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04.01.2023

04:00

Serie: Branchenausblick

Dem Einzelhandel droht ein hartes Jahr der Konsolidierung

Von: Florian Kolf

Nicht nur Galeria schließt zahlreiche Filialen: Viele Händler müssen in diesem Jahr sparen, einige werden aufgeben müssen. Gewinner dürfte erneut der Onlinehandel sein.

Im Lebensmittelhandel sind die preiswerten Eigenmarken stärker als bisher gefragt. dpa

Einkaufswagen im Supermarkt

Im Lebensmittelhandel sind die preiswerten Eigenmarken stärker als bisher gefragt.

Düsseldorf Für den Einzelhandel in vielen deutschen Städten dürfte das Jahr 2023 mit schlechten Nachrichten beginnen. Denn im Laufe des Januars wird klar, welche Standorte der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof aufgeben wird. Und für wahrscheinlich mehr als 40 Kommunen wird dies einen weiteren Leerstand in prominentester Innenstadtlage bedeuten – mit Folgen auch für die umliegenden Händler.

Galeria ist aber nur ein besonders prominenter Fall, der einen allgemeinen Trend in der Branche widerspiegelt. Seit Beginn der Pandemie sind nach Schätzungen des Handelsverbands Deutschland rund 40.000 Geschäfte geschlossen worden. Allein im abgelaufenen Jahr dürften rund 15.000 dazugekommen sein.

Und auch nach dem Abflauen von Corona sind die harten Zeiten für den Einzelhandel nicht vorbei. Inflation, Kostendruck und ein verändertes Kundenverhalten dürften 2023 noch viele Händler zur Aufgabe oder zumindest zur Verkleinerung des Filialnetzes zwingen. Doch einige Unternehmen dürften von den schwierigen Rahmenbedingungen sogar profitieren.

Die aktuelle „Deutschlandstudie Innenstadt 2022“ des Beratungsunternehmens Cima zeichnet ein düsteres Bild. Um weitere 20 Prozent wird danach die Zahl der Besucher in den Innenstädten zurückgehen – und damit die Zahl der potenziellen Kunden für den Einzelhandel.

Besonders stark zeigt sich das bei den unter 30-Jährigen. Nur noch für 40 Prozent von ihnen ist die Innenstadt heute ein Ort zum Einkaufen, Geschäfte sind für die meisten kein Grund mehr, in die City zu fahren. 2015 war das noch anders: Da gaben 75 Prozent der Jüngeren an, dass Einkaufsmöglichkeiten für sie die Innenstadt attraktiv machen.

Primark, H&M und Zara schließen Filialen in Deutschland

Das hat Folgen für viele Händler. Selbst Filialkonzepte wie Primark, die in den vergangenen Jahren noch massiv expandiert haben, spüren den Umsatzrückgang. Den Laden in Weiterstadt in Hessen hat das Modeunternehmen bereits geschlossen, im April folgt eine der vier Filialen in Berlin.

Die Rentabilität der deutschen Primark-Standorte sei auf einem „unakzeptablen Niveau“, schreibt die Muttergesellschaft Associated British Foods in ihrem Geschäftsbericht. Umgerechnet 230 Millionen Euro hat das Unternehmen jetzt auf seine Vermögenswerte in Deutschland abgeschrieben.

Branchenausblick 2023

Die Serie

Zum Jahreswechsel analysiert das Handelsblatt die aktuelle Lage in den wichtigsten deutschen Industrien und Dienstleistungsbranchen und gibt einen Ausblick auf die Herausforderungen des kommenden Jahres.

Folge 1: Überblick

Mehr als jede zweite Branche blickt pessimistisch ins neue Jahr. Gerade die bisherigen Stützen der Konjunktur müssen kämpfen. Zwei Dinge machen aber Hoffnung.

Lesen Sie hier den Beitrag.

Folge 2: Energie

Die Karten in der Branche sind neu verteilt. Ab Januar kommen dann Strom- und Gaspreisbremse und Erlösabschöpfung dazu – und eine unsichere Versorgungslage im nächsten Winter.

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Folge 3: Luftfahrt

Die Luftfahrt gilt als krisensensibel. Umso erstaunlicher, dass der weltweite Airline-Verband schwarze Zahlen für alle erwartet. Warum das so ist – und wieso es das Jahr der Lufthansa werden kann.

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Folge 4: Konsumgüter

Hersteller kämpfen 2023 mit weiter steigenden Ausgaben. Unklar ist, wann die Nachfrage wieder anspringt. Das verstärkt den Konsolidierungsdruck – und die Preise steigen weiter.

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Folge 5: Chemie

Chemiefirmen fürchten schwere Folgen durch teure Energie, Rezession und belastende Regulierung. Doch es gibt Lichtblicke.

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Folge 6: Stahl

Mit einem Zwischenhoch und hohen Gewinnen im Rücken wollen in diesem Jahr Stahlkonzerne wie Thyssen-Krupp, Salzgitter oder Arcelor-Mittal die Dekarboniserung angehen. Doch das Umfeld wird schwieriger.

