PremiumDas Allgäuer Familienunternehmen wurde mit Aldi und McDonald's groß. Nun investiert Firmenchef Peter Stahl in Alternativen zu Käse aus Kuhmilch – zum Leidwesen der Milchbauern.
Hochland-Chef Peter Stahl
Die Allgäuer Privatkäserei will mit Käse aus Kuhmilch und mit pflanzlichen Alternativen wachsen.
Bild: Hochland
Düsseldorf Wer ans Allgäu denkt, hat Milchkühe und saftige Weiden vor Augen. Seit 1927 stellt die Privatmolkerei Hochland hier Käse her, unter bekannten Marken wie Almette, Patros oder Valbrie. Doch seit sechs Jahren produziert das Familienunternehmen auch Käse ganz ohne Kuhmilch: Frisch- und Scheibenkäse aus Mandeln und Kokosöl. „Wir haben vegane Käse-Alternativen hoffähig gemacht,“ sagt Peter Stahl, Vorstandschef der Hochland SE.
Die Marke „Simply V“ ist heute mit Abstand Marktführer für veganen Käse in Deutschland – vor Marken wie Bedda oder Violife. Der Marktanteil liegt laut Marktforscher Nielsen bei 61 Prozent. Das Geschäft wachse kräftig. Konkrete Zahlen nennt Stahl nicht, seit 2019 aber arbeite die junge Hochland-Tochter E.V.A. mit 150 Mitarbeitern profitabel.
Die Nachfrage nach klima- und tierfreundlichen Käsealternativen wachse, begründet Stahl den Einstieg ins Vegan-Geschäft. So hat der rein pflanzliche Simply V Streichgenuss eine fünfmal bessere CO2-Bilanz als ein Doppelrahmfrischkäse. „Hochland beherrscht die Molkereiprozesse, die identisch sind bei pflanzlichen Alternativen zu Käse. Warum sollen wir dieses Zukunftsgeschäft anderen überlassen?“, fragt Stahl.
Angefangen hat die Familienmolkerei aus Heimenkirchen mit Schmelzkäse. Weil der haltbar ist und keine durchgängige Kühlkette braucht, konnten die Gründer Robert Reich und Georg Summer vom Allgäu auch Norddeutschland beliefern. 1940 kam Familie Fuchs als Mitinhaber hinzu.
Mit Aldi und McDonald's ist die Käserei schließlich groß geworden. „Auf dem Cheeseburger von McDonald's liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Scheibe von Hochland“, sagt der 54-jährige studierte Betriebswirt.
Heute ist Hochland einer der größten privaten Käsehersteller Europas. Die Allgäuer beschäftigen rund 5500 Mitarbeiter, 2100 davon in Deutschland. Der Umsatz stieg 2020 um zwei Prozent auf einen Rekordwert von 1,63 Milliarden Euro. Der Jahresüberschuss erreichte knapp 62 Millionen Euro. „Wir wollen weiter wachsen“, betont Stahl.
In Deutschland ist Hochland im Markengeschäft die Nummer zwei hinter dem französischen Käsehersteller Savencia mit Géramont, Fol Epi und Bresso. Das zeigen Zahlen von Nielsen. Dabei hatten die Berater von BCG der Molkerei vor 30 Jahren geraten, nur günstige Handelsmarken herzustellen. Die tragen heute knapp ein Drittel zum Umsatz bei.
„Der damalige Chef Rolf Summer hat zum Glück nicht auf die Berater gehört und mit seinem Team erfolgreiche Marken wie Patros und Almette aufgebaut“, sagt Stahl, der vor 27 Jahren zu Hochland kam und selbst aus einer Unternehmerfamilie stammt.
Simply V
Die Käsealternative von Hochland wird aus Walnüssen und Kokosöl hergestellt. Die Marke Simply V ist mit Abstand Marktführer in Deutschland.
Bild: Hochland
Hochland wuchs auch durch Zukäufe. 2009 wurde die Marke Grünländer von Bechtel übernommen, 2013 Gervais von Danone. Auf der Packung für Grünländer warb Hochland mit „Milch von Freilaufkühen“. Dafür verlieh die Verbraucherorganisation Foodwatch 2020 den „Goldenen Windbeutel“ für die dreisteste Werbelüge des Jahres.
Denn tatsächlich stehen die Freilaufkühe im Stall, was nur klein auf der Rückseite stand. „‚Hochland gaukelt seiner Kundschaft ein Weide-Idyll vor und täuscht ausgerechnet jene Verbraucherinnen und Verbraucher, die bewusst Produkte auswählen, von denen sie sich eine bessere Tierhaltung versprechen“, kritisierte Manuel Wiemann von Foodwatch.
