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15.03.2023

10:30

Spirituosen

Whiskey aus Niedersachsen – Wie sich Kornbrenner Hardenberg modernisiert

Von: Katrin Terpitz

Graf von Hardenberg hat die Kornbrennerei in zehnter Generation um internationale Spirituosen erweitert. Deutsche Hip-Hopper schwärmen allerdings für eine eher klassische Marke des Hauses.

Die Brennerei von 1700 stellt neben Korn nun auch international beliebte Spirituosen wie Whiskey, Gin und Wodka her. Hardenberg-Wilthen AG

Spirituosen der Hardenberg Distillery

Die Brennerei von 1700 stellt neben Korn nun auch international beliebte Spirituosen wie Whiskey, Gin und Wodka her.

Nörten-Hardenberg Eine zerfallene Burgruine auf schroffen Felsen, darunter ein Bachlauf – eine Kulisse wie gemalt für eine Whiskey-Destillerie. Die steht allerdings nicht im schottischen Hochland, sondern am Fuße des Harzes.

Unweit von Göttingen wird hier seit wenigen Jahren der Beverbach Single Malt German Whiskey gebrannt. „Wir haben Getreide, Wasser, eine Brennerei – da liegt ein Whiskey doch nah“, erklärt Carl Graf von Hardenberg, zehnte Generation des Spirituosenherstellers Hardenberg-Wilthen, die Entstehung.

Auch Gin (von Hallers) und Wodka (Kinetic) werden am Firmensitz in Nörten-Hardenberg inzwischen hergestellt. Die Strategie der familiengeführten Kornbrennerei mit 323 Jahren Tradition: Whiskey, Gin und Wodka lassen sich international besser vermarkten als typisch deutsche Spirituosen.

Hinzu kommt: „Ein Premium-Whiskey ist für uns deutlich profitabler als zum Beispiel Korn“, sagt der 34-Jährige. Die ohnehin kleinen Margen für das Massengeschäft von Weinbrand bis Korn werden in Zeiten der Kosteninflation immer knapper. Guter Whiskey ist durch den langen Reifeprozess weitaus teurer – und die Kundschaft weit weniger preissensibel.

„Die Nachfrage nach deutschem Premium-Whiskey wächst stark“, bestätigt Michaela Habbel, Präsidentin des Verbands deutscher Whisky-Brenner. Hierzulande gebe es inzwischen um die 300 Whiskeybrennereien, in Schottland nur rund 120. Allerdings sei die produzierte Menge in Deutschland deutlich geringer, so Habbel. Zu den führenden Marken zählen St. Kilian und Slyrs.

Weinbrand Goldkrone profitiert vom „Jägermeister-Effekt“

„Tradition und Innovation – das ist unser Erfolgsrezept seit 1700“, erklärt Graf Hardenberg. So hat die Kornbrennerei mit dem Kopf eines Keilers als Wappentier etwa kurz nach der Wende Neues gewagt. Die Familie übernahm 1992 die Wilthener Weinbrennerei in Sachsen, ebenfalls ein Traditionsunternehmen.

In der DDR gab es nur zwei große Hersteller: den VEB Nordbrand Nordhausen für klare Spirituosen und den VEB Weinbrand Wilthen für braune. Mit der Übernahme der Weinbrennerei hatte sich der Umsatz mehr als verdoppelt.

Der Unternehmer leitet Produktion und Export des Spirituosenherstellers Hardenberg-Wilthen in zehnter Generation. Hardenberg-Wilthen AG

Carl Graf von Hardenberg

Der Unternehmer leitet Produktion und Export des Spirituosenherstellers Hardenberg-Wilthen in zehnter Generation.

In Wilthen wurden damals aber im Jahr noch 27 Millionen Flaschen der Marke Goldkrone abgefüllt. Der Weinbrand ist weiter stark im deutschen Markt vertreten, die Absatzmenge aber kategoriebedingt auf acht Millionen Flaschen geschrumpft. Inzwischen profitiert die etwas angestaubte Ostmarke nach eigenen Angaben vom „Jägermeister-Effekt“. „Der Retroboom hat uns selbst überrascht. Goldkrone ist etwa in der deutschen Hip-Hop-Szene total angesagt“, so Hardenberg.

Bis 2012 waren Korn und Weinbrand das Kerngeschäft der Hardenberg-Wilthen AG, neben Likören wie Danziger Goldwasser oder Kleiner Keiler. Dann stieg das Familienunternehmen ins Importgeschäft ein. „Die Kategorien Korn und Weinbrand waren rückläufig, das haben wir mit anderen Spirituosen wie Wodka, Rum oder Gin kompensiert“, erklärt Hardenberg. Kurz danach kam das Gastrogeschäft hinzu. Heute vertreiben die Niedersachsen ausländische Marken wie Bloom Gin, Templeton Rye oder The Dubliner Irish Whiskey.

Jeder Deutsche trank 2021 im Schnitt 5,2 Liter Spirituosen. Der Pro-Kopf-Verbrauch sinkt seit Jahren, so Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Spirituosen-Industrie (BSI). Hersteller und Importeure machten 2021 rund 4,75 Milliarden Euro Umsatz – inklusive etwa zwei Milliarden Euro Alkoholsteuern.

„Wir können uns nicht mehr auf dem Heimatmarkt ausruhen“

Mit rund 720 Millionen Flaschen à 0,7 Liter war der deutsche Spirituosenmarkt 2021 weiterhin der größte Markt in der EU. Doch heimische Marken haben es zunehmend schwer, sich gegenüber internationalen Spirituosen zu behaupten. Die Vorlieben der Deutschen haben sich verändert: „In der Spirituosenbranche gibt es Trends zu bekannten deutschen Marken, zu Premiumprodukten, zu Importprodukten, aber auch zum Craft-Handwerk“, sagt Angelika Wiesgen-Pick, Geschäftsführerin des BSI. Sprich: weniger, hochklassiger, teurer.

