PremiumDie Personalvorständin des Sportartikelkonzerns, Amanda Rajkumar, ergreift neue Maßnahmen, um Inklusion sicherzustellen – und setzt dabei auf die Auswertung von Daten.
Amanda Rajkumar
Seit Anfang 2021 ist Rajkumar Personalvorständin von Adidas.
Herzogenaurach Der Sportartikelkonzern Adidas will nach den auch internen Black-Lives-Matter-Debatten mit einer neuartigen Datenumfrage Chancengleichheit für Schwarze Menschen und andere ethnische Gruppen sicherstellen. „Adidas ist ein sehr inklusives Unternehmen“, sagte die neue Personalvorständin Amanda Rajkumar dem Handelsblatt auf die Frage, ob Adidas ein spezielles Rassismusproblem habe.
Doch gebe es in der Gesellschaft viel Ungleichheit und bei Adidas wolle man diese nicht spiegeln. „Wir wollen gleiche Start- und Aufstiegschancen für alle.“ Sie kündigte zudem neue Ziele für den Anteil von Frauen in Führungspositionen an.
In der Rassismusdebatte nach dem Tod des Afro-Amerikaners George Floyd hatten auch schwarze Mitarbeiter von Adidas gegen schlechtere Aufstiegschancen demonstriert. Rajkumars Vorgängerin Karen Parkin ging im Zuge der Diskussionen nach 23 Jahren bei Adidas.
Eine Gruppe von Mitarbeitern von Adidas hatte sich über Parkin beschwert, weil sie bei einer internen Veranstaltung der US-Tochter Reebok im vergangenen Jahr gesagt haben soll, sie glaube nicht, dass Adidas ein Rassismusproblem habe. Die Rassismusdebatte in den USA sei nur „Lärm“.
Nachfolgerin Rajkumar führt seit Anfang des Jahres bei Adidas das Personalressort. „Die Beschäftigten und Menschen überall auf der Welt haben zu Recht ihre Stimme erhoben“, sagt sie. Die Führung habe zugehört, reflektiert und Konsequenzen gezogen.
Systematische Verbesserungen könne es aber nur geben, wenn man die Ausgangssituation und die Fortschritte mithilfe von Daten analysieren könne. Daher werde Adidas im kommenden Jahr im Rahmen eines neuen „Data Diversity Dimension Project“ als erstes Dax-Unternehmen die Vielfalt des Unternehmens erfassen, indem auf freiwilliger Basis ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht und ähnliche Merkmale der Mitarbeiter erfasst werden sollen.
In Deutschland und anderen Ländern, in denen die Sensibilität in Sachen Daten- und Persönlichkeitsschutz hoch ist, könnte so ein Projekt auch auf Skepsis stoßen. Rajkumar betont daher, dass die Teilnahme freiwillig ist. Das Vorhaben werde zudem eng mit dem Betriebsrat abgestimmt und die Datenschutzregeln eingehalten.
Auf diesem Weg will Adidas zum Beispiel feststellen, wie viele schwarze Beschäftigte auf den verschiedenen Ebenen arbeiten, wie lange sie im Unternehmen bleiben und wie sich ihre Laufbahn durch die Hierarchien entwickelt. „Wir dürfen nicht nur an der Oberfläche kratzen. Wir brauchen ein konstantes, nachhaltiges Engagement.“
In einer ersten Reaktion auf die Proteste hatte Adidas im vergangenen Jahr angekündigt, 30 Prozent aller neuen Stellen in den USA mit Schwarzen und Latinos zu besetzen. „Das haben wir in diesem Jahr eingehalten“, sagte Rajkumar.
Der Anteil soll so in den USA deutlich steigen. „Wir wollen bis 2025 bei 20 bis 23 Prozent sein“, sagte die Personalchefin. Im Management sei der Anteil von Latinos und Schwarzen Menschen noch einmal deutlich geringer. „Das ist die Realität.“ Unter den Führungskräften in den USA soll der Anteil bis 2025 auf zwölf Prozent steigen.
Schon bis Ende 2020 haben nach Angaben Rajkumars fast alle der 62.000 Beschäftigten von Adidas ein 30-stündiges Diversitäts- und Inklusionstraining durchlaufen, das helfen soll, weniger anfällig für Vorurteile zu sein.