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Folge 7: Einzelhandel

Nicht nur Galeria schließt zahlreiche Filialen: Viele Händler müssen in diesem Jahr sparen, einige werden aufgeben müssen. Gewinner dürfte erneut der Onlinehandel sein.

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Folge 8: Pharma

Der Schub durch Covid-Impfstoffe und Medikamente flaut ab, gleichzeitig läuft für einige Produkte der Patentschutz ab. Novo Nordisk löst Pfizer als Wachstums-Champion ab.

Lesen Sie hier den Pharma-Ausblick.

Folge 9: Rüstung

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine beschleunigt deutsche Verteidigungsprojekte – und zieht viele Bestellungen nach sich. Zugute kommen der Rüstungsbranche auch neue Technologien.

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Primark ist kein Einzelfall. Der Modehändler Adler durchlief eine Insolvenz und schloss in dem Zuge rund 30 Filialen, H&M und Zara planen weltweit die Schließung Hunderter Standorte, viele davon dürften in Deutschland liegen. Die Modekette Orsay hat sogar alle Läden in Deutschland dichtgemacht.

Weniger Sorgen dagegen dürften sich in diesem Jahr Händler machen, die rechtzeitig ein eigenes E-Commerce-Geschäft aufgebaut haben. Immerhin schon rund 50 Prozent aller Umsätze mit Mode werden mittlerweile online gemacht. So plant beispielsweise der Modehändler Breuninger, in den kommenden Jahren seinen Onlineumsatz auf 1,5 Milliarden Euro zu steigern. Im Jahr 2021 hat Breuninger insgesamt einen Umsatz von gut einer Milliarde Euro erzielt.

Konsumstimmung liegt auf historisch niedrigem Niveau

Dabei gehört Mode zu den Produktkategorien, die angesichts einer sinkenden Kaufkraft in diesem Jahr eher zu den Verlierern zählen dürften. Ausgaben für schicke Klamotten kann man am leichtesten reduzieren. Handelsexperte Stefan Wenzel nennt das „eine Art Konsum-Triage“, also die persönliche Einteilung des Verbrauchers, welche Ausgaben für ihn Priorität haben.

„Weniger Notwendiges wie Möbel und Elektro wird aussortiert“, prognostiziert der ehemalige Ebay-Deutschlandchef. Güter des täglichen Bedarfs oder Ausgaben für Gesundheit seien weniger betroffen.

Trotzdem starten selbst Supermarktbetreiber mit großen Sorgen ins Jahr 2023. Hatten sie noch von der Pandemie massiv profitiert, spüren auch sie jetzt die Zurückhaltung der Kunden. So liegt das Konsumbarometer, das das Handelsblatt Research Institute jeden Monat für den HDE erhebt, immer noch auf einem historisch niedrigen Niveau.

Zwar ist der Index der Anschaffungsneigung, der das Verhalten der Verbraucher in den kommenden drei Monaten beschreibt, im Dezember zum zweiten Mal in Folge gestiegen. Er liegt aber immer noch bei nur 75 Punkten. Bis Ende 2021 hatte er aber mit kleinen Ausnahmen immer um die 100 Punkte gependelt.

Grafik

Diese Zurückhaltung hat Auswirkungen nicht nur auf langfristige Anschaffungen. Im Lebensmittelhandel sind die preiswerten Eigenmarken stärker als bisher gefragt. Zugleich haben die Händler wenig Spielraum, ihre gestiegenen Einkaufspreise und die hohen Energiekosten an die Kunden weiterzureichen.

Gerade die hohen Energiekosten sind für viele Händler eine existenzielle Bedrohung. Die Gas- und Strompreisbremse wird da zwar viel abfedern, kann aber auch nicht alles verhindern. Experten erwarten noch einige weitere Insolvenzen in der Branche. Viele kleinere Händler werden aber auch aufgeben, ohne Insolvenz anzumelden, weil sie keine Perspektive sehen.

HDE-Präsident Alexander von Preen betont, dass es dem Verband nicht darum gehe, den notwendigen Strukturwandel im Einzelhandel hinauszuzögern. „Was wir in dieser besonderen Notlage mit aller Kraft verhindern müssen, sind wirtschaftliche Strukturbrüche, die die gesunde Substanz unserer Unternehmen unwiederbringlich zerstören“, sagte er im November beim Handelskongress in Berlin.

Der Verbandschef sieht grundsätzlich einen großen Aufbruchswillen in der Branche. „Wir möchten die Chancen neuer Technologien zum Wohle unserer Kundinnen und Kunden nutzen und stellen uns auf ein radikal verändertes Verbraucherverhalten ein“, sagt von Preen.

Dieser radikale Veränderungswille hat auch den Discounter Aldi Süd erfasst, der bisher dem Onlinehandel eher skeptisch gegenüberstand. Er plant für dieses Jahr erstmals ein Onlineangebot mit Auslieferung frischer Lebensmittel in Deutschland. Sollte sich das etablieren, wäre das ein Strukturwandel, der Folgen für die ganze Branche haben würde – und die Verschiebung des Konsums hin zum E-Commerce weiter befördern dürfte.

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