In Nörten-Hardenberg wird seit 323 Jahren Korn gebrannt. Hardenberg-Wilthen AG

Kupferkessel in der Brennerei

In Nörten-Hardenberg wird seit 323 Jahren Korn gebrannt.

„Wir können uns nicht mehr auf dem Heimatmarkt ausruhen, der ist für heimische Hersteller zu klein geworden“, so Hardenberg. „Deshalb arbeiten wir stark an der Expansion in Exportmärkte.“ Das Familienunternehmen war früher die Nummer zwei in Deutschland. Heute zählt es nach Nordhausen, Henkell Freixenet und Berentzen im deutschen Spirituosenmarkt zu den relevanten Produzenten. Der Umsatz inklusive Alkoholsteuern liegt bei 115 Millionen Euro. Mehr verrät Hardenberg nicht zu aktuellen Zahlen. „Wir waren immer profitabel“, betont er.

Allerdings musste das Unternehmen in der Pandemie Kurzarbeit für viele der 152 Beschäftigten anmelden. Denn Gastronomiegeschäft und Export fielen fast komplett weg. Sonst kommen im Jahr bis zu 15.000 Besucher in die Brennerei. In der Pandemie wurde erfolgreich auf Online-Tastings umgestellt. Das international bekannte Burgturnier für Springreiter haben Hardenbergs aus Pandemiegründen bis auf Weiteres eingestellt.

Steigende Kosten lassen Margen schrumpfen

Noch einschneidender als Corona sind die Auswirkungen des Ukrainekriegs. Der Mix aus höheren Kosten und Kaufzurückhaltung in Zeiten der Inflation lassen die ohnehin überschaubaren Margen schrumpfen. Die Preise für fast alles – von Neutralalkohol, Zucker bis zu Glas – seien deutlich gestiegen. „Das hat uns richtig Geld gekostet“, betont Hardenberg. Für Februar konnte er im Handel einstellige Preiserhöhungen bei den Volumenmarken durchsetzen. „Bei Premiummarken wollen wir die Mehrkosten vorerst selbst abfedern.“

Die Destillerie der Grafen von Hardenberg am Fuße des Harzes brennt seit dem Jahr 1700 Korn. Im Jahr kommen bis zu 15.000 Besucher.  Hardenberg-Wilthen AG

Kornbrennerei

Die Destillerie der Grafen von Hardenberg am Fuße des Harzes brennt seit dem Jahr 1700 Korn. Im Jahr kommen bis zu 15.000 Besucher.

Mit Kriegsausbruch stellte Hardenberg auch sofort den Export nach Russland ein. „Zwei volle Container standen hier schon auf der Rampe im Hof, aber zum Glück hatten wir dort kein großes Geschäft.“ Allerdings vertrieben die Niedersachsen bisher im Jahr auch 500.000 Flaschen Baikal Wodka aus Russland. Davon werden nur noch Reste abverkauft. Weil russischer Wodka zum Ladenhüter wurde, profitierte die eigene Premium-Wodka-Marke Kinetic.

Alkoholfreie Spirituosen immer populärer

Auch Spirituosen ohne Promille sind im Kommen. „Da entsteht ein riesiger Markt“, glaubt Hardenberg. Er vertreibt die bekannte australische Marke Lyre’s in Deutschland. Die bietet alkoholfreie Alternativen etwa zu Spritz, Gin und Whiskey. Auch die Niedersachsen sind dabei, alkoholfreie Varianten zu entwickeln. „Das ist nicht einfach, weil Alkohol als Geschmacksträger fehlt“, so Hardenberg, der regelmäßig mehrstündige Verkostungen mit seinem Team macht.

Ein Problem ist auch die kurze Haltbarkeit. Alkoholfreie Alternativen sind nach dem Öffnen nur acht bis zwölf Wochen genießbar. Allerdings ist der Trend, der das Unternehmen von Beginn an mit vorantreibt, sehr lukrativ. „Alkoholfreie Spirituosen sind ein hochprofitables Geschäft“, so Hardenberg.

Die Spirituosen reifen in großen Holzfässern. Hardenberg-Wilthen AG

Fasslager

Die Spirituosen reifen in großen Holzfässern.

Der Regalpreis alkoholfreier Alternativen ist ähnlich wie bei normalen Spirituosen, obwohl keine Alkoholsteuer abgeführt werden muss. Bei einer 0,7 Liter-Flasche mit 38 Volumenprozent sind dies 3,47 Euro. Ob sich diese Preise für alkoholfreie Varianten auf Dauer halten lassen, bezweifelt Hardenberg.

Auch in Zukunft soll die Brennerei ein Familienunternehmen bleiben. Vater Carl senior sitzt im Aufsichtsrat und kümmert sich hauptsächlich um die Hotels wie Freigeist und das Burghotel. Der Sohn ist für Produktion und Export von Hardenberg-Wilthen zuständig und Inhaber der Holding. Nach dem BWL-Studium arbeitete Carl von Hardenberg in einer irischen Destillerie. Als er 2016 in die Familienbrennerei einstieg, war sein Vater schon im Aufsichtsrat. „Die Übergabe haben wir immer ganz nüchtern betrachtet“, sagt er.
Mehr: Wie die Brennerei Schwarze & Schlichte den Wandel kultiviert

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