PremiumCarsten Knobel erklärt auf der Hauptversammlung, warum der Konzern anders als andere Unternehmen vorerst weiter in Russland produziert. Damit überzeugt er viele Aktionäre nicht.
Carsten Knobel
„Wir treffen keine leichtfertigen Entscheidungen“, so der Henkel-Chef.
Bild: Henkel
Düsseldorf Ausgerechnet bei der Frage nach dem Russlandgeschäft hatte Carsten Knobel seine Unterlagen nicht richtig sortiert. Der Henkel-Chef schaltete sein Mikrofon aus, blickte zu Aufsichtsratschefin Simone Bagel-Trah, blätterte durch sein Manuskript. Dann kam die Antwort auf die eingereichte Frage einer Aktionärsschützerin: „Wir sind zutiefst erschüttert über die russische Invasion und den Krieg in der Ukraine.“ Und dann folgte eine ganze Reihe an Begründungen, warum der Persil-Hersteller als einer der wenigen deutschen Konzerne zunächst an seinen Aktivitäten in Russland festhält.
Die Szene bei der Hauptversammlung von Henkel, die am Montag coronabedingt digital stattfand, zeigt den großen öffentlichen Druck, der auf dem Konsumgüterkonzern und seinem Vorstandschef lastet. Während sich viele westliche Unternehmen unter teils großen Verlusten aus Russland zurückgezogen haben, will Henkel zunächst dort weiterproduzieren.
Die Düsseldorfer sind wie kaum ein anderer Dax-Konzern in Russland investiert: Henkel erzielt dort fünf Prozent seines Konzernumsatzes – rund eine Milliarde Euro. Die 2500 Beschäftigten in den elf russischen Werken produzierten hauptsächlich für den lokalen Markt, erklärte Knobel.
Henkel veräußert in Russland Produkte des täglichen Bedarfs wie Haushalts-, Körperpflege- und Hygieneprodukte, aber auch Anwendungen für Heimwerk und Bau, etwa Klebe-, Dicht- oder Dämmsysteme.
Das Festhalten am Russlandgeschäft begründete der 53-Jährige derweil so: „In Russland besteht die Gefahr, dass Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen von der Regierung in Zukunft enteignet werden könnten.“ In diesem Fall würden der russischen Regierung beträchtliche Vermögenswerte zufließen.
Fünf Prozent des konzernweiten Sachanlagevermögens von Henkel stehen in Russland. Eine Enteignung würde den Konzern wohl einen dreistelligen Millionenbetrag kosten. Zudem könnte das lokale Management bei einem Rückzug persönlich haftbar gemacht werden. „Wir treffen keine leichtfertigen Entscheidungen“, sagte Knobel.
Persil-Produktion bei Henkel
Henkel verkauft in Russland Produkte des täglichen Bedarfs wie Haushalts-, Körperpflege- und Hygieneprodukte.
Bild: Bloomberg/Getty Images
Schon am Freitag hatte Henkel-Chefaufseherin Bagel-Trah im Handelsblatt erklärt: „Die aktuelle Fortsetzung unserer Geschäfte in Russland ist keine Frage des Profits angesichts des schwachen Rubels und der Schwierigkeiten im Land.“ Henkel hat in Russland zumindest sein Neugeschäft gestoppt und schaltet keine Werbung mehr, an die Sanktionen würde man sich halten.
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Doch vielen Aktionären reicht das nicht mehr. Spätestens seit am Wochenende Bilder von mutmaßlichen russischen Gräueltaten in der Ukraine publik wurden, mischen sich zunehmend zweifelnde Worte in Knobels Ausführungen.
Dem Konzern droht auch ein Imageschaden, wie der Henkel-Chef einräumte. „Wir werden die Situation weiterhin sorgfältig beobachten und gegebenenfalls unsere Entscheidungen und Maßnahmen anpassen – mit Augenmaß, mit Mitgefühl und tiefer Sorge.“ Man sei in Gesprächen mit der Bundesregierung, Verbänden und anderen Unternehmen.
Für Knobel ist es wohl gerade die schwierigste Zeit als Vorstandschef von Henkel. Er folgte vor zwei Jahren auf Hans Van Bylen. Zuvor war Knobel siebeneinhalb Jahre Finanzchef, insgesamt arbeitet der gebürtige Hesse bereits seit 1995 bei Henkel.
Als wäre die aktuelle Russlandproblematik nicht genug, muss Knobel auch an vielen anderen Baustellen im Konzern arbeiten: Kurz nach Knobels Antritt als CEO brach die Pandemie aus, seither kämpft Henkel mit unterbrochenen Lieferketten und nie da gewesenen Steigerungen bei den Rohstoffkosten, die man zumindest teilweise weitergeben konnte.
Das Kosmetikgeschäft mit Marken wie Fa, Schauma oder Schwarzkopf schwächelt seit Jahren, die Profitabilität ist deutlich geringer als bei der Konkurrenz. Und gerade im wichtigen US-Markt stockt der Verkauf von Waschmitteln. Immerhin: Das für Henkel wichtige Geschäft mit Industrieklebern wächst.
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Doch insgesamt hat der Aktienkurs von Henkel deutlich eingebüßt: Derzeit notiert das Papier bei rund 60 Euro – nur noch halb so hoch wie 2017. „Wir wissen, dass das mehr als enttäuschend ist“, räumte Knobel ein. Der Manager versucht nun, den Konzern mit einem Umbau der Konsumgütersparten besser aufzustellen. Das kriselnde Kosmetikgeschäft will er mit dem besser laufenden Wasch- und Reinigungsmittelbereich und seinen bekannten Marken wie Persil und Pril zusammenlegen.
Von der so neu formierten Einheit „Consumer Brands“ verspricht sich Knobel etwa schnellere Entscheidungen, gezieltere Innovationen und mehr Wachstum. Zudem hofft der Manager auf Synergien. So müssten nicht mehr wie bislang Vertriebler aus beiden Firmenbereichen mit den gleichen Kunden verhandeln. Das bedeutet allerdings auch, dass Mitarbeiter entlassen werden. Details will Knobel bei der Vorlage der Quartalszahlen Anfang Mai bekannt geben.
Doch zunächst muss er das Russlandgeschäft regeln. Die finale Entscheidung dazu scheint in Düsseldorf noch nicht gefallen zu sein.
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