Sebastian Ebel will das Geschäft mit Paketreisen ausbauen, die der Kunde selbst zusammenstellt. Der neue Tui-CEO greift damit erfolgreiche Reiseplattformen an.
Kreuzfahrtschiff von Tui
Der Reisekonzern betreibt eine eigene Schiffsflotte und hat eigene Hotels im Angebot. Darüber will sich das Unternehmen von Plattformen wie Booking abheben.
Bild: IMAGO/Andreas Haas
Frankfurt Der neue Chef des Reisekonzerns Tui setzt zum Angriff auf Reiseplattformen wie Booking, Getyourguide oder Expedia an. Der Plan von Sebastian Ebel: Er will das Geschäft mit der sogenannten dynamischen Paketierung kräftig ausbauen. Statt eine vorgefertigte Reise zu kaufen, soll der Kunde künftig selbst bestimmen, was in seinem Paket ist: zusätzlich zu Hotel und Flug beispielsweise auch der Ausflug ins Hinterland.
Es ist ein Geschäftsmodell, das Online-Reiseplattformen entwickelt haben und damit sehr erfolgreich sind. Doch das schreckt Ebel, der den Reisekonzern seit Anfang Oktober führt, nicht ab. „Es wäre vermessen zu sagen, wir wollen die führenden Plattformen schlagen. Aber wir wollen eine ebenso gute Alternative sein“, sagte Ebel dem Handelsblatt.
Das Vehikel dafür sollen die eigenen Produkte wie Riu, Robinson oder Mein Schiff sein. Reine Plattformen hätten keine eigenen Produkte, erklärt Ebel. Tui will das nutzen, um den Kunden Extradienstleistungen anzubieten, die es nur im Tui-Reich gibt.
Dazu zählt zum Beispiel ein späterer Check-out im Hotel, um den Abreisetag optimal zu nutzen. „Wir arbeiten an speziellen Angeboten, etwa indem wir Gästen Zugang zu besonderen Plätzen am Urlaubsort ermöglichen und kurzfristig ein vergünstigtes Ticket über die App bieten, wenn es regnet“, nannte der Tui-Chef Ebel ein weiteres Beispiel. Und lockt die Kunden mit einem zusätzlichen Vorteil: „Bei der Kundenabsicherung sind dynamische Paketreisen von Tui der Pauschalreise gleichgestellt.“
Tui musste in der Pandemie durch den Staat mit 4,3 Milliarden Euro gestützt werden. Zwar hat das Unternehmen erste Staatsschulden zurückgezahlt. Viele Analysten blicken aber weiter skeptisch auf das Unternehmen. Der neue CEO will sie davon überzeugen, dass das Image des trägen Pauschalreiseriesen nicht mehr passt.
Tui ist damit groß geworden, zum Beispiel 100 Hotelzimmer zu verkaufen und das vorab mit 100 Plätzen in den Tui-Flugzeugen zu verbinden. Diese klassische Pauschalreise bleibe attraktiv und ein Kerngeschäft, betont Ebel, fügt aber hinzu: „Solche Pakete wollen wir künftig viel stärker tagesaktuell produzieren.“
Erst wählt der Kunde Ziel, Flug, Hotel und andere Leistungen, dann macht Tui daraus ein Paket. „Da kommen die Vorteile einer Pauschalreise und die Individualität des Kunden zusammen. Damit werden wir für zusätzliche Kundengruppen attraktiv“, sagte Ebel.
Sebastian Ebel
Der neue CEO des Reisekonzerns setzt darauf, dass die Kunden ihre Paketreise künftig häufiger selbst zusammenstellen.
Bild: TUI
Auch würden neue Produkte wie etwa die City-Tour nach London oder der Wochenendtrip nach Mallorca entstehen, was wiederum für Tui die Chance eröffne, den eigenen Marktanteil zu erhöhen, so Ebel: „Der Anteil solcher dynamisch zusammengestellten Reisen ist in Deutschland schon signifikant. Das Schöne: Die Hälfte davon sind neue Kunden für die Tui.“ Demnächst soll das Angebot auch in Großbritannien oder Skandinavien eingeführt werden.
