Immer mehr Menschen kombinieren ihren Urlaub mit der Arbeit aus der Ferne. Die Reiseanbieter reagieren auf den Trend zum sogenannten Workation.
Arbeiten aus der Ferne
Die Pandemie hat einen Trend befeuert: Immer mehr Menschen verbinden ihren Urlaub mit der Arbeit.
Bild: Moment/Getty Images
Frankfurt Seit August können Beschäftigte des Reisekonzerns Tui bis zu 30 Tage im Jahr aus dem Ausland arbeiten, sofern der Job das erlaubt. Aber die Resonanz hat Stefan Baumert doch überrascht: Bereits 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten das weltweit genutzt, erzählt der Vorsitzende der Geschäftsführung von Tui Deutschland: „Ich hätte nicht mit einer so großen Zahl in so kurzer Zeit gerechnet.“
Workation – ein Kunstwort aus den beiden Begriffen Work und Vacation – liegt im Trend. Die Arbeit wird mit dem Urlaub kombiniert und in eine längere Reise integriert. Die Idee dazu ist schon vor der Pandemie entstanden. Corona und die Folgen haben den Trend allerdings beschleunigt.
„Die Firmen haben gelernt, dass es möglich ist, aus der Ferne zu arbeiten“, sagt Jesko-Phillip Neuenburg, Managing Director des Beratungsunternehmens Accenture. Immer mehr Firmen würden ihren Mitarbeitern mittlerweile sogar ausdrücklich erlauben, sich eine gewisse Zeit aus dem Ausland dazuzuschalten, sofern arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtliche Vorgaben eingehalten würden.
Nach einer kürzlich publizierten Studie des Meinungsforschungsinstituts Kantar im Auftrag der Kommunikationsplattform Slack wollen künftig 73 Prozent der rund 2000 Befragten nicht mehr täglich im Büro arbeiten. Was im heimischen Arbeitszimmer funktioniert, geht auch an entsprechend ausgestatteten Urlaubsdomizilen.
Das Workation-Angebot wächst beständig. Die Plattform Expedia listet in der Rubrik „Work from here“ geeignete Ziele für den Urlaub mit Arbeitseinsatz auf. Reiseanbieter wie Aldiana haben spezielle Angebote im Programm. Regionen wie Südtirol oder Nordfriesland werben mit Workation für sich. „Die Reiseanbieter müssen sich auf diesen Trend einstellen“, sagt Neuenburg von Accenture: „Die Quartiere müssen entsprechend ausgestattet sein, etwa mit einer komfortablen Arbeitsumgebung und leistungsfähigem WLAN.“
„Wir haben eigene Zimmerkategorien für Workation in unseren Hotels der Marken TuiBlue, Robinson und Tui Magic Life“, sagt Tui-Manager Baumert. Dazu gehöre ein Schreibtisch, eine Tastatur, eine Maus, ausreichend Steckdosen und eine Kaffeemaschine. „Die Zimmer kosten nicht mehr als vergleichbare normale Zimmer.“
Optional können sich die Kunden bei Tui einen 27-Zoll-Monitor für drei Euro pro Tag buchen oder auch ein Headset. „Wer länger als zwei Wochen bleibt, bekommt zudem einen Gutschein für eine Anwendung im Wellness-Bereich. Wer länger als vier Wochen bucht, den holen wir sogar individuell vom Flughafen ab und bringen ihn wieder dorthin“, nennt Baumert weitere Details des speziellen Angebots.
Grundsätzlich gehe es darum, Angebote wie das Catering oder die Wellness so auf die Bedürfnisse der Gäste auszurichten, dass diese häufiger am Tag eine kleine Pause von der Arbeit nehmen und diese sinnvoll nutzen könnten, so Baumert weiter. Er könne sich auch vorstellen, in Zukunft Seminarräume in den Hotels zu Coworking-Räumen umzugestalten.
