Die Lieferdrohne des Darmstädter Jungunternehmens Wingcopter gilt technologisch als weit entwickelt. Doch die richtigen Partner für den Einsatz zu finden ist nicht einfach.
Animation der Wingcopter-Drohne im Einsatz
Das Start-up aus Weiterstadt bei Darmstadt gilt bei Lieferdrohnen technologisch als weit fortgeschritten.
Bild: Wingcopter
Frankfurt Die Pizza, die per Drohne bis an die Haustür geliefert wird, bleibt wohl eine eher wilde Idee. Waren durch die Luft konzertiert von Lagerstätten zu Fertigungen und Verbrauchsstellen zu transportieren – das wiederum könnte sich als lukrativer Markt erweisen. Die Risikokapitalfirma Levitate Capital beziffert das Volumen des Geschäfts mit Lastendrohnen im Jahr 2030 auf immerhin 33 Milliarden US-Dollar.
Allerdings gibt es einige Herausforderungen. Die Vorstellung, dass in Zukunft Hunderte Drohnen über eng bebaute Metropolen schweben, erschreckt viele – auch die Luftfahrtbehörden. Das Start-up Wingcopter aus Weiterstadt bei Darmstadt hat sich deshalb Nischen gesucht, die Erfolg versprechen.
Wingcopter wurde 2017 vom heutigen CEO Tom Plümmer mit Studienkollegen aus Darmstadt gegründet. Sie entwickelten einen elektrischen Senkrechtstarter, der sechs Kilogramm Fracht befördern und in einer Stunde bis zu 110 Kilometer Strecke zurücklegen kann. Die Drohne gilt als effizient, auch dank der zusätzlichen Flügel mit einer Spannweite von rund zwei Metern.
Das Unternehmen sammelte 2021 zunächst 22 Millionen Dollar bei Investoren ein, im Sommer 2022 kamen 42 Millionen Dollar dazu. Auch der Einzelhändler Rewe stieg bei der jüngsten Finanzierungsrunde ein und sieht in dem Start-up nach eigener Aussage einen wichtigen Partner für ein Zukunftsthema. Zudem ist Itochu beteiligt, ein Konzern, der in Japan unter anderem eine der größten Supermarktketten mit über 24.000 Einkaufsläden betreibt. Eine weitere Finanzierungsrunde soll in Arbeit sein.
Wingcopter will mit dem Fluggerät in erster Linie medizinische Produkte in Regionen verteilen, die schwer zugänglich sind. Im südostafrikanischen Binnenstaat Malawi versorgt die Firma seit 2018 entlegene Regionen mit Medikamenten, eine Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). In den USA plant Air Methods mit Wingcopter ein Liefernetzwerk zwischen Krankenhäusern.
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Wingcopter habe sich das Ziel gesetzt, das Leben der Menschen nachhaltig zu verbessern, beschrieb Plümmer vor einigen Monaten im Gespräch mit dem Handelsblatt die Vision. Drohnen, die für Medizin unterwegs sind, könnten zudem andere Dinge wie zum Beispiel Lebensmittel befördern. Eine Lieferung an Endkunden hat das Jungunternehmen allerdings nicht im Kopf.
Die US-Luftfahrtbehörde FAA hat das Konzept von Wingcopter abgenommen und im Mai 2022 die sogenannten „Airworthiness Criteria“ definiert. Damit steht fest, was das Fluggerät erfüllen muss, um die Zulassung für den amerikanischen Luftraum zu bekommen. Auch in Europa und in Japan seien die Behörden sehr kooperativ, heißt es in Darmstadt.
Beim Thema Infrastruktur gibt es eine pragmatische Lösung. Die Firma errichtet eine Start- und Landeplattform aus Beton und stellt für das Personal einen modifizierten Schiffscontainer mit allem Notwendigen auf, um die Drohnenflüge zu überwachen. Das soll nicht länger als einen Tag dauern.
Zahlreiche Unternehmen haben sich schon am Thema Lieferdrohnen versucht, darunter große Konzerne wie UPS oder Amazon. Wirklich durchgesetzt hat sich die Idee bisher nicht. Lieferdrohnen haben nur eine begrenzte Kapazität. Wingcopter hat die Drohne deshalb mit einem System ausgestattet, das mehrere Pakete an unterschiedlichen Stellen aus der Luft absetzen kann.
Wingcopter-CEO Tom Plümmer
Der Chef und Mitgründer des Lieferdrohnen-Start-ups muss derzeit um einen Großauftrag aus Afrika bangen.
Bild: Peter Jülich/Wingcopter
Aber es gibt Wettbewerber. In den USA nimmt zum Beispiel Zipline für sich in Anspruch, bereits mehr als 250.000 kommerzielle Warenlieferungen durchgeführt zu haben.
Zwar hat Wingcopter schon einige Aufträge bekommen, doch ausgerechnet der bisher größte gilt als nicht mehr sicher. Im Mai 2022 hatten die Darmstädter bekannt gegeben, dass sie einen Vertrag in Milliardenhöhe mit der südafrikanischen Continental Drones, einer Tochter der Atlantic Trust Holding mit Sitz in Ghana und Dubai, geschlossen haben. Mit 12.000 Drohnen sollte über fünf Jahre ein Transportnetz in zahlreichen Ländern südlich der Sahara errichtet werden.
Doch nachdem angeblich mehrere Investoren von Wingcopter darauf gedrängt hatten, den Megaauftrag noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen, ist die entsprechende Mitteilung von der Webseite des Start-ups verschwunden. Noch hat man das Projekt wohl nicht endgültig abgeschrieben. Wingcopter äußert sich auf Anfrage nicht zu dem Thema.
In der Fertigung in Weiterstadt reichen Platz und Maschinenpark grundsätzlich für den Bau bis zu mehreren Tausend Drohnen pro Jahr. Doch um diese Kapazität zu erreichen, braucht das Unternehmen neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Ziel ist ein Dreischichtbetrieb. Zudem sollen Roboter bei der Produktion unterstützen und die Effizienz steigern. Ein erstes Gerät von Kuka ist bereits im Einsatz.
Gleichzeitig prüft das Unternehmen die Expansion, das hängt aber wohl auch davon ab, inwieweit der Afrikaauftrag noch kommt oder ob alternative Kunden gefunden werden können. Sowohl in Hessen als auch im Ausland hatte sich die Führung des Start-ups zuletzt nach Bauland umgeschaut.
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