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19.05.2022

16:46

Nahrungsmittel

Veggie-Geschäft der Rügenwalder Mühle wächst rasant

Von: Katrin Terpitz

Der Marktführer für Fleischersatz kauft ein weiteres Werk. Sorgen bereiten Firmenchef Michael Hähnel jedoch steigende Preise für pflanzliche Rohstoffe.

Der Chef der Rügenwalder Mühle weitet die Produktion von Fleischalternativen aus und sucht nach neuen Standorten. Rügenwalder Mühle

Michael Hähnel

Der Chef der Rügenwalder Mühle weitet die Produktion von Fleischalternativen aus und sucht nach neuen Standorten.

Düsseldorf Vegane Wurst und vegetarische Schnitzel der Rügenwalder Mühle verkaufen sich so gut, dass der deutsche Marktführer für Fleischalternativen erneut seine Kapazitäten ausweitet. In Goldenstedt in der Nähe zum wichtigsten Produktionsstandort im niedersächsischen Bad Zwischenahn wurde zum Mai ein Werk von 8000 Quadratmetern samt Mitarbeitern übernommen. Noch in diesem Jahr sollen zwei Produktionslinien für Fleischersatz in Betrieb gehen.

Der traditionsreiche Wursthersteller von 1834, der seit gut sieben Jahren auch fleischfreie Alternativen produziert, war in den Vorjahren von der boomenden Veggie-Nachfrage überrollt worden. Das Familienunternehmen kam mit der Produktion kaum nach, musste extern Kapazitäten anmieten. „Schon im letzten Jahr sind wir mit einem neuen Standort in Wilhelmshaven gestartet“, erklärte Firmenchef Michael Hähnel bei der Vorlage der Jahreszahlen 2021 am Montag. Weitere Standorte werden gesucht.

Der Gesamtumsatz legte um 12,7 Prozent auf 263 Millionen Euro zu. Zum Gewinn äußerte sich Hähnel nicht. Der frühere Deutschlandchef von Bahlsen wechselte 2020 vom Aufsichtsrat an die Firmenspitze. „Die gestiegenen Kosten spüren wir natürlich auch bei der Profitabilität, wir sind aber unter dem Strich sehr zufrieden mit 2021.“ Im Vorjahr lag das Ergebnis bei sieben Millionen Euro, ist im Bundesanzeiger nachzulesen.

Auch 2021 konnte die Rügenwalder Mühle den Absatz von Wurst- und Fleischalternativen um fast 42 Prozent deutlich steigern. Im Vorjahr hatte dieser Zuwachs sogar bei 73 Prozent gelegen, wie Marktforscher IRI für den Lebensmitteleinzelhandel errechnete. Der Veggie-Absatz der Niedersachsen wuchs stärker als der Gesamtmarkt, der um rund ein Drittel zulegte.

Die Rügenwalder Mühle bleibt unangefochten deutscher Marktführer für Fleischalternativen: Der Umsatzanteil lag 2021 laut Marktforscher Nielsen IQ bei 41,2 Prozent im Lebensmitteleinzelhandel. Gerade erst wurde die Rügenwalder Mühle bei den „Best Brands 2022“ in der Kategorie Nahrungsmittel als Marke Nummer eins ausgezeichnet.

Der deutsche Markt für Fleischalternativen wuchs 2021 laut Nielsen IQ um fast ein Drittel auf 611 Millionen Euro. An Nummer zwei folgen Handelsmarken, danach Like Meat, Nestlé („Garden Gourmet“) und Friesland Campina („Valess“). Weil immer mehr Hersteller – wie auch Fleischkonzern Tönnies – in den Zukunftsmarkt einsteigen, ist der Marktanteil von Rügenwalder über die Jahre leicht gesunken. „Der Kampf um die Regalplätze wird härter“, konstatiert Anja Grunefeld, Deutschlandchefin von Like-Meat-Mutter Livekindly.

Grafik

Das Jahr 2021 markiert einen historischen Meilenstein für die Rügenwalder Mühle. Erstmals verkaufte das Familienunternehmen in siebter Generation aufs Gesamtjahr gesehen mehr vegane und vegetarische Produkte als klassische Wurstwaren. Die Trendumkehr begann im Sommer 2020. Der Absatz von Fleischprodukten der Niedersachsen ging 2021 um 1,9 Prozent zurück. Er entwickelte sich immer noch besser als der deutsche Wurstmarkt, der um 3,9 Prozent schrumpfte.

Sonnenblumenkerne sind knapp – Preise steigen

Jeder Deutsche aß 2021 im Schnitt 31 Kilo Schweinefleisch – fast neun Kilo weniger als noch 2011. Das ermittelte die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. „Es ist Ausdruck eines modernen Lifestyles, sich pflanzlich, gesund und klimaschonend zu ernähren“, erklärt Fabio Ziemßen vom Verband Alternativer Proteinquellen Balpro die Abkehr von Fleisch. Allerdings sind Fleischalternativen immer noch ein Nischenmarkt.

Lieferengpässe und steigende Kosten bei Rohstoffen und Energie setzen allerdings auch der Rügenwalder Mühle zu. „2022 wird ein herausforderndes Jahr“, sagte Hähnel dem Handelsblatt. Wichtige Zutaten wie Weizen, Rapsöl, Sonnenblumenkerne und Soja haben sich extrem verteuert.

„Die Verfügbarkeit, Qualität und Herkunft der pflanzlichen Rohstoffe waren bereits vor dem Ukrainekrise eine Herausforderung.“ Die Krise betreffe alle Marktteilnehmer in der gesamten Wertschöpfungskette für Fleisch und Veggie. Jetzt gelte es, die Verbraucher trotz steigender Preise zu überzeugen. Hähnel befürwortet einen einheitlichen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Veggie-Fleisch von sieben statt 19 Prozent. Die Rügenwalder Mühle sehe keinen Grund, warum dies gegenüber Produkten aus Fleisch hier benachteiligt werden sollte. Nicht für alle Fleischersatzprodukte gilt der ermäßigte Steuersatz, es kommt auf Inhaltsstoffe und jeden Einzelfall an.

Trotz steigender Kosten will der Hersteller seine Investitionen 2021 nochmals signifikant erhöhen. Der Anbau von Soja in Deutschland wird forciert. „Die Rügenwalder Mühle gibt es seit 1834. Das Unternehmen hat Kriege und andere Krisen gemeistert – wir investieren weiter, auch in der Krise“, betont Hähnel.

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels hatte es geheißen, für alle Fleischersatzprodukte gelte der normale Steuersatz von 19 Prozent. Vielmehr hängt es bei Fleischersatzprodukten von Inhaltsstoffen und Einzelfall ab, ob der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent oder der normale Mehrwertsteuersatz gilt.

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