Rind, Lamm und jetzt auch Schwein: Redefine Meat aus Israel verspricht Fleischkonsum auf pflanzlicher Basis. Aber die Rabbis erklären nicht alle Produkte für koscher.
Fleischersatz aus dem Drucker
Das Start-up Redefine Meat hat bereits Kapital in Höhe von 170 Millionen Dollar eingesammelt.
Bild: Reuters
Tel Aviv Als Eshchar Ben-Shitrit sich vor vier Jahren an die Umsetzung seiner Vision „gutes Fleisch ohne Tiere“ machte, wusste er noch nicht, wie sie technisch realisiert werden könnte. Auf dem Gebiet Food-Tech verfügte er über keine Vorkenntnisse. In Jerusalem hatte er nach dem Militärdienst Rechtswissenschaften studiert, dann am Obersten Gerichtshof und später in einem Start-up gearbeitet, bevor er zu HP in die Abteilung Industry Solutions wechselte.
Aber die Vorstellung, Fleisch auf rein pflanzlicher Basis herzustellen, hatte ihm all die Jahre keine Ruhe gelassen, sagt der 37-jährige israelische Jungunternehmer. Zumal er keine tierischen Ersatzprodukte fand, die seinen kulinarischen Ansprüchen entsprachen.
Seine Lösung für das Problem ist auf den ersten Blick überraschend: Anders als die Konkurrenten druckt er die Fleischersatzprodukte mit einem 3D-Drucker. Doch für den Gründer war die Idee gar nicht so abwegig. Kühe seien doch auch nur „biologische 3D-Drucker“, meint er.
Die Strategieberatung Strategy& von PWC sieht dafür einen riesigen Markt. Der globale Markt für Fleischersatz auf Pflanzenbasis könnte bis 2030 auf etwa 26 Milliarden Euro wachsen, prognostiziert sie in der gerade veröffentlichten Studie „The Sustainable Food Revolution“.
Um die Lebensmittelproduktion nachhaltiger zu machen, seien „vor allem innovative Produktionstechnologien wie der 3D-Druck entscheidend, die Firmen im Lebensmittelbereich jetzt vorantreiben sollten, da sie die Versorgung der Bevölkerung, aber auch Marktpotenziale der Zukunft sichern können“, erklärt Catarina Bjelkengren von Strategy&.
Inzwischen beschäftigt das Start-up von Ben-Shitrit, das Fleisch neu erfinden will, 250 Arbeitnehmer. Neben Entwicklungslabors und Produktionsstätten in einem Vorort von Tel Aviv stehen Verkaufs- und PR-Teams in Deutschland, Großbritannien und Holland auf der Lohnliste. Den Absatz seiner Produkte konzentriert er derzeit auf rund 750 Restaurants in Israel und in Europa. In Israel läuft derzeit zudem ein Pilotversuch in Metzgereien und in einer Supermarktkette.
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Anfänglich sei die Geldbeschaffung schwierig gewesen. „Niemand glaubte an uns, die Idee klang verrückt,“ erinnert sich Ben-Shitrit. Die Foodtech-Industrie steckte damals, vor vier Jahren, noch in den Kinderschuhen und war weitgehend unbekannt. Heute hat Israel nach den USA weltweit eine Spitzenposition, sowohl bei der Zahl für kultiviertes Fleisch als auch bei der Anzahl der Investoren im Bereich der alternativen Proteine.
Das Land beherbergt heute mehr als 400 Foodtech-Unternehmen, von denen über 100 im Bereich der alternativen Proteine tätig sind. „Mehr als 40 Prozent dieser Unternehmen gelten als Start-ups, aber ihre bahnbrechende Technologie hat das Potenzial, die Zukunft unserer Ernährung mitzugestalten“, sagen Branchenkenner.
Inzwischen hat der ehemalige Kibbuznik in mehreren Runden ein Kapital von 170 Millionen Dollar gesammelt. Es gebe eben immer Leute, die sich für eine visionäre Idee begeistern und mit Enthusiasmus mitmachen, sagt Ben-Shitrit.
Aufgewachsen ist Ben-Shitrit in einem Kibbuz, wo er von Tieren umgeben war. In der landwirtschaftlichen Genossenschaftssiedlung melkte seine Mutter frühmorgens die Kühe, und als Teenager half er in einem Tel Aviver Restaurant von Verwandten aus. „Kochen war früh schon eine meiner Leidenschaften“, sagt er. Quasi über Nacht beschloss er dann aber, künftig auf Fleisch zu verzichten. In der Folge vermisste er aber den Geschmack und die Konsistenz von Steaks.
