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12.12.2022

13:45

Veranstaltungsbranche

Inflation bremst Comeback der Business-Events

Von: Katrin Terpitz

Hohe Energiekosten und sparsame Unternehmen stellen die Branche nach der Pandemie auf eine Bewährungsprobe. Nicht jede Veranstaltung kehrt in Präsenz zurück.

Wirtschaftsbezogene Veranstaltungen kommen in Präsenz zurück. Die Teilnehmer haben nun aber höhere Ansprüche an Events, zu denen sie extra anreisen. dpa

Kongress in Oldenburg

Wirtschaftsbezogene Veranstaltungen kommen in Präsenz zurück. Die Teilnehmer haben nun aber höhere Ansprüche an Events, zu denen sie extra anreisen.

Düsseldorf Seit Mai sind die Auftragsbücher der Veranstalter von Business-Events wieder voll. „Die Wirtschaft ist erleichtert, dass endlich wieder Präsenzveranstaltungen möglich sind. Es gibt großen Nachholbedarf“, sagt Bernd Fritzges, Chef des Verbands der Veranstaltungsorganisatoren (VDVO).

Wegen der Pandemie konnten zwei Jahre lang nur wenige Messen, Kongresse und Events für Mitarbeiter und Kunden stattfinden. Doch nachdem sich die Veranstalter gerade von der Zwangspause erholt haben, kommt mit den hohen Preissteigerungen vor allem bei Energie die nächste Bewährungsprobe auf sie zu.

Die Branche blickt gespalten ins neue Jahr. 27 Prozent der Unternehmen und Agenturen planen mehr Veranstaltungen als im Vor-Corona-Jahr 2019. Allerdings wollen 36 Prozent weniger Events durchführen. Das zeigt eine Umfrage des VDVO unter knapp 500 Veranstaltungsplanern, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt.

„Die Sorge um bezahlbare Energie trübt den ersten Ausblick ins neue Jahr“, sagt Philip Harting, Vorsitzender des Messeverbands Auma. Hohe Energiekosten sehen die Veranstaltungsmanager insgesamt mit 44 Prozent als größte Herausforderung der Branche. Sie rangieren laut der Umfrage deutlich vor der Coronapolitik (29 Prozent) und Nachhaltigkeit (24 Prozent).

Weil Energiepreise steigen, sind Veranstaltungsplaner mit höheren Kosten für Location, Bewirtung und Reisen konfrontiert. Gleichzeit müssen in Krisenzeiten viele Unternehmen sparen. „Die Veranstaltungsbranche ist von einer Rezession immer als erste betroffen“, erklärt Fritzges vom VDVO. Marketingbudgets würden in wirtschaftlich angespannten Zeiten überdacht, berichtet auch Stefan Rummel, Co-Chef der Messe München.

Nicht alle Events kehren in Präsenz zurück

Knapp 130 Milliarden Euro im Jahr setzte die Veranstaltungswirtschaft mit 1,5 Millionen Beschäftigten nach Branchenangaben vor Corona um. Dabei werden fast 90 Prozent des Geschäfts mit wirtschaftsbezogenen Events wie Messen, Tagungen oder Kongressen gemacht.

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Längst nicht alle Veranstaltungen kehren dabei in Präsenz zurück. „Wir schauen genau, welche Formate vor Ort einen Mehrwert bringen“, sagt Frank Dräger vom Event-Management beim Pharma- und Agrarchemieriesen Bayer.

Solche Veranstaltungen würden heute mit wesentlich mehr Sorgfalt geplant als vor Corona. Etwa bei Fachkongressen gebe es weniger Teilnehmer, die aber anspruchsvoller seien. „Es reicht nicht mehr, dass eine Tagung in einer coolen Stadt oder Location stattfindet“, sagt Dräger. Die Teilnehmer erwarteten Interaktionen oder geführtes Networking, damit sich eine Anreise lohne.

Viele firmeninterne Veranstaltungen hingegen wie etwa internationale Projekttreffen blieben überwiegend im Online-Format, berichtet der Bayer-Manager. Das gelte auch für Kurztreffen mit Geschäftspartnern. „Hat man sich früher zu Halbtags- oder Tagesmeetings gerne mal am Flughafen oder in gut angebundenen Städten getroffen, finden diese heute nur noch virtuell statt“, sagt Dräger.

