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03.02.2023

12:37

Schmähpreis Plagiarius 2023

Möbel, Gläser, Websites – diese Fälschungen waren besonders dreist

Von: Julia Leonhardt

Produktfälschungen können gerade für kleine Unternehmen nicht nur ärgerlich, sondern existenzbedrohend sein. Der Schmähpreis Plagiarius enthüllt die dreistesten Kopien.

Links Original: Modulares Wandregal-System „LINK“, Studio Hausen / Jörg Höltje, Hamburg, Deutschland Rechts Plagiat: Vertrieb: Deutscher Möbel-Filialist (EU-weit tätig) Aktion Plagiarius e.V.

PLAGIARIUS 2023 - 1. Preis

Links Original: Modulares Wandregal-System „LINK“, Studio Hausen / Jörg Höltje, Hamburg, Deutschland
Rechts Plagiat: Vertrieb: Deutscher Möbel-Filialist (EU-weit tätig)

Düsseldorf In seine Designregale hat Produktdesigner Jörg Höltje aus Hamburg viel Entwicklungsarbeit gesteckt. Seine Systeme verkauft der Designer seit 2014 über sein kleines Unternehmen Studio Hausen in Hamburg. Doch eine gute Idee nützt wenig, wenn sie dreist kopiert wird.

Für besonders dreiste Fälschungen verleiht die Aktion Plagiarius einmal im Jahr den Negativpreis „Plagiarius“, in diesem Jahr zum 47. Mal. Sie macht darauf aufmerksam, welche Schäden durch Plagiate entstehen – und appelliert dabei auch an Verbraucher, lieber auf das Original zu setzen. Der Plagiarius wurde 1977 von Industriedesigner Rido Busse ins Leben gerufen. Als Trophäe erhalten die Plagiatoren einen schwarzen Zwerg mit goldener Nase - Symbol für die immensen Profite, die ideenlose Nachahmer auf Kosten Kreativer machen.

Diese Produkte wurden diesmal besonders frech kopiert:

1. Preis: Plagiat von Wandregal-System von Studio Hausen

Ein Freund machte Jörg Höltje auf eine besonders freche Kopie seines Wandregals aufmerksam. Ein deutscher Möbelfilialist hatte sein Designregal Link, das Höltje für Preise zwischen 350 und 1050 Euro verkauft, einfach eins zu eins plagiiert. In der Qualität liegt allerdings der entscheidende Unterschied: Während das Original mit hochwertigem Eichenholz gefertigt ist, hatte das Plagiat des deutschen Möbelfilialisten mit tropischem Mangoholz gearbeitet. Auch die Bügel waren billig und verzogen.

Mit einem Patentanwalt wehrte sich der Designer gegen die günstige Kopie. Auch zum Plagiator selbst nahm er Kontakt auf. Doch der Schaden war da schon angerichtet.

Produktpiraterie ist für große Unternehmen bereits ärgerlich und teuer, doch kleine und mittelständische Firmen kann sie die Existenz kosten, warnt die EU-Agentur für geistiges Eigentum (EUIPO). Werden Produktideen geklaut, hätten kleine Unternehmen nach ihren Berechnungen eine 34 Prozent geringere Überlebenschance.

Immerhin: Der Möbelfilialist hat den Verkauf des Wandregals mittlerweile eingestellt und alle Restbestände vernichtet. Allerdings erst, als er auf das Plagiat aufmerksam gemacht wurde.

2. Preis: Plagiat von Hightech-Gläsern der Marke Koziol

Oben Originale: Glas „CLUB NO. 6 Superglas 300ml”, Koziol »ideas for friends GmbH, Erbach, Deutschland Unten Plagiate: METPLAS A.S. / „Rubikap“ Plastic Tableware, Istanbul, Türkei Aktion Plagiarius e.V.

PLAGIARIUS 2023 - 2. Preis

Oben Originale: Glas „CLUB NO. 6 Superglas 300ml”, Koziol »ideas for friends GmbH, Erbach, Deutschland
Unten Plagiate: METPLAS A.S. / „Rubikap“ Plastic Tableware, Istanbul, Türkei

Superglas von Koziol soll nicht nur deutlich robuster sein, sondern die Getränke auch länger kühlen. Für die Gläser „made in Germany“ verlangt der Hersteller darum auch gehobene Preise.

