Die Reisebranche lockt mit Frühbucherrabatten und flexiblen Tarifen. Wer dagegen auf Schnäppchen in letzter Minute hofft, könnte leer ausgehen.
Urlauber am Strand
Schnäppchenjäger könnten dieses Jahr leer ausgehen, die Branche fährt die Zahl der Last-minute-Angebote deutlich zurück.
Bild: dpa
Frankfurt, Düsseldorf Deutschen Urlaubern, die sich in diesem Jahr auf Last-minute-Schnäppchen verlassen, droht voraussichtlich eine Enttäuschung. Grund hierfür ist ein neues Geschäftsmodell der Reiseveranstalter, das sich seit Corona zunehmend durchsetzt und Reisewillige zu einem frühen Besuch im Reisebüro animiert: Urlaubsbuchungen mit der sogenannten Flexoption.
„Kunden sollten nicht mehr so sehr auf Last-minute-Angebote setzen“, sagte Tui-Deutschlandchef Stefan Baumert dem Handelsblatt, „deren Zahl schrumpft.“
Jahrzehntelang hatten sich Deutschlands Reiseveranstalter hartnäckig geweigert, Urlaubskunden bis kurz vor Reiseantritt Stornierungen zu erlauben – bis die Coronapandemie alles veränderte. Um der touristischen Klientel die Furcht zu nehmen, im Krankheitsfall auf den Reisekosten sitzen zu bleiben, räumten Alltours, Tui und Co. – zunächst befristet und meist gegen einen geringen Aufschlag – die Möglichkeit einer kostenfreien Stornierung oder Umbuchung ein.
Ein Zurück scheint es nicht mehr zu geben. „Das ist in der Pandemie gekommen, um zu bleiben“, sagte Baumert. Der Hotelmarkt betreibe dieses Geschäftsmodell seit Langem als Standard. So sei es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis das flexible Stornierungsmodell auch Einzug in den Pauschalreisemarkt halten würde, meint der Tui-Deutschlandchef. „Die Pandemie hat das nur beschleunigt.“
Hinter der Einsicht steckt – bei aller postulierten Kundenfreundlichkeit – ein betriebswirtschaftliches Kalkül. „Je früher die Kundschaft bucht, desto eher fließen die Urlaubsanzahlungen in die Veranstalterkassen“, sagt Marija Linnhoff vom Verband unabhängiger selbstständiger Reisebüros (VUSR).
Das Geld können die meisten Reiseunternehmen dringend gebrauchen, denn nach bald drei Coronajahren werden bei vielen Veranstaltern die Geldreserven knapp. Zu alter Stärke ist die Branche längst noch nicht zurückgekehrt.
Nach Zahlen des Reisebürodienstleisters Tats war der Umsatz der Agenturen im Gesamtjahr 2022 noch immer 30 Prozent niedriger als vor Corona. Über das Jahr hinweg gesehen zeigte der Trend zwar nach oben, doch auch im Dezember 2022 fehlten noch fast 21 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat drei Jahre zuvor.
Für den Umstand, dass sich die Flexoptionen in der Branche etablieren, spricht zudem die bisherige Praxis. „Von 100 Flexbuchungen wurden im Schnitt gerade einmal zwei gekündigt“, berichtet Linnhoff aus den Reisebüros.
Entsprechend verzichtet heute so gut wie kein Veranstalter mehr auf die früher verhassten Stornierungsangebote. DER Touristik (ITS, Jahn Reisen, Meiers Weltreisen) erlaubt für einen Aufpreis von 59 Euro einen Reisestorno noch zwei Wochen vor Abflug. FTI berechnet für eine Stornooption vier Wochen vor Abreise zusätzliche 45 Euro, Tui verlangt für den Flextarif eine Extragebühr. Bei Alltours ist die Option bereits im Gesamtpreis inkludiert.
