Chinas Coronapolitik und der Ukrainekrieg wirbeln den Lebensmittelmarkt durcheinander. Besonders betroffen: Fischstäbchen. Der Nachschub stockt – und teurer werden sie auch.
Fischstäbchen-Herstellung
Die Fischverarbeiter müssen steigende Preise für Mehl und Öl bewältigen, dazu kommen nun noch Lieferengpässe beim Alaska-Seelachs.
Bild: dpa
Düsseldorf Bei Frozen Fish International in Bremerhaven stehen die Bänder zeitweise still. Normalerweise werden hier 48.000 Tonnen Fischstäbchen und 20.000 Tonnen Schlemmerfilets im Jahr produziert – etwa für die führende Marke Iglo und Handelsmarken.
Das Werk, das zur Iglo-Mutter Nomad Foods gehört, hat nun 440 Mitarbeiter aus Produktion und Technik teilweise in Kurzarbeit geschickt. Das teilte Iglo dem Handelsblatt mit.
„In den letzten Wochen ist es zu einer sehr hohen Volatilität in der Lieferkette gekommen. Das hat zu Verzögerungen bei einigen Rohstoffen geführt, sodass ein kontinuierlicher Produktionsablauf nicht zu gewährleisten ist“, begründet Iglo den Schritt.
Der Hauptgrund: „Die Versorgungskette mit Alaska-Seelachs ist massiv ins Stocken geraten“, erklärt Matthias Keller, Geschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels.
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Corona und der Ukrainekrieg wirbeln weltweit die Lieferketten durcheinander. Weil viele Nahrungsmittel in internationaler Arbeitsteilung hergestellt werden, stockt auch hier der Nachschub. An kaum einem Beispiel zeigt sich das so deutlich wie am Fischstäbchen: Der dafür notwendige Alaska-Seelachs schwimmt, bevor er hierzulande als Stäbchen auf dem Teller landet, zu 70 Prozent in russischen Gewässern. Filetiert wird er meist in China, wo derzeit wegen strenger Coronabeschränkungen Arbeit und Transport stocken. Paniert wiederum wird er mit Weizenmehl und Sonnenblumenöl, für beides ist die Ukraine wichtiges Exportland.
Damit ist das Fischstäbchen praktisch von beiden derzeitigen internationalen Großkrisen betroffen – und wird dadurch knapp und teuer.
2021 importierte Deutschland 139.000 Tonnen Alaska-Seelachs, so Zahlen des Statistischen Bundesamts. Ein Großteil des Fischs wird von russischen Trawlern gefangen, bereits an Bord ausgenommen und zum Handfiletieren nach China verfrachtet. Von dort werden die tiefgekühlten Filetblöcke in Containern nach Deutschland verschifft, wo sie zu Fischstäbchen oder Schlemmerfilet verarbeitet werden.
Durch Corona sind die Kapazitäten in chinesischen Häfen und Fischfabriken stark eingeschränkt. Sabine Eichner, Geschäftsführerin des Deutschen Tiefkühlinstituts, sagt: „Das Problem ist derzeit, wie der Rohfisch zu den deutschen Verarbeitungsbetrieben kommt.“ Allein durch den Lockdown in Schanghai mit dem weltweit größten Containerhafen saßen mehr als 600 Containerschiffe fest, heißt es bei Marktführer Iglo. „Die Verzögerungen in der Lieferkette von Tiefkühlfisch, die sonst eng getaktet ist, summieren sich“, sagt Eichner.
So erlaubt China aus Hygienegründen seit der Pandemie nur noch die Einfuhr von Alaska-Seelachs in Containern. Zuvor wurde der ausgenommene Fisch von russischen Transportschiffen auf Paletten verpackt nach China zum Filetieren geliefert. Die Ware muss nun erst aufwendig im Hafen von Busan in Korea in Container umgeladen werden. „Das kostet viel Zeit und Geld“, so Fischverbandsmann Keller. Zudem ist durch die Pandemie die Containerverfügbarkeit gestört, die Kosten für Container haben sich vervielfacht.
Iglo-Fischstäbchen
Es gibt Engpässe in der Lieferkette für Alaska-Seelachs. Doch die Lager von Iglo sind mit Fischstäbchen derzeit gut gefüllt.
Bild: Iglo
Und so trifft es eines der deutschen Lieblingsfischprodukte: 2020 war der Absatz von Fischstäbchen hierzulande kräftig um mehr als 14 Prozent gestiegen. Das hohe Niveau blieb 2021 stabil, so Zahlen des Tiefkühlinstituts. Die Deutschen verspeisten 74.338 Tonnen Fischstäbchen.
Keller versichert: „Das Fischstäbchen stirbt nicht aus. Es ist nur weniger verfügbar derzeit.“ Iglo dagegen versichert: „Iglo-Fischstäbchen sind voll verfügbar, das Lager ist gut gefüllt.“ Weder Handel noch Verbraucher müssten sich Sorgen machen. Für Iglo Deutschland sind die amerikanischen Fischereien der Hauptlieferant, daneben kommt ein Teil des Fischs, wie bei vielen anderen Herstellern und Händlern auch, aus russischen Gewässern.
Diese Lieferbeziehungen würden inzwischen nur noch eingeschränkt genutzt. Iglo sei dabei, schnellstmöglich Alternativen zu finden: „Kurzfristig ist eine Umstellung allerdings schwierig und wird einige Zeit in Anspruch nehmen.“ Auch Tiefkühlhersteller Frosta prüft gerade, welche Alternativen anstelle von Alaska-Seelachs sich für die Produkte eignen.
Ein Wechsel auf andere Fischsorten ist laut Keller vom Fischverband nicht möglich. Wegen der Fangquoten fehle es an Verfügbarkeit. Kabeljau, Seelachs, Seehecht oder auch Pangasius aus Aquakulturen werden in deutlich geringeren Mengen importiert.
>> Lesen Sie auch: Eat Happy rollt seine Sushi-Inseln in Europa aus
Sorgen bereiten darüber hinaus mögliche Importsanktionen der EU auf russischen Fisch. Edelfisch und Kaviar aus Russland dürfen wegen des Ukrainekriegs nicht mehr importiert werden. Russischer Alaska-Seelachs fällt bisher nicht unter die Sanktionen. Die USA hingegen haben die Einfuhr bereits verboten. Allerdings sind die USA selbst die größte Fangnation von Alaska-Seelachs.
Russischer Fischer
Russische Trawler fischen im Jahr rund 400.000 Tonnen Alaska-Seelachs. Der wird zum Handfiletieren meist nach China transportiert.
Bild: imago/ITAR-TASS
Importsanktionen der EU gegen Alaska-Seelachs aus russischen Gewässern würden die Versorgung in Europa aber tatsächlich gefährden. „Man kann die russische Seelachs-Fischerei schlicht nicht ersetzen“, sagte Patrick Barinet, Geschäftsführer von Greenland Seafood, einem der größten Weißfischverarbeiter Europas, dem Fachmagazin „Intrafish“.
Die Preise für Fischstäbchen dürften damit noch nicht das obere Ende erreicht haben.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (3)