Mit Margen von 40 bis 45 Prozent ist die Tabakindustrie so profitabel wie kaum eine andere Branche. Dennoch bauen die Unternehmen ihr Geschäft um.
Zigarettenstummel
Mit Margen von über 40 Prozent ist die Industrie hochlukrativ.
Bild: Pawel Czerwinski / Unsplash
Düsseldorf Obwohl in Deutschland weniger Zigaretten verkauft werden, ist die Tabakindustrie weiter hochprofitabel. Der Absatz von Zigaretten sank 2022 um 8,3 Prozent und damit deutlicher als in den Vorjahren: Hierzulande wurden 65,8 Milliarden Zigaretten versteuert, zeigt die am Mittwoch veröffentlichte Tabakstatistik.
Im Vergleich zu den 1990er-Jahren ist der Absatz um über die Hälfte zurückgegangen. Seinerzeit wurden noch 130 bis 140 Milliarden Zigaretten pro Jahr versteuert. Dem Geschäft hat das keinen Abbruch getan: Die Verkaufswerte stiegen im selben Zeitraum um fast 40 Prozent auf nun 21,9 Milliarden Euro.
Steigende Umsätze bei sinkenden Absätzen erklären sich mit Tabaksteuer- und Preiserhöhungen. Seit 1989 wurde die Steuer auf Zigaretten 17-mal erhöht, zuletzt zu Jahresbeginn und davor Anfang 2022 um jeweils zehn Cent pro Schachtel.
Trotz Krisen geht es der Branche deutlich besser als vielen anderen. „Die Zigarettenindustrie ist eine Gelddruckmaschine. Nur Finanzmarktspekulation dürfte noch lukrativer sein“, sagt Marcel Mansouri, Experte für die Zigarettenindustrie bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Tatsächlich erreichen die großen Tabakhersteller Margen von 40 bis 45 Prozent.
„Die Profitabilität kommt noch sehr stark aus dem Verkauf von klassischen Zigaretten“, sagt Rolf Pensky, Konsumgüter- und Tabakexperte bei der Strategieberatung EY-Parthenon. „Aber der Druck steigt auf die Firmen, ihr Geschäft zu transformieren.“
Die Branche befindet sich in der größten Transformation ihrer Geschichte, weil sie damit rechnen muss, dass klassische Glimmstängel auf Dauer aufgrund von Regularien verschwinden werden. So hatte zuletzt Neuseeland ein Gesetz verabschiedet, nach dem alle Menschen, die nach 2008 geboren sind, keine Zigaretten mehr kaufen dürfen.
Die große Hoffnung der Industrie sind zehn Zentimeter kleine Geräte mit dem Namen Iqos, Glo oder Pulze. Die Tabakerhitzer erwärmen austauschbare Sticks, um einen Tabakgeschmack zu erzeugen.
Die Alternativen boomen: So hat Iqos-Hersteller Philip Morris in den ersten neun Monaten 2022 hierzulande etwas mehr als ein Viertel mehr Tabakerhitzer verkauft, während der Absatz von Zigaretten seiner Marken Marlboro oder L&M um fünf Prozent zurückging. Konkurrent British American Tobacco machte mit seinen Zigaretten wie Lucky Strike oder Pall Mall in Europa im ersten Halbjahr 2022 fast drei Prozent weniger Umsatz, neue Kategorien wuchsen indes um über 46 Prozent. Beide Konzerne legen am Donnerstag neue Zahlen vor.
Wie stark die Tabakerhitzer in Deutschland zugelegt haben, wurde wegen einer methodischen Anpassung des Statistischen Bundesamts nicht erfasst. 2021 wuchs der Absatz von Pfeifentabak, wozu seinerzeit noch die Tabakerhitzer zählten, um über 70 Prozent, hauptsächlich getrieben durch die Erhitzer.
Das rasante Wachstum liegt auch daran, dass wieder mehr Deutsche rauchen – trotz aller Warnungen vor den gesundheitlichen Folgen. 34,5 Prozent tun das gerade regelmäßig. Das ist ein Viertel mehr als vor der Pandemie, zeigt die Langzeitstudie Debra. Bei den 14- bis 17-Jährigen hat sich die Raucherquote binnen eines Jahres beinahe verdoppelt, obwohl diese Altersgruppe keinen Tabak kaufen darf. Experten sagen, dass gerade jüngere Raucher nicht mehr zur Zigarette, sondern zu den Alternativen greifen.
