Der Baukonzern Max Bögl hat eine eigene Schwebebahn-Technologie für den Nahverkehr entwickelt. Verkehrsminister Scheuer hat eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben.
Magnetschwebebahn am Münchner Flughafen
Stefan Bögl und Johann Bögl, Firmengruppe Max Bögl, Andreas Scheuer (CSU), Bundesverkehrsminister, Jost Lammers, Vorstandsvorsitzender Flughafen München GmbH, und Rainer Schwarzmann, Geschäftsführer Transport Technologie-Consult Karlsruhe GmbH (v. l. n. r.).
Bild: dpa
München Das Thema Magnetschwebebahn in Deutschland schien eigentlich schon beerdigt. Die Transrapid-Teststrecke im Emsland wurde nach einem schweren Unfall stillgelegt.
Und auch aus der geplanten Verbindung zum Münchener Flughafen – sie ist vielen durch eine missglückte Rede des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber noch in Erinnerung – wurde am Ende nichts. Die Technik galt als zu teuer und zu schwer realisierbar.
Doch nun könnte die Magnetschwebebahn in Deutschland eine zweite Chance bekommen. Der Baukonzern Max Bögl aus der Oberpfalz hat in den vergangenen Jahren eine eigene Technologie entwickelt: deutlich langsamer, günstiger und für den Nahverkehr mit Distanzen von fünf bis etwa 30 Kilometern gedacht.
In den vergangenen Jahren absolvierte das autonome System bereits Tausende Kilometer auf einer 800 Meter langen Teststrecke in der Oberpfalz. „Wir haben ein serienreifes System“, sagte Aufsichtsratschef Johann Bögl.
Das hat auch das Interesse der Bundesregierung geweckt: „Ich möchte, dass alles, was möglich ist, bei uns in Deutschland getestet wird“, sagte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Montag in München. Er vergab den Auftrag für eine „Machbarkeitsstudie Magnetschwebebahn München“. Dabei solle „ein völlig neues Magnetschwebesystem ‚made in Germany‘“ geprüft werden.
„Wir wollen untersuchen, welches technische, wirtschaftliche und ökologische Potenzial die Technologie auch im Vergleich zu anderen Transportmitteln nicht nur am Münchener Flughafen hat“, sagte Scheuer. Im ersten Teil der Studie solle es um die Potenziale der Technologie gehen, im zweiten Teil um einen ersten konkreten Anwendungsfall am Münchener Flughafen.
Manch einer fühle sich wohl „zurückversetzt in eine Zeitmaschine“, scherzte Scheuer mit Blick auf die historischen Transrapid-Ambitionen. Allerdings ist diesmal nicht nur die Technologie eine andere. Es geht auch nicht um eine Anbindung des Flughafens an die Innenstadt. Im Gespräch ist eine Strecke von mehreren Kilometern innerhalb des Flughafengeländes, um zum Beispiel das neue Start-up-Gelände anzubinden.
„Aufgrund der dynamischen Entwicklung in den verschiedenen Bereichen des Münchener Airports werden die Verkehrsströme innerhalb des Flughafenareals in den kommenden Jahren weiter zunehmen“, sagte Flughafenchef Jost Lammers. Die Bögl-Technologie sei „ein interessanter Ansatz“. Die Studie könne „wichtige Erkenntnisse und Entscheidungshilfen“ liefern. Beschlossen ist noch nichts.
Bedarf für eine bessere Anbindung des Flughafens wäre durchaus vorhanden. Seit Stoibers Rede vor 18 Jahren hat sich die Situation kaum verbessert. Im vergangenen Jahr erzielte der Airport den zehnten Passagierrekord in Folge, die Zahl der Fluggäste stieg um vier Prozent auf knapp 48 Millionen.
Doch während anderswo die Flughäfen näher an der Innenstadt liegen oder mit der Fernbahn erreichbar sind, müssen die Münchener Passagiere vom Hauptbahnhof die gewöhnliche S-Bahn nehmen, die nach zahlreichen Haltestellen im günstigsten Fall in 40 Minuten am Flughafen ist. Daher wurde unter anderem immer wieder eine Express-S-Bahn geprüft, doch auch die ist in den Gemeinden, durch die die Strecke führt, schwer zu realisieren.
Mit dem Transrapid hat das Transportsystem Bögl (TSB) nur noch wenig zu tun. Anders als beim Transrapid, dessen Fahrzeug den Fahrweg umfasste, umschließt beim TSB der Fahrweg das Fahrwerk. So ist der Betrieb leiser, und Menschen können näher an die Strecke herantreten.
