Trotz des Erdbebens boomt die Türkei als Urlaubsziel. Touristiker hoffen, dass diese wichtige Einnahmequelle erhalten bleibt – auch wenn die Preise spürbar steigen.
Strand in Antalya
Die türkische Riviera ist ein beliebtes Urlaubsziel. Die Region ist nicht von dem verheerenden Erdbeben betroffen und gilt als sicher.
Bild: imago/ZUMA Press
Berlin, Istanbul Die Tage nach dem 6. Februar wird Max Kownatzki nicht so schnell vergessen. Der Chef der Ferienfluggesellschaft Sunexpress – ein Joint Venture von Lufthansa und Turkish Airlines – erlebte, wie das verheerende Erdbeben Hunderttausenden von Menschen in der Türkei das Leben oder die Existenz nahm.
Zwar habe es in der eigenen Belegschaft keine Opfer gegeben, aber 171 Angehörige seien gestorben, berichtete Kownatzki bei einer Paneldiskussion auf der Tourismusmesse ITB in Berlin. „Das hat mich alles persönlich erschüttert. Es war aber auch gut zu sehen, wie schnell geholfen wurde, wie groß die Solidarität ist.“
Rund 52.000 Menschen kamen bei dem verheerenden Beben in der Türkei und in Syrien nach letzten Angaben ums Leben. Sofort startete die Reisebranche Hilfsflüge. „Wir haben mit 424 Hilfsflügen mittlerweile 18.000 Menschen aus der Erdbebenregion im Südosten der Türkei evakuiert. Gleichzeitig haben wir 7500 Helfer in die Region gebracht“, erzählt Kownatzki.
Gleichzeitig schlossen sich Unternehmen wie Lufthansa Cargo, DPD, Fiege oder Sunexpress zusammen und starteten eine Luftbrücke. 220 Tonnen Hilfsgüter wurden bisher pro Woche in die Türkei geflogen. „Wir hatten die Luftbrücke zunächst für vier Wochen angesetzt, werden sie aber so lange aufrechterhalten, wie es nötig ist“, sagt der Sunexpress-Chef.
Deniz Ugur, CEO des Türkei-Reisespezialisten Bentour, ist begeistert über diese Hilfsbereitschaft. Dennoch fällt es dem Manager mit türkischen Wurzeln immer noch schwer, über das Beben zu reden. „Es ist eine Riesenkatastrophe.“
Auch Steffen Kassner, Manager bei Schauinsland-Reisen und der Sohn von Inhaber Gerald Kassner, ist nach wie vor tief erschüttert über das, was passierte. Das Beben habe eine regelrechte Schockwelle bei den Hotelpartnern ausgelöst, berichtet er: „Es kam alles zum Erliegen, viele Zimmer in den Hotels wurden ja von Menschen belegt, die alles verloren haben.“
Zur menschlichen Tragödie kam die Unsicherheit, wie es mit dem Urlaubsland Türkei weitergehen wird, einem der beliebtesten Reiseziele der Deutschen. Sunexpress verzeichnete in den ersten Tagen Buchungsrückgänge von bis zu 50 Prozent. Doch das drehte sich schnell wieder. „Drei Wochen nach dem Beben lagen wir bei den Buchungen schon wieder bei dem Niveau von 2019“, sagte Kownatzki.
Beim Reisekonzern Tui liefern sich die Türkei und Mallorca mittlerweile ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz eins bei den Mittelstreckenzielen. „In den ersten Tagen nach dem Beben war eine leichte Buchungszurückhaltung zu spüren, aber keine Stornierungswelle“, berichtet Tui-Deutschlandchef Stefan Baumert. Mittlerweile habe sich die Buchungslage aber wieder normalisiert.
Alleine Alltours erwartet in diesem Sommer 500.000 Türkeiurlauber – ein neuer Rekord. Das Angebot an Pauschalreisen wird ausgebaut. Auch Kassner von Schauinsland-Reisen berichtet von einer Normalisierung der Buchungssituation. Die ersten beiden Wochen nach dem Beben habe es eine klare Zurückhaltung bei den Buchungen gegeben“, bestätigt Ugur von Bentour. Aber seitdem beobachte er eine deutliche Erholung.
