Das US-Unternehmen Stitch Fix will an die Börse. Es glaubt an sein Geschäftsmodell vom Online-Kleiderkauf mit Beratung. Die deutschen Konkurrenten Outfittery und Modomoto beobachten das genau.
San Francisco, Düsseldorf Geht es um den Geschmack der Kunden, werden digitale Stilberater geradezu geschwätzig. Welches Outfit trifft den Geschmack eher?, fragt die Online-Webseite. Die verwaschene Jeans mit Lederlatschen oder Tiger-Pumps mit kleinem Schwarzen? Wie oft und zu welchem Anlass besitzt der Mode-Interessent Gelegenheit, Garderobe auszuführen? Kleidet sich der Kunde oder die Kundin klassisch oder extravagant?
Ganze 15 Minuten dauert die Prozedur. Dann gibt sich der Mode-Shop Stitch Fix aus San Francisco endlich mit den Antworten zufrieden. Die eingetippten Informationen wandern in die Datenbank des Start-ups. Innerhalb weniger Tage stellt die Firma ein Paket mit fünf Kleidungsstücken zu, die ein Algorithmus und ein menschlicher Stilberater persönlich für den Kunden ausgewählt haben. Nutzer können ein Teil oder aber alle kaufen oder kostenlos wieder zurücksenden.
Das Start-up Stitch Fix, das 2011 als Shopping-Assistent und Klamotten-Aboservice für viel beschäftigte digitale Hipster aus dem Silicon Valley begann, könnte seine Reichweite schon bald beträchtlich vergrößern. Chefin Katrina Lake will die Firma an die Börse bringen. „Wir sind von unserem Wachstum wirklich begeistert“, erklärte sie dem einflussreichen Tech-Blog Recode – ohne allerdings Zahlen zu nennen. Immerhin: Für das Jahr 2016 meldete Stitch Fix einen Umsatz in Höhe von 730 Millionen Dollar. Aktuell setzt die Firma pro Kunde 72,16 Dollar um.
Lake will vom wachsenden Markt für das sogenannte „curated shopping“ profitieren, also das Einkaufen mit Stilberatung. Während bislang bei digitalen Modehäusern wie Amazon oder Zalando vor allem die Riesenauswahl an Kleidung und die schnelle Lieferung im Vordergrund standen, geht es nun in die zweite Stufe der Online-Offensive: das Verkaufen mit Beratung. In Deutschland wird die Strategie von Stitch Fix aufmerksam verfolgt. „Ich ziehe den Hut davor, wie schnell es Stich Fix gelungen ist, im Markt für Frauenmode zu wachsen“, lobt Julia Bösch, Geschäftsführerin und Mitgründerin des Berliner Konkurrenten Outfittery, die Leistung der US-Kollegin.
Bei Outfittery ist ebenso wie bei Modomoto, der zweitgrößten deutschen Plattform für Curated Shopping, ein Börsengang derzeit kein Thema. Bislang konnten beide Unternehmen ihr Kapital anderweitig in verschiedenen Finanzierungsrunden einsammeln.
Stitch Fix, das bei der letzten Finanzierungsrunde mit 309 Millionen US-Dollar bewertet wurde, konzentriert sich derzeit auf die USA und Kanada. Aber der Onlineeinkauf mit Stilberatung wird auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern immer mehr nachgefragt. „Das Geschäft ist in Europa ein Markt mit einem Milliardenpotenzial“, gibt Andreas Fischer, Geschäftsführer von Modomoto eine Prognose.
Julia Bösch
Die Mitgründerin von Outfittery setzt auf wachsenden Markt.
Bild: Pressefoto
Zurzeit aber sind selbst die beiden größten Männermode-Berater in Deutschland noch klein. Julia Bösch von Outfittery nennt zwar keine Zahlen. Doch im Geschäftsjahr 2015 erreichte das Unternehmen laut Bundesanzeiger einen Umsatz von knapp 36 Millionen Euro. Und der Modomoto-Geschäftsführer spricht von einem „mittleren zweistelligen Millionenumsatz im vergangenen Jahr“, also 2016.