Dem Last-minute-Geschäft, das in den vergangenen Jahren bei Schnäppchenjägern besonders beliebt war, droht damit ein Ende. „Kein Reiseveranstalter wird so dumm sein, die mit Flexoption verkauften Urlaubsangebote kurz vor der Hauptsaison noch einmal rabattiert auf den Markt zu werfen“, erwartet Linnhoff. „Preisbewusste Kunden würden dann nämlich ihre Buchungen kostenfrei stornieren und anschließend bei den günstigeren Preisen zugreifen.“
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Dass für viele Urlauber die Hoffnungen auf einen Räumungsverkauf zum Saisonende enttäuscht werden, erwartet auch Tui-Deutschlandchef Baumert. „Alle Anbieter haben sich mittlerweile auf kurzfristigere Buchungen vorbereitet“, sagt er. „Sie werden nicht mehr so früh nervös, wenn die Auslastung noch etwas niedrig ist, und senken nicht mehr wie in der Vergangenheit früh die Preise.“
Daher lohne es sich, zeitig zu buchen, empfiehlt er. „Frühbucherrabatte werden oft nicht mehr durch Last-minute-Angebote getoppt.“ Hinzu kommt, dass sich für den kommenden Sommer möglicherweise Kapazitätsengpässe abzeichnen, die das Angebot an Restposten ohnehin verringern. Die Reisebüros berichten von großem Andrang – und das trotz der stark gestiegenen Lebenshaltungskosten.
„Ich bin zufrieden“, sagte Baumert von Tui mit Blick auf die aktuelle Buchungslage. Was er derzeit sehe, stimme ihn positiv. „Ich gehe davon aus, dass wir im Januar erstmals seit Beginn der Pandemie die höchsten Buchungseingänge des Jahres haben werden – so, wie es vor der Krise immer war.“
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Viele Veranstalter und Reisebüros gerieten seit März 2020 in eine existenzbedrohende Lage. Tui, FTI und der Pauschalreiseanbieter Berge & Meer Touristik mussten mithilfe des Staates vor dem Aus gerettet werden. Doch seit vergangenem Sommer läuft es wieder besser.
„Im Winter haben die Menschen mehr Geld für ihren Urlaub ausgegeben“, berichtet Baumert. Bislang beobachte man diesen Trend auch für die Sommerbuchungen. Die Menschen würden im Schnitt nicht kürzer verreisen, auch würden sie bisher keine niedrigeren Kategorien buchen.
„Der Sparwille bei der Urlaubsplanung folgt nicht der steigenden Inflation, er ist in der Tendenz sogar leicht rückläufig“, fand neulich das Beratungsunternehmen PwC bei einer Befragung von 1000 Verbrauchern im Alter von 18 bis 65 Jahren heraus. Ingo Bauer, der Leiter des Bereichs Transport, Logistik und Tourismus bei PwC Deutschland, zeigte sich über die Umfrageergebnisse erstaunt.
Die Auszeit sei für viele Bürger derart wichtig, erklärte er in einer Mitteilung, dass sie dafür Ausgaben an anderer Stelle einschränkten – etwa beim Kauf von Schmuck, Uhren oder Möbeln. Selbst bei Events und Konzerten wollten viele eher sparen als am Urlaub. Kommt es für die Branche nicht doch noch kurzfristig zu einem Rückschlag – etwa aufgrund des Ukrainekriegs –, ist deshalb schon jetzt für die Hauptsaison 2023 mit ausgebuchten Hotels und Urlaubsfliegern zu rechnen.
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Der Branchenverband BDL rechnet damit, dass im ersten Halbjahr nur 78 Prozent so viele Sitzplätze in Fliegern zur Verfügung stehen wie vor der Coronapandemie. Auch CDU-Tourismussprecherin Anja Karliczek mahnt bereits: „Angesichts des zu erwartenden hohen Reiseaufkommens in den diesjährigen Ferienzeiten muss sichergestellt werden, dass die Flughäfen in Deutschland nicht erneut wie im letzten Jahr zeitweise im Chaos versinken.“
Auf die Risiken des Ukrainekriegs und der Inflation reagieren Deutschlands Urlauber mit einer längst bekannten Buchungsstrategie: Um vor Ort nicht von weiteren Kosten überrascht zu werden, setzen viele auf Komplettangebote. „Aktuell sind mehr als die Hälfte der Buchungen All-inclusive-Angebote“, berichtet Tui-Manager Baumert. Vor allem in Ländern wie der Türkei oder Ägypten seien solche Komplettpakete sehr gefragt, aber auch die Buchungen in Tunesien entwickelten sich immer besser. „Die Menschen wollen Budgetsicherheit, bei all-inclusive sind eigentlich alle Nebenkosten vor Ort enthalten.“
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