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Ein Grund für die anfängliche Zurückhaltung der Kunden mag gewesen sein, dass vielen nicht klar war, wo genau das Beben stattgefunden hat. „Wir müssen noch mehr aufklären. Antakya, eine der betroffenen Städte, ist nicht Antalya. Beide Städte trennt ein Buchstabe, aber eben auch eineinhalb Flugstunden“, sagte Sunexpress-Chef Kownatzki.
Die typischen Urlaubsregionen in der Türkei, beispielsweise an der türkischen Riviera, seien sicher. Die Ferienregion Antalya liegt nicht auf einer Verwerfungslinie, starke Erdbeben sind dort Experten zufolge unwahrscheinlich.
„Man kann trotz des Erdbebens ohne schlechtes Gewissen Urlaub in der Türkei machen. Es ist sogar richtig“, sagte Kownatzki: „Wenn dem Land jetzt mit dem Tourismus auch noch eine wichtige Einnahmequelle genommen würde, leiden die Menschen dort doppelt.“
„Ich gehe davon aus, dass die Türkei in den kommenden Monaten wieder stärker gebucht wird“, sagte Ugur. Das sei gut so: „Der Türke ist stolz, will sich selbst helfen.“
Deshalb sei es genau richtig, in der Türkei Urlaub zu machen und Geld in das Land zu bringen. „Es ist ein Akt der Solidarität. Kassner von Schauinsland-Reisen denkt darüber nach, genau diesen Aspekt der Solidarität bei der Vermarktung stärker zu betonen. Doch die Touristiker wissen, dass so etwas durchaus heikel ist.
Die Bürgerinnen und Bürger in der Türkei leiden unter einer hohen Inflation. Den günstigen Urlaub in der Türkei offen als Solidaritätsbeitrag für die Menschen in dem Land zu vermarkten, will also gut überlegt sein.
Zumal auch am Bosporus die Preise kontinuierlich steigen. Die Inflation schnellte im Herbst 2022 auf 85,5 Prozent hoch und liegt aktuell noch bei gut 55 Prozent. Für Urlauber war das selten ein Problem, weil in der Vergangenheit analog zur Inflation der Wechselkurs der Lira zu Euro, Pfund und US-Dollar sank.
Zusammengenommen blieben die Preise in harter Währung für Hotel, Flüge und Abendessen somit lange stabil oder sanken sogar. Inzwischen sieht es anders aus. Die türkische Zentralbank stützt mit Milliarden aus der Staatskasse den Wechselkurs. Dieser ist dadurch seit Monaten nur sehr leicht gefallen, doch die Inflation ist nach wie vor sehr hoch. In der Folge wird alles teurer in der Türkei – nicht nur in der Landeswährung Lira, auch in anderen Währungen.
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Zudem hat die Touristikbranche insgesamt an der Preisschraube gedreht. Bei Tui stiegen die Preise im Schnitt um sechs bis acht Prozent. Für viele Familien sind damit Trips zu bestimmten Zielen unerschwinglich geworden. Es gebe natürlich Familien mit einem schmalen Budget, so Tui-Manager Baumert. Die würden nach Schnäppchen suchen. „Das Thema Preisbewusstsein ist erkennbar.“
Die völlig zerstörte Stadt Antakya
Das andere Bild der Türkei: Die Stadt, deren Name an das Ferienziel Antalya erinnert, wurde vom Erdbeben schwer getroffen.
Bild: dpa
Gleichzeitig bleibt der Urlaub auf der Prioritätenliste vieler Menschen weit oben. „Der Wunsch, in Urlaub zu fahren, hat weiterhin einen hohen Stellenwert“, sagt Baumert von Tui. Davon könnte die geschundene Türkei in diesem Sommer profitieren. Denn in Summe bietet das Land immer noch ein sehr gutes Verhältnis von Preis und Leistung.
Sunexpress-Chef Kownatzki ist sich deshalb sicher: „Die Türkei hat sich bisher noch von jeder Krise sehr schnell erholt.“ Nachdem der Luftverkehr in der Pandemie weitgehend zum Erliegen gekommen war, habe die Kapazität von Sunexpress 2021 schon wieder bei 101 Prozent des Vorkrisenniveaus gelegen. „2022 lagen wir bei 120 Prozent, in diesem Jahr werden es wahrscheinlich 135 Prozent werden.“
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