So entschied er sich, selber nach einem auf pflanzlicher Basis hergestellten Substitut zu suchen. Er kündigte seinen Job bei HP und gab seinem Start-up einen sprechenden Namen: Redefine Meat. Ein Sicherheitsnetz für den Fall des Scheitern habe er nicht gehabt, was ihn zum Erfolg verdammt habe. Anfänglich experimentierte er im Haus seiner Eltern: Sein Vater, ein Künstler, hatte kurz zuvor auf digitale Kunst umgestellt, das Studio im Untergeschoss war frei geworden, weil es in den Computer wanderte.
Ben-Shitrit war vom Druckergeschäft inspiriert, das er bei HP kennengelernt hatte. Sein Ziel war es, die Fleischstruktur nachzubilden, Faser für Faser, wo alles enthalten ist, was ein Steak ausmacht, zum Beispiel Fett und Blut. Im Gegensatz zu Konkurrenten, die größtenteils Hackfleischprodukte herstellen, denen oft die faserige Textur von Tierfleisch fehlt, hole er aus dem Drucker ganze Lamm- und Rindfleischstückchen, die dem Tierprodukt sehr ähnlich seien, sagt er.
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Aber seine Innovation beschränke sich nicht aufs Drucken, stellt Ben-Shitrit klar. Zentrales Element sei die „Tinte“: Sie bestehe aus pflanzlichen Bestandteilen, die die Nahrung der Kuh widerspiegeln, und enthalte zum Beispiel Proteine aus Hülsenfrüchten und Getreide, um beim alternativen Fleisch die Muskeleigenschaften zu simulieren. Zudem bestehe die „Tinte“ aus pflanzlichen Fetten, um das Rinderfett zu imitieren, sowie aus natürlichen Aromen und Farben, um den Blutfaktor im Fleisch und seine Saftigkeit geschmacklich möglichst naturgetreu nachzuahmen.
Insgesamt habe er für Redefine Meat zehn Patente angemeldet, davon seien drei direkt mit dem 3D-Druck verbunden. Das Unternehmen beabsichtigt später, die Drucker und die Patronen weltweit an Fleischhändler zu verkaufen, die das Fleisch sowohl drucken als auch vertreiben können.
Während die Fleischpreise im Trend nach oben zeigen, würde alternatives Fleisch billiger werden, „weil wir in die Technologie investieren“, sagt der Unternehmer. Und es sei „natürlich“ auch gesünder als das „richtige“ Fleisch, weil es Krebsrisiken und den Cholesterinkonsum reduziere.
Speziell für den deutschen Markt hat Redefine Meat jetzt eine Schweinebratwurst entwickelt, die auf dem Oktoberfest erstmals verkauft wurde. Sie habe „denselben Saftigkeitsgrad und dasselbe Kaugefühl“ wie herkömmliche Schweinefleischprodukte, sagt Ben-Shitrit.
Eshchar Ben-Shitrit
Der Gründer von Redefine Meat entwickelt pflanzlichen Fleischersatz aus dem 3D-Drucker.
Bild: ddp images/Ferrari Press
Die Ernährungsexpertin Katarina Schickling bestätigt das: Sie würde bei einer Blindverkostung nicht merken, dass sie gerade etwas aus Erbse und Reis esse – und nicht aus Schweinefleisch, sagt die Autorin des Buchs „Mein Lebensmittelkompass“. Ab November soll die pflanzliche Wurst nicht nur in Deutschland, sondern ebenfalls in Großbritannien und in den Niederlanden erhältlich sein.
Ben-Shitrit hat sogar Rabbiner konsultiert, um zu erfahren, ob das vegane Schweinefleisch im jüdischen Staat mit seinen strengen Koscher-Regeln toleriert wird. Die Rind- und Lammfleischimitate wurden von ihnen bereits als „parve“ anerkannt, also als „neutral“, was bedeutet, dass nach deren Konsum Milchprodukte genossen werden können, ohne gegen die Religionsregeln zu verstoßen. Diese schreiben vor, dass milchige und fleischhaltige Produkte nicht vermischt werden sollen.
Aber bei der Schweinebratwurst zeigten sich Rabbiner nicht kooperativ. Obwohl sie aus rein pflanzlichen Produkten hergestellt ist, weigern sie sich, ihr einen Koscherstempel aufzudrücken. Sie befürchteten, damit eine „symbolische Schranke“ zu durchbrechen.
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