Ein Anreiz für Ideendiebe: Das Plagiat des Produktes sieht dem Original zum Verwechseln ähnlich, allerdings lassen sich in der Qualität deutliche Unterschiede erkennen. Der Plagiator Metplas aus der Türkei arbeitete beispielsweise mit deutlich einfacheren Materialien – und das, obwohl das Design von Koziol in der EU geschützt ist.

Es trifft viele Unternehmen: Fast jeder sechste Mittelständler war nach einer Studie der EUIPO schon einmal ein Opfer der Produktpiraterie. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.

Allein im Jahr 2021 wurden in der EU schätzungsweise 86 Millionen gefälschte Waren beschlagnahmt – ganze 21 Prozent mehr als im Vorjahr. Denn gerade online ist die Nachfrage nach günstigen Kopien teurer Markenprodukte hoch.

3. Preis: Plagiat von Fahrzeugdiagnosesystemen von Mercedes-Benz

Links Original: Fahrzeug-Diagnose „XENTRY Diagnosis“ (für OBD – On-Board-Diagnose) Mercedes-Benz Group AG, Stuttgart, Deutschland Rechts Fälschung: Vertrieb: OBD Diagnostic Tools, Fellbach (Region Stuttgart), Deutschland Aktion Plagiarius e.V.

PLAGIARIUS 2023 - 3. Preis

Links Original: Fahrzeug-Diagnose „XENTRY Diagnosis“ (für OBD – On-Board-Diagnose) Mercedes-Benz Group AG, Stuttgart, Deutschland
Rechts Fälschung: Vertrieb: OBD Diagnostic Tools, Fellbach (Region Stuttgart), Deutschland

Mit einem Fahrzeugdiagnosesystem (OBD) können Autos von Mercedes-Benz gewartet und repariert werden. Doch auch Autowerkstätten sollten genauer hinsehen: Denn von dem System wurden im vergangenen Jahr Fälschungen über Ebay und eine Website verkauft.

Das ist nicht nur ärgerlich, sondern gefährlich, warnen die Initiatoren des Plagiarius. Wenn das System veraltet ist und die nötigen Sicherheitsstandards nicht eingehalten wurden, kann ein solches Analyse-Werkzeug zum Sicherheitsrisiko werden.

Im konkreten Fall beschäftigte das Plagiat auch die Gerichte: Es kam zu einer zivilrechtlichen Verurteilung. Gegen die Fälscher wurde ein Strafverfahren wegen der Verletzung der Markenrechte von Mercedes-Benz eröffnet.

Sonderpreis für eine Fake-Website

Original-Websites: www.wika.com / www.wika.cn - Fake-Website: www.wika-wika.cn Links Original: WIKA Alexander Wiegand SE & Co. KG, Klingenberg, Deutschland Rechts Fälschung: Chu Chaofeng, Shanghai, VR China (Domain-Inhaber von www.wika-wika.cn) Aktion Plagiarius e.V.

Sonderpreis „Identitätsklau“

Original-Websites: www.wika.com / www.wika.cn - Fake-Website: www.wika-wika.cn
Links Original: WIKA Alexander Wiegand SE & Co. KG, Klingenberg, Deutschland
Rechts Fälschung: Chu Chaofeng, Shanghai, VR China (Domain-Inhaber von www.wika-wika.cn)

Nicht nur Produkte werden eins zu eins kopiert, mitunter klauen die Fälscher gleich den ganzen Internetauftritt eines Herstellers. Der bayrische Mittelständler Wika aus Klingenberg am Main hat das selbst erlebt. Eine chinesische Website kopierte skrupellos Fotos, Texte und Historie des Herstellers von Druckmessgeräten.

Aus Sicht des Plagiatspreises wurden dabei nicht nur Marken- und Urheberrechte verletzt. Die Fälschung sei auch ein bewusster Identitätsklau gewesen, um Nutzer der Website zu täuschen.