„Wir haben etwas Gutes getan, aber ungeschickt kommuniziert“, versucht Stahl, das PR-Fiasko zu erklären. In Bayern sei Anbindehaltung noch sehr verbreitet, das habe Hochland durch Freilaufställe bei seinen Grünländer-Milchlieferanten geändert. Weitere Marken sollen folgen.
Gentechnik hat die Käserei genauso verbannt wie das umstrittene Herbizid Glyphosat. Seit einem Jahr sind die Milchlieferanten des Schongauer Werks zudem verpflichtet, nur Futtermittel aus Europa an ihre Kühe zu verfüttern. Das soll die weitere Verödung ganzer Landstriche in Südamerika durch Sojaanbau verhindern.
Stahl, der zugleich Vorsitzender des Milchindustrie-Verbands ist, geht dabei mit der eigenen Branche kritisch ins Gericht: „Wir haben in Deutschland und ganz Europa eine Überversorgung mit Milch. Das ist nur möglich durch Futterimporte aus Nord- und Südamerika, die ich nicht für sinnvoll halte.“
Auch mit Käse ist Deutschland mit 125 Prozent überversorgt. Zugleich essen die Deutschen so viel Käse wie nie zuvor: 25,4 Kilo waren es 2020 pro Kopf. 1970 dagegen erst zehn Kilo. Das ermittelte die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.
63 Prozent des Geschäfts macht Hochland inzwischen im Ausland, wo elf Werke meist für den jeweiligen Markt produzieren. Bereits 1978 kauften die Allgäuer eine Käserei in Frankreich. „Die französische Regierung war gar nicht begeistert, dass Deutsche einen französischen Käsehersteller übernahmen. Das war damals ein richtiges Politikum“, erzählt Stahl. Auch in Spanien produzierte Hochland früh selbst.
Nach der Wende begann die Expansion in Osteuropa. „Immer wenn es hohe Importzölle oder Handelshemmnisse gab, haben wir eine lokale Produktion aufgebaut“, so Stahl. In Russland, Polen und Rumänien ist Hochland mit Markenkäse Marktführer. Auch in den USA sind die Allgäuer aktiv. 2017 wurde Frischkäsehersteller Franklin Foods zugekauft.
Im Dezember beteiligte sich Hochland am israelischen Start-up Remilk. Damit wird der Trend „Käse ohne Kuh“ noch einen Schritt weiter gedacht. Das Food-Tech stellt durch mikrobielle Fermentation Proteine her, die identisch mit Milchproteinen sind. „Das ist alles noch Zukunftsmusik. Aber wir wollen die Technologie verstehen und einmal zu den Ersten gehören, die Produkte daraus auf den Markt bringen“, erklärt Stahl.
Der Molkerei-Chef wagt eine kühne Prognose: „In 20 Jahren wird nur noch jeder zweite ‚Käse‘ in den Supermarktregalen weltweit aus Milch von der Kuh stammen.“ Die Beratung BCG erwartet für 2035 einen globalen Absatz von 54 Millionen Tonnen alternativer Milchprodukte – etwa fünfmal so viel wie heute.
Die Abkehr von Kuhmilch erfüllt Milchbauern mit Sorge. „Wenn die Nachfrage nach Ersatzprodukten steigt, heißt das ja, dass sie woanders zurückgeht“, fürchtet Stefan Mann, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. Die Bauern litten schon jetzt unter zu niedrigen Milchpreisen.
Der Hochland-Chef sieht das anders. „Wir wollen auch mit Käse aus Milch weiter wachsen.“ Die globale Nachfrage nach tierischen Proteinen steige rasant – vor allem in China.
Hochland zahlt seinen Milchlieferanten derzeit 37 Cent pro Liter – mehr als so mancher Wettbewerber. Die Produktionskosten in Süddeutschland lägen aber bei rund 50 Cent je Liter, monieren die Milchviehhalter.
Die Kostensituation sei von Hof zu Hof sehr unterschiedlich, relativiert Stahl. Die Preise pauschal zu erhöhen führe zu einer Milchschwemme. „Dann bräuchten wir wieder Milchquoten, die ja 2015 bewusst abgeschafft wurden.“
An kritische Milchbauern appelliert er: „Landwirte brauchen ertragsstarke Molkereien wie Hochland als Partner. Keinem Milchbauern ist geholfen, wenn Molkereien die finanziellen Mittel fehlen, um in neue Produkte, in Werke und Marken zu investieren.“
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