würden Flugtickets – wie es die EU und die Grünen im Grundsatz wollen – alle Umweltkosten beinhalten, dürften sie teurer werden.
Zum anderen ist da der „Wohlstand“ der Lufthansa selbst. Flughäfen dürfen zum Beispiel neue Airlines oder neue Strecken mit Rabatten fördern. Diese Subventionen könnten fallen. Auch die Betriebszeiten an den Flughäfen könnten verkürzt werden.
All das hätte Folgen fürs Geschäft der Lufthansa – und für die Pläne des Unternehmens. Das Management will die milliardenschwere Staatshilfe zur Überwindung der Coronakrise so schnell es geht ablösen. Es ist die Voraussetzung für das zweite Ziel: Der Staat, der im vergangenen Jahr mit 20 Prozent eingestiegen ist, soll seine Anteile wieder abstoßen. Dafür wird jeder Cent gebraucht.
Zwar haben sich beim Parteitag der Grünen am Sonntag die „Realos“ durchgesetzt. Die Forderungen in Richtung Luftverkehr wurden nicht weiter verschärft. Doch aus dem Lufthansa-Umfeld ist die Sorge zu hören, dass bei einer Regierungsbeteiligung die „Fundis“ mit ihren radikaleren Vorschlägen wieder mehr an Macht gewinnen könnten.
Man verfolge die Debatten, sei aber nicht in großer Unruhe, heißt es offiziell bei der Airline. Auch wird auf die Erfahrungen mit Landesregierungen unter grüner Beteiligung verwiesen. In Hessen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz oder Berlin werbe die Politik bei Billigairlines und außereuropäischen Anbietern für noch mehr Flüge an den Landes-Airports.
Allerdings sind es längst nicht nur die Grünen, die den Luftverkehr an die kurze Leine nehmen wollen. Das Thema Klimaschutz spielt bei allen Parteien eine immer größere Rolle. Die strengen Vorgaben der EU-Kommission erhöhen den Handlungsdruck zusätzlich.
Die Lufthansa-Spitze versucht es mit einer Doppelstrategie. Einerseits wirbt man mit den eigenen Umweltinitiativen. So verweist Konzernchef Carsten Spohr etwa auf den Kauf von zehn neuen Langstreckenflugzeugen, wodurch in den nächsten zehn Jahren eine Million Tonnen CO2-Emissionen vermieden werden könnten. Eine spezielle Beschichtung der Flügel – die Haifischhaut – bei Fracht-Jets soll den Verbrauch drücken. Und die Kooperation mit der Bahn wird ausgebaut – das wohl deutlichste Signal in Richtung der grünen Partei.
Lufthansa packt Jets in spritsparende Haifischhaut
Durch die spezielle Beschichtung der Flügel soll der Treibstoffverbrauch gesenkt werden.
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Auch mischt die Lufthansa bei ausgewählten Flügen nachhaltigen Treibstoff aus Biomasse bei und ist an Projekten für die Herstellung von alternativem Kerosin aus grünem Strom (SAF) beteiligt. Bis 2030 werde die Lufthansa die CO2-Emissionen gegenüber dem Vorkrisenniveau halbieren, 2050 dann sogar komplett CO2-neutral fliegen, versprach Spohr bei der Hauptversammlung Anfang Mai: „Nicht, weil wir müssen. Nicht, weil andere es wollen oder fordern. Sondern aus voller Überzeugung.“
Andererseits warnen die Konzernvertreter vor überzogenen Maßnahmen. Lufthansa ist wie Air France und KLM Mitglied der „Airline Coordination Platform“ (ACP). Deren Aufgabe ist die Lobbyarbeit in Brüssel. Umweltschützer kritisierten zuletzt, dass die ACP sämtliche geplanten EU-Maßnahmen ablehne.
Das weist der europäische Airline-Verband A4E zwar zurück. Fest steht aber: Die Idee einer Kerosinsteuer – von EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans immer wieder ins Spiel gebracht – lehnen alle Airline-Manager ab. So verweist man bei der Lufthansa darauf, dass Flugbenzin weltweit von der Steuer befreit ist, weil die Branche anders als andere Verkehrsträger über Gebühren direkt für die Infrastrukturkosten aufkommt. Auch nähmen die Airlines als einziger Verkehrsträger am Europäischen Emissionsrechtehandel teil, und es gebe zusätzlich eine deutsche Ticketsteuer.
Mit steigenden Flugzahlen nehmen die Diskussionen über die Klimabilanz des Fliegens wieder zu. Was tut die Luftfahrt, um nachhaltig zu fliegen? Kann das gelingen?
Die Kerosinsteuer würde die Ticketpreise so steigen lassen, dass die Kunden über Istanbul oder Doha fliegen, warnt man in der Konzernzentrale von Lufthansa. Das Gleiche geschehe, wenn Kurzstreckenflüge pauschal abgeschafft würden. „Dann schaden wir der Umwelt, weil Umwege in Kauf genommen werden, und wir schaden auch der deutschen Wirtschaft, weil dann hier Arbeitsplätze verloren gehen“, sagte Lufthansa-Vorständin Christina Foerster in der vergangenen Woche im Handelsblatt-Nachhaltigkeitspodcast „Handelsblatt Green“.
Luftfahrt-Experte Gerald Wissel von der Beratungsgesellschaft Airborne Consulting glaubt allerdings, dass Fluggesellschaften durchaus mehr für den Klimaschutz tun können. Natürlich müsse Wirtschaftlichkeit bei den Airlines weiterhin oberste Priorität haben, gerade wegen der aktuellen Krise. „Wenn sie die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit allerdings ernst nehmen, sollten sie einen Teil der durch effizientere Triebwerke und Flugzeuge eingesparten Kosten in Entwicklung und Nutzung industriell produzierter, nachhaltiger Treibstoffe reinvestieren.“
Auch der eine oder andere im Aufsichtsrat der Lufthansa sieht beim Thema Klimaschutz noch Potenzial. Fliegen bleibe eine Belastung für die Umwelt, heißt es im Umfeld des Gremiums. Statt über eine grüne Regierungsbeteiligung zu lamentieren, sollte der Vorstand Lösungen für saubere Reisen erarbeiten. Denn neben der Politik würden auch zwei weitere Gruppen zunehmend auf das Thema achten: Kunden und Investoren.
Mitarbeit: Michael Scheppe
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