PremiumDer Modehändler beginnt mit der Abwicklung des Geschäfts. H&M-Chefin Helena Helmersson schätzt die Kosten auf fast zwei Milliarden Euro.
Helena Helmersson
Die H&M-Chefin rechnet mit Rückzugskosten von umgerechnet 1,9 Milliarden Euro.
Bild: imago images/TT
Stockholm Leicht ist ihr der Beschluss nicht gefallen. Doch Helena Helmersson musste handeln. Die Chefin des weltweit zweitgrößten Modehändlers H&M gab am Montag bekannt, was Analysten seit Längerem erwartet hatten: Der schwedische Konzern wird sich endgültig aus Russland zurückziehen. „Wegen der aktuellen Herausforderungen für die Unternehmensführung und einer unvorhersehbaren Zukunft haben wir heute beschlossen, mit der Abwicklung unseres Geschäfts in dem Land zu beginnen“, erklärte sie.
Der Rückzug aus dem russischen Markt kommt nicht überraschend. Der russische Angriff auf die Ukraine hat ein Verbleiben unmöglich gemacht. Doch wie viele andere westliche Unternehmen hatte auch H&M zunächst nur eine vorübergehende Schließung seiner 168 Geschäfte beschlossen.
Weil aber ein Ende des Kriegs derzeit nicht in Sicht und das politische Klima in Russland immer schwieriger geworden ist, wird sich H&M aus Russland zurückziehen. Man werde das Land „auf verantwortungsvolle Weise“ verlassen, teilte H&M mit und betonte, dass vor allem die russischen Kolleginnen und Kollegen „fair“ behandelt werden sollen.
H&M ist seit 2009 auf dem russischen Markt vertreten und beschäftigt dort 6000 Mitarbeiter. Zuletzt war Russland der weltweit siebtgrößte Markt für den schwedischen Moderiesen. Helmersson rechnet mit Rückzugskosten von rund zwei Milliarden Kronen (1,9 Milliarden Euro). H&M plant eine kurzzeitige Wiedereröffnung seiner Geschäfte in Russland, um das noch bestehende Warenlager zu verkaufen.
Für die Ökonomin Helmersson ist der Rückzug aus Russland nicht die erste Krise, die sie zu meistern hat. Ihr Einstieg in den Job im Januar 2020 hätte nicht schwieriger sein können: Als Helmersson die Leitung des Modekonzerns übernahm, waren die Krisenjahre zwar überwunden, doch vor ihr lag die Aufgabe, das bis dahin zu kurz gekommene, aber immer wichtigere Onlinegeschäft auszubauen.
Helmersson war vom ersten Tag an klar, dass sie eine schwierige Aufgabe vor sich hatte. „Wir sind ein Unternehmen mit einer 70-jährigen Geschichte, das erfolgreich mit demselben Geschäftsmodell gearbeitet hat. Ein so etabliertes Unternehmen zu erneuern ist eine große Aufgabe“, sagte sie kurz nach ihrer Ernennung.
Noch bevor sie richtig mit den internen Umbauarbeiten begonnen hatte, kam die Coronapandemie. Deren Folgen bekam die 49-jährige Managerin sogleich zu spüren: Umsatz und Gewinn sanken, aber Helmersson, die seit 1997 für H&M auf verschiedenen Positionen gearbeitet hat, unter anderem als Produktionsleiterin in Bangladesch und später als Nachhaltigkeitschefin, steuerte dagegen. Der Onlinehandel wurde ausgebaut, konnte einen Teil der Verluste kompensieren, und schon im Sommer 2020 präsentierte die erste Frau an der Spitze des Konzerns wieder schwarze Zahlen.
Vieles von dem, was sie sich vorgenommen hatte, hat sie bereits umgesetzt: Am wichtigsten war der weitere Ausbau des Onlinehandels, der für einen wachsenden Anteil am Gesamtumsatz steht. Nicht lösen konnte sie bislang den Konflikt mit China.
H&M hatte vor zwei Jahren erklärt, wegen möglicher Verstöße gegen die Menschenrechte keine Baumwolle mehr aus der westchinesischen Region beziehen zu wollen, wo Berichten von Menschenrechtsorganisationen zufolge die muslimische Minderheit der Uiguren Zwangsarbeit verrichten muss.
Chinesische Staatsmedien riefen indirekt zu einem Boykott auf. An der Situation hat sich bislang wenig geändert. Helmersson gibt sich bedeckt. Man befinde sich „in einer komplexen Situation“, lautet stets ihr schmallippiger Kommentar.
Mitarbeiter bescheinigen der zweifachen Mutter ein großes soziales Engagement, das noch durch ihre mehrjährigen Aufenthalte in Bangladesch und Hongkong gestärkt wurde. So wirbt sie seit Langem für gerechtere Löhne und für mehr Nachhaltigkeit in der Modeindustrie. „Wir müssen die Arbeiter in ihrer Position stärken“, erklärte sie vor einiger Zeit.
Trotz einiger Krisen ist H&M eine schwedische Erfolgsgeschichte, die der des Möbelhauses Ikea kaum nachsteht: 1947 von Erling Persson in der westlich von Stockholm gelegenen Kleinstadt Västerås gegründet, hat sich das Unternehmen zu einer der größten Modeketten der Welt entwickelt.
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