Auch der Konkurrent Nike hatte Änderungen angekündigt. Der Weltmarktführer wird zwar vor allem in den USA als schwarze Marke wahrgenommen. Dafür sorgten Werbespots wie der mit dem Footballspieler Colin Kaepernick, der bei der Nationalhymne nicht aufstand – als Protest gegen polizeiliche Gewalt gegen Schwarze.
Aber im Management suchte man die schwarzen Gesichter vergeblich. Nike-CEO John Donahoe kündigte an, dass 30 Prozent aller Posten vom Direktor aufwärts von ethnischen Minderheiten besetzt werden.
Die Sportartikelbranche war neu für die studierte Psychologin Rajkumar. Sie hatte lange in der Finanzbranche gearbeitet. Die Britin hatte ihre Laufbahn bei der Personalberatung JM Management begonnen. Nach einigen Jahren bei JPMorgan Chase wechselte sie 2009 zu BNP Paribas. Zuletzt führte sie für die französische Bank die Personalabteilung für die Region Amerika.
Rajkumar sagte, ein signifikanter Anteil der Kunden in den USA seien schwarze Menschen, „People of Colour“ oder Menschen lateinamerikanischer Herkunft.
Nicht nur deswegen sei das Thema für Adidas essenziell. Man müsse den ganzen Talentpool nutzen, um wirklich die besten Köpfe zu gewinnen. Noch bekomme Adidas eine Million Bewerbungen pro Jahr. „Doch die Talentgewinnung wird immer schwieriger.“
Auch deshalb will sie ebenfalls die Chancen für Frauen im Unternehmen weiter verbessern. „Bis 2025 wollen wir einen Frauenanteil von mindestens 40 Prozent unter den Führungskräften“, kündigt Rajkumar an. Aktuell liege die Quote bei den mehr als 3000 Senior Managern bei 35 Prozent.
Experten sehen noch viel Nachholbedarf in Sachen Diversität in der Wirtschaft. „In den meisten Konzernen bildet Vielfalt weiterhin den Sonderfall – sowohl im Businessalltag als auch in den Führungskonzepten und den Prozessen“, sagte Michael Stuber, Gründer der Diversity-Strategieberatung „Ungleich besser“, dem Handelsblatt.
Großunternehmen hätten Diversity oft als „Must-have“ erkannt – jedoch nicht aus den richtigen Gründen. „Das Thema wird als politisch-gesellschaftlich und emotional getrieben wahrgenommen – und gemanagt, zum Beispiel durch Besetzungsentscheidungen oder öffentlichkeitswirksame Maßnahmen.“ Entscheidend sei eine konstruktive Weiterentwicklung der Kultur, der Prozesse und des Führungsverständnisses“.
Hier setzt Rajkumar an. Es gehe ihr nicht um Symbolpolitik, betont sie. „Wir brauchen ein konstantes Engagement.“ Daher wolle sie auch verstärkt Daten für die Analyse und die Messung der Fortschritte nutzen.
Bei Interviews für jede Neueinstellung achte sie zudem auf die Einstellung der Bewerber in Sachen Offenheit und Diversität. „Über allem stehen die Adidas-Werte Integrität, Respekt, Teamplay, Eigenverantwortung, Mut und Innovation.“
Bei diesem Thema sucht Rajkumar auch intensiv den Kontakt mit Ex-Sportlern. Sie spreche viel mit der neuen Aufsichtsrätin Jackie Joyner-Kersee. Die dreifache Olympiasiegerin im Siebenkampf und Weitsprung beschäftigt sich mit einer Stiftung und als Rednerin mit Chancengleichheit, Diversität und Inklusion. Als externer Berater wirkt zudem der frühere Weltklasse-Hürdenläufer Edwin Moses.
Die Geschäfte bei Adidas laufen derzeit gut. Die jüngsten Quartalsergebnisse stellt CEO Kasper Rorsted am 10. November vor. Die Prognose für das Gesamtjahr hob er in diesem Jahr bereits zweimal an. Zuletzt rechnete Adidas mit einem Umsatzwachstum von bis zu 20 Prozent und einer operative Marge von 9,5 bis zehn Prozent.
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