Doch das Geschäft wächst. „Wir erwarten auch im laufenden Jahr wieder ein zweistelliges Umsatzwachstum“, sagt Fischer von Modomoto. Und er kündigt an, dass das 2011 gegründete Unternehmen „dieses Jahr zum ersten Mal einen Gewinn aus laufendem Geschäft erzielen“ werde. Outfittery-Geschäftsführerin Bösch will sich dazu nicht äußern. Sie sagt nur, dass sich auch das operative Ergebnis verbessert habe. Vor zwei Jahren war es laut Bundesanzeiger mit 17 Millionen Euro noch tiefrot.
Dass sich die beiden deutschen Unternehmen auf Männermode konzentrieren, liegt darin, dass Männer nicht so gerne wie Frauen zum Mode-Shoppen gehen. Sie haben es lieber bequem und freuen sich über Vorschläge, wie sie sich am besten kleiden können.
Um die Kosten für Retouren niedrig zu halten, müssen die Onlineanbieter möglichst schnell herausfinden, was den Männern gefällt. Dabei gehen Modomoto und Outfittery unterschiedlich vor. Modomoto lässt sich wie Stitch Fix von den Kunden einen ausführlichen Fragebogen beantworten, um mehr über deren Vorlieben zu erfahren, und schiebt dann eventuell noch ein Gespräch mit dem Berater nach. Outfittery hingegen „setzt nicht so viel auf ausführliche Fragebögen, sondern auf ein persönliches Gespräch mit dem Stylisten“, wie Bösch betont.
Die Kunst ist es, diesen Annäherungsprozess zu beschleunigen. „Die Stylisten erhalten bei Neukunden viele Vorschläge aus unserem riesigen Datenpool“, sagt Bösch. So ist Outfittery „mittlerweile schneller, den Wunsch des Kunden genauer zu treffen als vor ein paar Jahren“.
Das gelingt, weil sie nicht nur auf ihre 150 Stylisten setzt, sondern immer mehr auf „ein wachsendes Tech-Team mit Datenanalysten und passenden Software-Tools“. So will sich Outfittery auch gegenüber Angriffen von viel, viel größeren Konkurrenten wie Zalando behaupten, die seit Jahren die Daten ihrer Zehntausenden Kunden auswerten. Außerdem hat das Berliner Modehaus bereits vor zwei Jahren eine eigene Stilberatung unter dem Namen „Zalon“ gestartet.
Für Beate Hölters ist es „ein Armutszeugnis für den stationären Handel, dass der Markt für das Curated Shopping im Internet wächst“, sagt die Partnerin der Unternehmensberatung Tailorit aus Düsseldorf. „Aber die Onlineportale sind einfach besser darin, bei den Kunden nachzufassen und den Kauf immer wieder anzuregen.“
Darauf hofft auch das US-Unternehmen Stitch Fix, das heute mehr als 5.500 Mitarbeiter beschäftigt, darunter mehr als 4300 Stylisten sowie mehr als 70 Datenanalysten. Der noch nicht terminierte Börsengang wird ein Test dafür sein, wie gut sich Mode-Start-ups im Markt etablieren können, besonders gegen Amazon. Der Onlineriese hat erst Ende Juni einen ziemlich ähnlichen Dienst angekündigt. Hier können Kunden sogar bis zu 15 Teile bestellen und bei Nichtgefallen kostenlos zurücksenden.
Nicht nur Stitch-Fix-Chefin Lake nimmt den großen Konkurrenten sehr ernst. Auch Rakesh Tondon, Gründer des amerikanischen Curated-Shopping-Portals Le Tote, geht davon aus, dass Amazon die Expansion in die Modewelt vorantreibt. „Amazon war stets aggressiv im Fashion-Bereich“, sagte Tondon. „Wir erwarten, dass das Unternehmen diese Strategie weiterverfolgt.“ Denn er glaubt, dass der Modeverkauf in den nächsten Jahren noch stärker personalisiert sein wird.
Darauf hofft auch Stitch Fix und legt jetzt noch einmal nach. Gerade erst haben die Amerikaner 100 neue Premiummarken in ihr Sortiment aufgenommen. CEO Lake schwärmt von einem „Mix bemerkenswerter Marken, um das perfekte Outfit für jeden Kunden zu finden“. Ob das auch der Kapitalmarkt so positiv sieht, wird sich in einigen Wochen zeigen, wenn Stitch Fix an die Börse gehen sollte.
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