Nachdem die Deutschen in der Pandemie mehr Premium-Marken getrunken haben, fürchten die Hersteller nun Kaufzurückhaltung. Auch 2023 dürften die Preise kräftig steigen.
Schaumwein
Jeder Deutsche trank im vergangenen Jahr im Schnitt 3,2 Liter Sekt, vor zehn Jahren war es noch ein Liter mehr.
Bild: Alexander Naglestad on Unsplash
Düsseldorf Sekt kann auch Konjunkturbarometer sein – gerade um den Jahreswechsel. „Eine schlechte Stimmung schlägt sich normalerweise auch im Schaumweinkonsum nieder“, sagte Andreas Brokemper, Chef des weltgrößten Schaumweinherstellers Henkell Freixenet, dem Handelsblatt.
Wie preissensibel die Deutschen angesichts der Inflation bei Sekt und Champagner reagieren, sei schwer abzuschätzen. Brokemper rechnet damit, dass hochpreisige Marken etwas verlieren werden. In der Coronazeit hatten viele Menschen zu Premium-Produkten gegriffen: „In der Pandemie hat man seinen Gästen im kleinen Kreis besseren Schaumwein serviert als auf größeren Partys, die ja nun wieder möglich sind“, sagt Brokemper.
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Was sich hingegen gut abschätzen lässt: Sekt und Champagner dürften im neuen Jahr erneut teurer werden. Christof Queisser, Chef von Rotkäppchen-Mumm, rechnet mit „etwa 50 Cent bis einem Euro mehr pro Flasche“. Jede zweite Flasche Sekt, die hierzulande getrunken wird, stammt vom deutschen Marktführer.
Auch Henkell-Freixenet-Chef Brokemper sagt: „2023 lassen sich weitere Preiserhöhungen nicht vermeiden. Schon vor über einem Jahr sind die Kosten mit unglaublicher Wucht gestiegen.“ Frühjahrsfröste in Frankreich führten zu einer historisch geringen Weißweinernte. Das konnten andere Weinländer nicht ausgleichen.
Seit dem Ukrainekrieg sind die Energiepreise extrem gestiegen. „Dadurch hat sich alles in und um die Sektflasche verteuert“, sagt Oliver Gloden, Vorstand von Deutschlands drittgrößter Sektkellerei Schloss Wachenheim. Brokemper berichtet, dass in der Ukraine zwei Glaswerke zerstört wurden, die sonst mehr als eine Milliarde Flaschen nach ganz Europa lieferten. Glasflaschen sind seither knapp und deutlich teurer.
Christof Queisser
Der Chef der Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien, Marktführer in Deutschland, rechnet 2023 mit steigenden Preisen für Schaumwein.
Bild: Rotkäppchen-Mumm
Auch Preise für Verpackung und Etiketten sind in diesem Jahr gestiegen. „Die hohen Mehrkosten können wir nicht schlucken, dafür sind unsere Margen einfach zu gering“, sagt Gloden, der viel Sekt im Preiseinstiegssegment verkauft.
Zwar ist die Weinlese in Deutschland in diesem Jahr besser ausgefallen als 2021. Das Deutsche Weininstitut schätzt die Weinmostmenge auf rund neun Millionen Hektoliter, ein Plus von sechs Prozent zum Vorjahr. Hier konnten Niederschläge im September die Sommerhitze gutmachen.
Doch abseits des heimisches Winzersekts kommt der Grundwein für die Massenhersteller oftmals aus Südeuropa. In Spanien führte anhaltende Dürre zu einer unterdurchschnittlichen Ernte. „Viele Weinberge dort haben keine Bewässerung. Die Preise für Cava-Trauben sind deshalb deutlich gestiegen“, erklärt Brokemper.
Auch Prosecco sei noch mal teurer geworden, weil die Nachfrage sehr hoch bleibt. „Und Champagner wird jedes Jahr teurer, das ist fast schon ein Gesetz“, sagt der Henkell-Chef. Tatsächlich droht auch beim französischen Luxusprodukt eine Versorgungslücke.