Noch ist es ein eher kleines Geschäft für die Touristiker. „Workation ist ein Produkt, das aus der Nische kommt, aber viel Potenzial hat“, sagt Baumert. Zwar sei der Anteil eher klein, aber es sei denkbar, dass er mal zehn Prozent des Geschäftsvolumens erreichen könne. „Es gibt allerdings eine Art Dunkelziffer, also Menschen, die Urlaub machen und von dort arbeiten, ohne dass sie dafür ein spezielles Workation-Angebot buchen.“
Studien bestätigen die Hoffnung auf gute Geschäfte mit dem Trend. Einer Umfrage der Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners zufolge planen 43 Prozent der in sieben Ländern befragten 7000 Personen einen Workation-Trip. Über die Hälfte der Deutschen würde dabei ihren Urlaub sogar um zwei oder mehr Wochen verlängern.
Das spürt auch das Buchungsportal Airbnb. Mittlerweile würden 20 Prozent der Kunden Quartiere für 28 Tage und noch länger buchen, sagte Airbnb-Co-Gründer und CEO Brian Chesky kürzlich dem Magazin „The Atlantic“: „Ich denke, das hängt damit zusammen, dass die Menschen nicht mehr in ihre Büros zurückkehren müssen.“
„Die Verlagerung zu Remote-Working und hybriden Modellen ist eine gute Nachricht für die Tourismusbranche“, ist Lisa Remmelberger, Partnerin bei Simon-Kucher & Partners, überzeugt. Die Möglichkeit, tagsüber zu arbeiten und sich abends und am Wochenende in einem schönen Urlaubsort entspannen zu können, locke viele Menschen.
Der Trend passt zu einer anderen Beobachtung der Touristikmanager: „Die Menschen sind bereit, mehr Geld für ihren Urlaub auszugeben“, sagt Baumert. Sie würden eine höhere Zimmerkategorie buchen, zum Beispiel ein Zimmer mit Meerblick. „Oder es ist der private Pool, die Juniorsuite und der XL-Sitz im Flugzeug. Wir beobachten auch, dass die Reisedauer steigt.“
Der Tui-Deutschlandchef glaubt, dass dieser Trend grundsätzlich bleiben wird, wenn vielleicht auch nicht im vollen Umfang: „Aber wer sich einmal zum Beispiel an das schönere Zimmer im Strandresort gewöhnt hat, wird es das nächste Mal wieder buchen.“
Workation befeuert eine andere Entwicklung. Der Vertrieb von Reisen ändert sich. Workation lasse sich zum Beispiel sehr gut über die sozialen Medien vermarkten, sagt Baumert. Das hat Folgen für herkömmliche Vertriebskanäle. „Das klassische Reisebüro, in dem man gemeinsam mit dem Mitarbeiter den Katalog durchblättert oder die Mitarbeiter dann im Netz nachschauen, hat ausgedient“, sagt Frank Schäfer von Accenture. Heute würden sich die meisten Kunden in Ruhe zu Hause informieren. „Viele buchen dann von dort direkt.“
Das Reisebüro werde künftig eine andere, eine neue Rolle bekommen, so Schäfer weiter. Es werde zu einem Ort der individuellen und personalisierten Premiumberatung. „Die wird in angenehmer Atmosphäre, zum Beispiel in einer Art Lounge, stattfinden und Kunden ermöglichen, unterschiedliche Destinationen durch Technologien wie Virtual Reality vorab zu erkunden.“
Ganz so weit will Baumert von Tui zumindest kurzfristig nicht gehen. Aber auch beim größten europäischen Reisekonzern verändert sich das Design der Reisebüros: „Unsere Flagship-Stores sind großzügig und hell gestaltet, mit gemütlichen Sitzgelegenheiten, einer Theke und wie etwa in Berlin mit einer großen Barista-Kaffeebar.“
Gleichzeitig werde die Verknüpfung mit dem Onlinekanal deutlich zunehmen. „Kunden können seit Kurzem Termine im Reisebüro buchen“, nennt Baumert ein Beispiel: „Auch können Reisen in den Warenkorb gelegt werden, die dann vor Ort im Reisebüro weiterbearbeitet und ergänzt werden können.“
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (1)