Der Manager zieht bei seinen Plänen gerne das Beispiel Amazon heran. „Amazon Prime sind bei Tui unsere Premium-Hotels oder die eigenen Kreuzfahrtmarken. Darunter gibt es eine Vermarktungsplattform für verschiedene, aber exklusive Produkte, die zum Teil auch von anderen Anbietern kommen wie zum Beispiel anderen Fluggesellschaften.“
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Ein ehrgeiziges Vorhaben. Um es möglichst schnell umzusetzen, will Ebel nicht überall gleichzeitig Baustellen im Konzern aufreißen. Die Strategie lautet Fokussierung. „Wir brauchen keine 100, sondern müssen 20 Projekte gut und erfolgreich umsetzen“, sagte Ebel: „Dafür haben wir vom Markt einen Vertrauensvorschuss von zwölf Monaten. Den werden wir nutzen.“
Es tue der Tui gut, einfach mal zu machen, nicht nur eine Strategie zu haben, sondern sie zügig umzusetzen, sagte Ebel. In Sätzen wie diesen zeigt sich: Der neue Konzernchef denkt wie ein mittelständischer Unternehmer. Das kommt nicht von ungefähr. Ebel hatte 2007 mit der Eves Information Technology ein eigenes Unternehmen gegründet. Das hat ihn geprägt. Seit einigen Wochen reist der CEO durch die Tui-Welt, versammelt die Führungskräfte, kürzlich zum Beispiel im Tui Magic Life Club auf Fuerteventura.
Ebel braucht die Unterstützung der Führungsebenen, sie müssen sich auf das Vorgehen des neuen Chefs einlassen. Denn die einzelnen Bereiche sollen das nötige Rüstzeug und die entsprechenden Freiheiten bekommen, dafür aber für den Erfolg verantwortlich sein. Das erzeugt einen gewissen Druck. „Wenn es dann Bereiche gibt, in denen Probleme auftauchen, sollten die Kollegen die Hand heben, anpassen und dann weiter nach vorne laufen. Planen ist gut, gemeinsam machen ist besser. Darauf haben wir uns als Managementteam verständigt“, so Ebel.
Die Zeit drängt, Erfolge zu zeigen. „Wir haben in der Vergangenheit nicht immer geliefert, was wir versprochen haben“, räumt der Tui-Chef ein. 2019 und Anfang 2020 sei das Unternehmen eigentlich auf einem sehr guten Weg gewesen. Damals wollte Tui zeigen, dass Versprechen eingehalten und sich die Investitionen der letzten Jahre positiv in der Bilanz zeigen würden. „Doch dann kam Corona. In der Krise haben wir viel Vertrauen geschenkt bekommen, nun ist es an uns, zu zeigen, dass das gerechtfertigt war“, sagte Ebel.
Nicht zuletzt für die Bilanz von Tui wäre es wichtig, wenn die Strategie zieht. Zwar nutzte Tui zuletzt nur noch 480 Millionen Euro an Staatshilfe. Dazu gibt es eine Kreditlinie der KfW über rund zwei Milliarden Euro, die im Sommer nicht gebraucht wurde – in den Augen von Ebel „eine gute Versicherung für den Winter“. Auch konnte das Unternehmen die Schulden in den ersten neun Monaten des versetzten Geschäftsjahres (per Ende September) deutlich reduzieren. Das honorieren einige Analysten. Die Bilanz werde besser, das Unternehmen werde einen möglichen Abschwung wohl verkraften können, schrieb Richard Clarke von Bernstein Research kürzlich.
Dennoch belasteten Ende Juni noch Nettoschulden von 3,3 Milliarden Euro das Zahlenwerk. „Wir bauen Schulden ab, das werden wir auch am 14. Dezember zeigen, wenn wir unsere Jahreszahlen vorlegen“, verspricht Ebel. Auch das Thema Eigenkapital habe er im Blick. Der Abschluss der AG weist ein positives Eigenkapital aus, auf Konzernebene war der Wert Ende Juni aber mit minus 190 Millionen Euro negativ.
Sorge um die Solidität des Konzerns müsse sich keiner machen, versichert Ebel: „Die Bilanz der Tui AG ist gut mit einer soliden Eigenkapitalquote, auch auf der Gruppenseite sind wir auf einem guten Weg.“ Der Vergleich mit Thomas Cook – der Rivale ging 2019 pleite – träfe deshalb nicht zu. „Wir sind ein komplett anderes Unternehmen mit eigenen Hotels und in der Ferien-Hotelerie großen Hotelmarken und einem signifikanten Kreuzfahrtgeschäft. Und gegen unsere Schulden stehen echte Werte, etwa unsere Premiumhotels und Hotelmarken.“
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