Der Verkehrsminister will Ende Juni einen Schienenpakt für die Eisenbahn des 21. Jahrhunderts vorstellen. Doch bis dahin müssen einige offene Fragen geklärt werden.
Gleisbett am Kölner Hauptbahnhof
Der Bund plant vor allem, die Bahn „im intermodalen Wettbewerb zu stärken“, wie es im Entwurf heißt.
Bild: imago/Future Image
Berlin Es soll eine Veranstaltung ganz nach dem Geschmack von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) werden: Am 30. Juni will er zum großen Schienengipfel einladen und nach dem Motto „Versprochen, gehalten“ einen Schienenpakt für die Eisenbahn des 21. Jahrhunderts vorstellen.
Das Herzstück ist ein Deutschlandtakt, bei dem die Züge von Knotenbahnhöfen aus immer zu festen Zeiten in alle Richtungen der Republik starten, zuzüglich Milliarden Euro für den Neu- und Ausbau des Schienennetzes samt neuer Hochgeschwindigkeitsstrecken (300 km/h), etwa von Hannover nach Hamm oder Nürnberg nach Würzburg, und vor allem einer digitalen Bahn.
Doppelt so viele Fahrgäste bis 2030 transportieren, mindestens ein Viertel des gesamten Güterverkehrs, so lautet das Ziel. Inlandsflüge sollen überflüssig werden, ein Teil des Straßenverkehrs auch, Bahn und Klima profitieren.
So steht es im Entwurf für den Masterplan, der dem Handelsblatt vorliegt und der an diesem Dienstag in einer Videokonferenz des Lenkungskreises des Zukunftsbündnisses Schiene, besetzt von Politik und Wirtschaft, beschlossen werden soll. Doch es gibt Krach.
Nicht nur, dass ein wichtiges Gutachten für den Deutschlandtakt aussteht. Die Arbeitsgruppe zu Wettbewerbsfragen sei gar regelrecht „implodiert“, berichten Teilnehmer. Die Wettbewerber der staatseigenen Deutschen Bahn AG beklagen, dass der Güterverkehr im Deutschlandtakt zu wenig berücksichtigt wird und womöglich schnell Kapazitäten fehlen. Vor allem fordern sie, den Wettbewerb auf der Schiene zu stärken.
Der Bund aber plant vor allem, die Bahn „im intermodalen Wettbewerb zu stärken“, wie es im Entwurf heißt. Wettbewerbsvorteile des Straßen- oder Luftverkehrs will das Netzwerk europäischer Eisenbahnen zwar auch beseitigt wissen, aber ebenso die Nachteile der Privaten zur DB Cargo. So fordert es eine „Eins-zu-eins-Regel“: Jeder Staats-Euro für die Cargotochter der Bahn müsse einen Euro für die Wettbewerber auslösen.
Diskussionen über Wettbewerb auf der Schiene oder gar eine neue Struktur der DB AG lehnte die Eisenbahnergewerkschaft EVG ab: „Diese Themen gehören in den Aufsichtsrat der Bahn und in den Bundestag“, sagt der Vizechef Martin Burkert.
Die EVG fordert, im Masterplan klipp und klar festzuschreiben, dass bis 2023 jedes Jahr drei Milliarden Euro extra fließen, danach bis 2028 je vier. Das Geld sei wichtig, um die zwölf als prioritär eingestuften Baumaßnahmen im Plan auch umsetzen zu können. Er droht: „Wenn wir den Masterplan mittragen sollen, dann muss alles stimmen.“
„Ohne Wettbewerb gibt es keine Innovationen“, mahnt hingegen Hans Leister, Leiter der Arbeitsgruppe Deutschlandtakt. „Wenn zuerst ein Fahrplan festgelegt wird, kann nicht mehr jeder auf dem Schienennetz fahren, wie er will.“ Nötig seien neue Spielregeln. Welche Rolle da der Wettbewerb spielen solle, sei derzeit „noch völlig offen“.
Ausschreibungen, wie sie im Nahverkehr stattfänden, würde die Politik „scheuen wie der Teufel das Weihwasser“. Die Alternative sei Konzessionswettbewerb, wie er in der Schweiz stattfände, erklärt Leister, der früher selbst mehrere Wettbewerbsbahnen geleitet hat.
Die Bahnindustrie ist ebenfalls unzufrieden mit dem Entwurf. „Das Zukunftsbündnis Schiene ist extrem wichtig, aber im Kapitel zur Innovation vermissen wir teils mehr Ambition“, sagt Ben Möbius, Hauptgeschäftsführer beim Verband der Bahnindustrie. Die entscheidende Frage sei, wie die Klimaziele für 2030 trotz der Krise erreicht werden könnten. „Forschung ehrgeiziger fördern, öffentliche Vergaben neu denken – das gehört zur Roadmap für neue Mobilität 2030.“
So bleiben viele Fragen offen, auch die, ob neue Hochgeschwindigkeitsstrecken wirklich nötig sind. „Ein Deutschlandtakt lässt sich auch mit 200 Stundenkilometern realisieren“, sagt Leister. Wirtschaftlich würde es Sinn machen, Streckenbau und Züge wären günstiger.
Doch ist dem Bahnbeauftragten der Regierung, Enak Ferlemann, nichts zu teuer, um Verkehr zu verlagern. Dies sei das „Schlüsselelement, um die Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen“, wie es im Entwurf des Plans heißt. Zustimmen müssen die Haushaltspolitiker im Bundestag.
Sie hatten zuletzt bereits 86 Milliarden Euro für die kommenden zehn Jahre freigegeben, damit die Bahn ihr bestehendes Netz modernisiert. Auch war das Eigenkapital erhöht und noch einmal 1,4 Milliarden Euro für kleine Maßnahmen am Netz genehmigt worden. Wegen der Coronakrise sind nun weitere Milliarden im Gespräch.
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