PremiumDie Konsumstimmung in Deutschland ist schlecht, der Handel leidet. Und anders als in der Coronakrise profitieren nicht die Onlineanbieter. Das stellt den About-You-Chef vor eine schwierige Aufgabe.
Berlin Tarek Müller will die Ärmel hochkrempeln. Der Chef und Mitgründer von About You will seinen Online-Modehändler in der aktuellen Wirtschaftskrise für die Zeit danach stärken. Die Krise ist auch bei About You angekommen, die Verluste haben sich im zweiten Geschäftsquartal ausgeweitet, das Wachstum sich abgeschwächt.
Doch Müller sieht sein Unternehmen auf dem richtigen Weg: „Wir sind, meiner Meinung nach, eines der ganz wenigen Onlinemode-Unternehmen, das überhaupt gewachsen ist.“ Er will das schwierige Marktumfeld nun weiter nutzen, um die Position als Zalando-Konkurrent zu stärken.
„In spätestens drei bis vier Jahren wird die Krise vorbei sein. Wir sind dann in einer Situation, in der wir aufgrund der derzeitigen Maßnahmen profitabler sind und weniger Wettbewerb haben werden. Wir werden ein Gewinner sein“, versichert Müller. Dafür habe man genügend Puffer und Spielraum.
Das ändert nichts daran, dass der 33-Jährige die anhaltenden Verluste beenden und sein Unternehmen auf Profitabilität trimmen muss. Spätestens in dem im Februar 2024 endenden Geschäftsjahr soll die Otto-Tochter operativ schwarze Zahlen schreiben. Müller muss durchgreifen, von Juni bis August hat sich der Betriebsverlust (Ebitda) von einem Minus in Höhe von 13,1 Millionen im Vorjahr auf fast 43 Millionen Euro ausgeweitet.
„Wir nehmen die Situation ernst und reduzieren die Kosten“, sagt der Hamburger Unternehmer. Und: „Wir sind strikter bei unseren Marketingausgaben und optimieren unsere Logistik und halten, bei steigenden Umsätzen, unsere Fixkosten recht stabil.“ Zudem werde außerhalb des Tech-Sektors kaum noch eingestellt.
Müller hat About You 2014 als 25-Jähriger mitgegründet. Trotz seines jungen Alters war es nicht sein erstes E-Commerce-Unternehmen. Heute noch sieht er mit seinen Dreadlocks und seiner Vorliebe für legere Jeanshemden noch jugendlicher als viele andere Chefs aus. Im vergangenen Jahr führte er About You mitten in der Coronakrise an die Börse, wo das Unternehmen fast sofort in den Abwärtssog der Technologiewerte geriet.
„Am Kapitalmarkt wurde der gesamte Sektor abgestraft“, sagt Müller. Am Dienstag fiel das Papier erneut rund drei Prozent auf nun weniger als sechs Euro. Der Ausgabepreis hatte bei 23 Euro gelegen.
Aufgrund der Inflation schnallen Modekunden den Gürtel enger. About You steigerte seinen Umsatz von Juni bis August zwar noch um knapp neun Prozent auf fast 431 Millionen Euro. Im Vorjahreszeitraum war das Hamburger Unternehmen aber um 53 Prozent gewachsen.
Wegen der Kaufzurückhaltung kassierte die Firma bereits Mitte September ihre Jahresziele. Der Umsatz soll demnach um maximal ein Fünftel auf knapp 2,1 Milliarden Euro zulegen. Der Betriebsverlust soll höchstens 140 Millionen Euro betragen.
Die Aussichten sind allerdings schlecht: Laut dem Konsumbarometer des Handelsverbandes Deutschland (HDE) hat die Verbraucherstimmung in Deutschland im Oktober ein Allzeittief erreicht. Der HDE geht davon aus, dass der Abwärtstrend in den Herbstmonaten an Fahrt gewinnt und Verbraucher ihren Konsum weiter einschränken.
>> Lesen Sie dazu auch: Verbraucherstimmung aktuell: HDE-Konsumbarometer fällt auf Rekordtief
Demnach dürften die Menschen im kommenden Jahr privat weniger als vor der Pandemie einkaufen. About You hat die Coronakrise wie der größere Wettbewerber Zalando genutzt, um neue Märkte zu erobern und Neukunden zu gewinnen. Inzwischen ist das Unternehmen, das vor allem junge Menschen mit den neuesten Trends anspricht, in 26 Ländern präsent und kommt auf mehr als zwölf Millionen aktive Kunden.
Allerdings haben viele Europäer nach der Coronakrise die Nase von den Webshops voll und lassen sich lieber in den Läden inspirieren – wenn sie denn überhaupt einkaufen. „Die Priorität der Menschen ist aktuell nicht der Modeeinkauf. Es geht weniger darum, sich etwas zu gönnen. Die Menschen kaufen im Moment die Dinge, die sie wirklich benötigen“, erläutert der Unternehmer.
Trotzdem könnte sich der Modeeinkauf Müller zufolge im Moment lohnen. „Die Modeindustrie ist aktuell wahrscheinlich eine der wenigen Industrien, in der die Preise noch nicht entsprechend der Inflation gestiegen sind. Im Gegenteil: Aktuell bekommt man Mode so günstig wie noch nie“, sagt Müller.
Ob er im Wettbewerb mit dem größten Konkurrenten Zalando weiter aufgeholt hat, wird sich bereits am 3. November zeigen. Dann legen die Berliner ihre jüngsten Quartalszahlen vor. Zuletzt waren die Erlöse um vier Prozent auf rund 2,6 Milliarden Euro gesunken.
Erstpublikation am 11.10.22, um 8:18 Uhr.
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