Brokemper erwartet, dass sich Verbraucher im neuen Jahr eher zu günstigerem Schaumwein wenden werden. Das zeigten die Erfahrungen der Vergangenheit, wenn die Realeinkommen zurückgingen. Allerdings sei der Trend derzeit noch nicht feststellbar.
Andere Sorgen macht sich Schloss Wachenheim, das 40 Prozent seiner Flaschen als günstige Eigenmarken des Handels verkauft. Unternehmenschef Gloden befürchtet perspektivisch Absatzrückgänge um bis zu 20 Prozent. Wenn psychologische Preisschwellen überschritten würden, kauften preissensible Verbraucher gar keinen Sekt.
Rotkäppchen-Chef Queisser gibt sich zuversichtlicher: „Wir sind mit starken Marken gut durch die Pandemie gekommen – die werden uns auch durch die Inflation tragen.“ Die Sektmarke aus Sachsen-Anhalt sei die mit der höchsten Loyalität. Einer von der Kellerei beauftragen Studie zufolge wollen die meisten Deutschen trotz Inflation ihren Lieblingsmarken treu bleiben.
„Trotz herausfordernder Zeiten lassen sich die Deutschen das Glas Sekt zu Weihnachten und Silvester nicht nehmen“, sagt Queisser. Und Genuss bleibe den Menschen auch sonst im Jahr wichtig. So läuten 46 Prozent der Befragten regelmäßig das Wochenende mit einem Glas Sekt ein.
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Rotkäppchen erwirtschaftet etwa 20 Prozent seines Umsatzes zu Silvester. Im Gesamtjahr 2021 betrugen die Erlöse wie schon im Vorjahr rund 1,2 Milliarden Euro inklusive Sektsteuer – höher als im Vor-Corona-Jahr 2019. Allerdings sei das Geschäft in den letzten Monaten etwas verhaltener verlaufen.
Henkell-Freixenet, die Sekt-, Wein- und Spirituosenfirma der drei jüngsten Oetker-Geschwister, erzielte 2021 einen Rekordumsatz von 1,3 Milliarden Euro. Damit lagen die Erlöse inklusive Steuern ebenfalls über dem Niveau vor der Coronakrise. „Das erste Coronajahr war das Jahr des Weines, die Deutschen blieben zu Hause und kochten“, sagt der Henkell-Chef. „2021 war das Jahr der hochwertigen Schaumweine, die Verbraucher gönnten sich Genuss. 2022 kamen Spirituosen zurück.“
Als krisenbeständiger Trend erweist sich die wachsende Beliebtheit von Rosé-Sekt und Schaumwein ohne Alkohol. „Die Nische alkoholfreie Getränke wächst jedes Jahr um zwei Prozent“, so Queisser. Rosé macht hierzulande 15 Prozent des Sektkonsums aus. Insgesamt aber trinken die Deutschen immer weniger Schaumwein. Der Konsum ist laut Verband deutscher Sektkellereien in den vergangenen zehn Jahren von 4,2 auf 3,2 Liter pro Kopf gesunken.
Andreas Brokemper
„2021 war das Jahr der hochwertigen Schaumweine“, sagt der Chef des Weltmarktführers Henkell Freixenet.
Bild: dpa
Supermärkte und Discounter versuchen deshalb, Kunden mit Kampfpreisen zu locken. Aldi Nord verkaufte etwa Rotkäppchen-Sekt vor Weihnachten für nur 2,29 Euro die Flasche, bisher galt 2,49 als günstigster Aktionspreis.
Von den 2,29 Euro gehen 1,02 Euro Schaumweinsteuer und 44 Cent Mehrwertsteuer ab. Nach Abzug von 30 Cent für den Grundwein und 25 Cent für die druckfeste Flasche bleiben nur 28 Cent für alle übrigen Kosten von Hersteller und Handel, rechnet die „Lebensmittelzeitung“ vor.
Mit solchen Aktionsrabatten will der Handel den Sektkonsum zum Jahresende noch mal kräftig anschieben. Schließlich ist es das erste Silvester seit zwei Jahren, das ohne Corona-Einschränkungen gefeiert werden kann. Eins ist klar: So günstig wird Schaumwein im neuen Jahr nicht mehr angeboten werden.
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