Preis für den „faulsten Serientäter“

Links Originale: Produkte der Baureihe D30 LPS (Auszug) sowie unterschiedlichste Bauteile (Winkel, Verbinder), Item Industrietechnik GmbH, Solingen, Deutschland Rechts Plagiate: Fath GmbH, Spalt, Deutschland Aktion Plagiarius e.V.

Preis für den „faulsten Serientäter“

Links Originale: Produkte der Baureihe D30 LPS (Auszug) sowie unterschiedlichste Bauteile (Winkel, Verbinder), Item Industrietechnik GmbH, Solingen, Deutschland
Rechts Plagiate: Fath GmbH, Spalt, Deutschland

Das Unternehmen Item ist seit Jahren Marktführer von Systembaukästen für industrielle Anwendungen. Während sich einige Wettbewerber von den Produkten inspirieren lassen, soll der deutsche Konkurrent Fath nach Ansicht der Aktion Plagiarius seit Jahren zahlreiche sehr ähnliche Produkte auf den Markt bringen.

Rechtliche Konsequenzen gab es bislang aber nicht: Eine Inspiration sei erlaubt und nicht immer eine dreiste Kopie. 

Weitere Auszeichnung für das Plagiat einer SD-Karte von Volkswagen

SD-Karte „Volkswagen Navigation AS (V16)“ Links Original: Volkswagen AG, Wolfsburg, Deutschland Rechts Fälschung: ITPROCARS Sp. z o.o., Danzig, Polen - Vertrieb über seinen eBay-Shop Aktion Plagiarius e.V.

Sonderpreis „Fälschung“

SD-Karte „Volkswagen Navigation AS (V16)“
Links Original: Volkswagen AG, Wolfsburg, Deutschland
Rechts Fälschung: ITPROCARS Sp. z o.o., Danzig, Polen - Vertrieb über seinen eBay-Shop

Auch vor Software machen die Plagiatoren nicht Halt. Das trifft selbst den deutschen Autoriesen Volkswagen. Eine SD-Karte für die Navigationssysteme des Konzerns wurde vom Händler IT Procars über Ebay zum halben Preis angeboten. Allerdings handelte es sich um eine Fälschung. Mittlerweile hat der Händler zugegeben, die Markenrechte des Konzerns verletzt zu haben. Vor einem juristischen Nachspiel schützt ihn das nicht: VW will klagen. Die gefälschten SD-Karten sind nicht mehr erhältlich.

Gerade Anbieter von Maschinen und Elektronik sind häufiger Opfer von Produktpiraten, warnt die EUIPO. Aber auch Bekleidung und Modeartikel werden gerne kopiert. Dabei kommt ein großer Teil der gefälschten Waren aus China oder Hongkong. Die Qualität der Fälschungen sind dabei oft mangelhaft und können sogar gesundheitsgefährdend sein, so die EU-Agentur.

Nicht immer wehren sich die betroffenen Unternehmen: Elf Prozent gehen gar nicht gegen die Fälschungen vor, so die Behörde. Für viele ist die Durchsetzung ihrer Rechte zu kostspielig und komplex.

Für Studio Hausen und Jörg Höltje ist der Fall am Ende gut ausgegangen. Trotzdem ärgert er sich. „Das ist ein billiges, schnelles Geschäft mit den Fälschungen“, sagt Höltje. Immer häufiger würden selbst große Firmen Ideen klauen, um diese dann billig umzusetzen.

Gerade der Trend zu günstigen Designartikeln in den sozialen Netzwerken schaffe für viele Plagiate einen beliebten Absatzmarkt. Schon heute wird Designermode als optisch sehr ähnliche, preislich aber deutlich günstigere Fast Fashion angeboten. Bei Möbeln sei mittlerweile ein ähnlicher Trend erkennbar. „Ich würde es mal Fast Furniture nennen“, sagt der selbstständige Produktdesigner.

Rund um die Fälschungen beliebter Designprodukte habe sich eine eigene Art von Werbung etabliert, warnt auch die „Aktion Plagiarius“. So genannte „Dupe Influencer“ präsentieren gefälschte Ware auf ihren Kanälen, die teilweise sehr junge Zielgruppe greife gerne zu. Auch im kommenden Jahr dürften viele dieser Kopien wieder beschlagnahmt werden.

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