Die Pandemie habe jedoch auch gezeigt, dass reine Online-Events auf Dauer nicht funktionierten, sagt Henning Könicke, Vorstandschef des Fachverbands Messen und Ausstellungen (Fama): „Informeller und persönlicher Austausch ist elementar für den Erfolg geschäftlicher Veranstaltungen.“ Rein virtuelle Events rechneten sich zudem oft wirtschaftlich nicht für den Ausrichter.

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Auch Dräger hält persönliche Treffen für unerlässlich, um Vertrauen zu neuen Kunden aufzubauen – zumindest bei der ersten Begegnung. Der Kontakt mit neuen Kunden findet oft auf Messen statt.

„Die Messewirtschaft findet langsam wieder ihren Rhythmus“, sagt Auma-Chef Philip Harting. „Zwei Jahre Messeverbot lasten noch schwer auf der Branche, an der 230.000 Jobs hängen.“ Nach vorläufigen Zahlen werden in diesem Jahr 280 Messen in Deutschland stattgefunden haben, 130 wurden abgesagt.

Hoher volkswirtschaftlicher Schaden durch Messeausfall

Der gesamtwirtschaftliche Schaden für Deutschland durch pandemiebedingte Verbote, Verschiebungen und Streichungen von Messen beläuft sich auf mehr als 56 Milliarden Euro sowie neun Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen, hat der Auma auf Basis einer Ifo-Studie berechnet. 2022 dürften 65 Prozent der Messebesucher und 70 Prozent der Aussteller nach Schätzung des Verbands wieder zurückgekehrt sein. Teilnehmer aus China und Russland fehlen weitgehend.

„Die Pandemie hat zuerst die Bedeutung von Messen infrage gestellt, spätestens Mitte 2021 war aber klar, dass komplexe und innovative Themen diese Plattform brauchen“, sagt Reinhard Pfeiffer, Co-Chef der Messe München.

Nach vorläufigen Zahlen werden in diesem Jahr 280 Messen in Deutschland stattgefunden haben, 130 wurden abgesagt. IMAGO/Manfred Segerer

Sportartikelmesse Ispo in München

Nach vorläufigen Zahlen werden in diesem Jahr 280 Messen in Deutschland stattgefunden haben, 130 wurden abgesagt.

2023 sind in Deutschland mindestens 340 Messen geplant. Allerdings sind die Stände inzwischen oft kleiner. „Das schont die Budgets und spart Material ein“, sagt Bayer-Eventplaner Dräger. Auf Messen würden Aussteller ohnehin Kunden nicht mehr mit pompösen Ständen locken können, sondern über wertbringende Inhalte, interessante Experten-Talks und Interaktionen.

Unternehmen schicken weiter ihre Entscheider zu den Branchentreffs. Die durchschnittliche Besucherzahl pro Firma aus dem deutschsprachigen Raum habe jedoch abgenommen, beobachtet die Messe München. „Nicht-Entscheider, die eine Messe aus reinem Interesse besuchen, schalten sich vermehrt digital zu“, berichtet der Fama-Vorsitzende Könicke.

Firmen setzen auf kürzere Events mit weniger Leuten

Ein weiterer Trend, der Budget spart: Geschäftliche Events laufen oft kürzer als vor der Pandemie. „Der Anteil mehrtägiger Veranstaltungen ist rückläufig. Das senkt die Reise- und Übernachtungskosten“, so Fritzges. „Wir hinterfragen viel häufiger als zuvor, ob ein Teilnehmer für eine Veranstaltung um die halbe Welt reisen muss“, bestätigt auch Dräger von Bayer. „Das ist auch eine Frage der Nachhaltigkeit und der Kosten.“

Heute müsse ein Veranstalter auch keinen Top-Speaker mehr aus den USA einfliegen, betont Verbandschef Fritzges. Experten per Video zu einem Kongress zuzuschalten spare Geld, Zeit und klimaschädliche Emissionen. So einige Unternehmen schöben allerdings ökologische Argumente vor, um aus wirtschaftlichen Gründen zu sparen.

„Tendenziell geben wir weniger aus für Veranstaltungen“, sagt auch Dräger von Bayer. Rein virtuelle Events kosteten deutlich weniger als solche in Präsenz. „Gute Hybridevents dagegen sind mit hohem Aufwand und Ausgaben verbunden.“

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