Die Zigaretten-Alternativen kommen hierzulande bislang nur auf einen Marktanteil von drei Prozent. Philip Morris erzielt 30 Prozent seiner Umsätze damit, British American Tobacco nur zehn Prozent. Mit den Alternativen fuhr dieser in der ersten Hälfte 2022 Verluste von umgerechnet 222 Millionen Euro ein, konnte diese aber um 50 Prozent reduzieren. 2025 plant das Unternehmen in diesem Bereich profitabel zu sein. Philip Morris will bis dahin mehr Umsätze mit Alternativen als mit Zigaretten machen.
„Das Geschäft mit den Zigaretten-Alternativen beginnt langsam, lukrativ zu werden“, sagt EY-Berater Pensky. Mit dem margenstarken Verkauf der Zigarette können die Konzerne ihre milliardenschweren Investitionen in die Alternativen finanzieren. Diese gelten auf Dauer als ähnlich margenstark.
Philip Morris hat den Trend zu den Tabakerhitzern getrieben. Den Iqos brachte der Konzern 2014 auf den Markt. British American Tobacco legte 2016 mit Glo nach. Die Firma Imperial Brands verkauft neuerdings das Produkt Pulze, das in Deutschland noch nicht erhältlich ist.
Der britische Konzern setzte zunächst auf E-Zigaretten der Marke Blu. Solche Geräte enthalten flüssiges Nikotin, das verdampft und eingeatmet wird. Viele Hersteller haben beide Alternativen im Angebot. Laut Experten dürften sich aber die Tabakerhitzer langfristig durchsetzen.
In Deutschland beherrschen drei Konzerne 80 Prozent des Tabakmarkts: Branchenprimus mit über 35 Prozent Marktanteil ist Philip Morris. Gut ein Viertel entfällt auf Imperial Brands und Marken wie Gauloises oder West. British American Tobacco steht für ein Fünftel der Umsätze. Mit weitem Abstand folgt Japan Tobacco International (Winston, Camel).
Für die Industrie zählt Deutschland zu den wichtigsten Verkaufsregionen. Es gibt viele Konsumenten, die vor Packungspreisen von mittlerweile fast acht Euro nicht zurückschrecken, das Geschäft ist weniger stark durch Verbote reguliert als anderswo und der Schwarzmarkt vergleichsweise klein. „Deutschland ist für die Tabakhersteller ein A-Markt“, sagt Berater Pensky.
Zigarette
Die Nachfrage nach klassischen Zigaretten geht hierzulande zurück.
Der Standort Deutschland ist allerdings der große Verlierer. Waren zur Jahrtausendwende noch 12.000 Menschen in der Tabakindustrie beschäftigt, sind es jetzt nur noch halb so viele – hauptsächlich in Vertrieb und Vermarktung. „Die Unternehmen werden aus den Zentralen mit immer stärkerem Blick auf den Profit gesteuert“, sagt NGG-Tabakexperte Mansouri.
Philip Morris und British American Tobacco haben ihre Produktion in Billiglohnländer in Osteuropa verschoben. Dass auch deren verbleibende Fabrikhallen geschlossen werden, dürfte laut Branchenkennern nur noch eine Frage der Zeit sein. Allein das Familienunternehmen Reemtsma, das im Auftrag der britischen Konzernmutter Imperial Brands agiert, und Japan Tobacco International unterhalten hierzulande noch nennenswerte Fabriken.
Dass die Industrie weniger Beschäftigte braucht, liegt auch daran, dass Verbraucher weniger Zigaretten kaufen. Die Statistiker erklären den neuerlichen Rückgang auch mit der Erhöhung der Tabaksteuer zum Jahresbeginn 2022 – der ersten seit sieben Jahren.
Trotz der Preiserhöhungen sind die Absätze in der vergangenen Dekade vergleichsweise stabil geblieben, was auch der Lobby zu verdanken ist. Die konnte erreichen, dass die Steuer nicht wie früher schlagartig, sondern nur noch Jahr für Jahr um Cent-Beträge erhöht wird. Bis 2026 kommen weitere Anhebungen um je 15 Cent pro Packung dazu.
Diese Runden nutzt die Industrie auch, um eigene Preiserhöhungen durchzudrücken. Wegen des behutsamen Anstiegs fällt das vielen Kunden kaum auf. Auch für die Erhitzer wird seit Juli erstmals Tabaksteuer fällig. Sie beträgt nun 1,60 Euro und soll bis 2026 schrittweise auf 3,20 Euro pro Packung erhöht werden.
Der Staat verdient dabei kräftig mit: Mehr als 14 Milliarden Euro nahm er vergangenes Jahr durch die Tabaksteuer ein. Nach der Mineralölsteuer ist es die zweitwichtigste Verbrauchersteuer für den Bund. Das Geschäft mit der Sucht ist für viele lukrativ.
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