Magnetbahn von Max Bögl
Der deutsche Mittelständler kann die leise und emissionsfreie Bahn kostengünstig bauen.
Zudem sind die Anforderungen im langsameren Betrieb mit maximal 150 Stundenkilometern nicht so hoch wie beim Transrapid. Und schließlich können die tonnenschweren, zwölf Meter langen Fahrwegsegmente aus Betonfertigteilen in einer Art Baukastenprinzip industriell in Sengenthal in der Oberpfalz gefertigt werden. „Deutschland ist in der Lage, auch bei Verkehrstechnologien die weltweite Zukunft aktiv mitzugestalten“, sagte Aufsichtsratschef Johann Bögl.
Der Auftrag für die Studie ging an die Transport Technologie-Consult Karlsruhe. „Die technische Machbarkeit dieses Systems muss nicht unter Beweis gestellt werden“, sagte Geschäftsführer Rainer Schwarzmann. Ziel sei es, TSB in einen Vergleich mit herkömmlichen Systemen zu stellen, um die Vor- und Nachteile zu ermitteln. „Wir denken schon, dass es einen Platz dafür gibt.“ Laut Johann Bögl dürfte das System energieeffizienter sein als zum Beispiel herkömmliche S-Bahnen.
Der Bau einer aufgeständerten zweigleisigen Strecke nach dem Bögl-System kostet pro Kilometer etwa 30 bis 50 Millionen Euro. „Damit ist der Bau deutlich günstiger als eine U-Bahn und liegt auf Augenhöhe mit konventionellen Personentransport-Systemen“, sagte Vorstandschef Stefan Bögl. Bei einer U-Bahn seien schnell 300 Millionen Euro für einen Doppelkilometer fällig.
Die Firmengruppe war schon bei der Transrapid-Teststrecke im Emsland und bei der bislang einzigen kommerziellen Strecke in Schanghai als Lieferant beziehungsweise Lizenzgeber für den Fahrweg dabei. Als das Thema Transrapid in Deutschland erledigt war, machte der Konzern nach einer zweijährigen Bedenkpause ab 2008 allein weiter – allerdings mit ganz neuer Ausrichtung. Max Bögl entwickelt nun das Gesamtsystem aus einem Guss, also Fahrzeug, Fahrweg und Betriebsleittechnik.
Bögl ist das größte deutsche Bauunternehmen in Privatbesitz, der Umsatz lag zuletzt bei etwa 1,7 Milliarden Euro. Stefan Bögl führt das Unternehmen mit seinen Geschwistern in dritter Generation. In das Magnetschwebebahnprojekt hat die Firma einen zweistelligen Millionenbetrag investiert. In China hat der Konzern einen Kooperationspartner gefunden, in Chengdu ist eine 3,5 Kilometer lange Teststrecke gebaut.
Arnd Stephan, Professor für Elektrische Bahnen an der TU Dresden, hatte einst selbst am Transrapid-Projekt mitgewirkt. Neue Magnetbahnentwicklungen sind nach seiner Einschätzung grundsätzlich begrüßenswert. „Im Moment besteht durch die gravierenden Verkehrsprobleme in den weltweiten Megacitys die Chance, auch wieder mit neuen, unkonventionellen Bahnsystemen auf den Markt zu kommen“, sagte er.
Die Maßstäbe in Sachen Funktionalität und Wirtschaftlichkeit seien allerdings sehr hoch. Gerade im Nahverkehr setzen die klassischen Bahnsysteme seit Jahrzehnten die Standards für Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit. „Zudem gibt es weltweit eine große Anzahl an Herstellern für Infrastruktur und Fahrzeuge, die untereinander stark im Wettbewerb stehen.“ Einen richtigen Durchbruch habe die Nahverkehrsmagnetbahn noch nicht geschafft.
Von den einstigen Transrapid-Planungen profitiert der neue Anlauf. „Wir haben ein allgemeines Magnetschwebebahngesetz“, sagte Scheuer. Man habe zwar keine Magnetschwebebahn, aber immerhin einen gesetzlichen Rahmen.
Mehr: Vor 20 Jahren hat die damalige rot-grüne Bundesregierung das Aus für die deutsche Magnetschwebebahn beschlossen. Ein Rückschlag für den Klimaschutz. Ein Gastkommentar von Johannes Braun.
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