Große Ambitionen bei Zalando: In den nächsten drei Jahren soll sich der Umsatz auf rund neun Milliarden Euro verdoppeln. Für das neue Wachstum investiert das Unternehmen kräftig in Big Data und künstliche Intelligenz.
Zalando
Maßgeschneidertes Shoppen.
Bild: picture alliance / NurPhoto
Berlin, Düsseldorf Nicht schon wieder diese Turnschuhe! Wer viel online shoppt, kennt das Problem: Die Bestellung ist noch gar nicht ausgepackt, da wird einem das gleiche Produkt im Netz schon wieder zum Kauf empfohlen. Von wegen schlaue neue Internetwelt. Ein guter Verkäufer im Laden wüsste: Nach dem Kauf von coolen Sneakers braucht der Mann von Welt dringend noch die passende Jeans. Und ein Jahr später, wenn die Schuhe abgetreten sind, kann er vielleicht das Folgemodell anbieten.
Für Zalando, nach Amazon und Otto der drittgrößte Onlinehändler des Landes, ist die Frage, wie man dem Kunden ein maßgeschneidertes Angebot macht, einer der Schlüssel für künftiges Wachstum. Allein 600 Leute sind bei dem Berliner Unternehmen inzwischen mit der Personalisierung und ihrer Grundlage, der künstlichen Intelligenz, befasst. Intern ist von einem zweistelligen Millionenbetrag die Rede, der in das Vorhaben fließt.
Und die Pläne gehen weit über simples Empfehlungsmanagement hinaus. In 18 Monaten, das ist die Zukunftsvision laut Vorstandsmitglied Rubin Ritter, sollen alle 22 Millionen Zalando-Kunden jeweils ihren ganz eigenen Shop vorfinden, wenn sie die App öffnen oder auf die Website gehen.
Sportlich Interessierte sollen mit der passenden Bildsprache inspiriert werden, schwangere Frauen nicht erst das komplette Navigationsmenü über Damen-, Herren- und Kindermode nach unten scrollen müssen, bevor sie bei den Sondergrößen angelangt sind. Statt anonymer Models sollen immer häufiger sogenannte Influencer, bekannt über Blogs oder Instagram, einen Kleidungsstil präsentieren und dabei den Eindruck einer authentischen Ansprache erwecken. Vor allem aber sollen sie helfen, eine Auswahl zu treffen unter den über 300.000 Artikeln, die Zalando pro Saison auf die Plattform bringt.
Experten geben Ritter recht: „Es ist extrem unwahrscheinlich, dass wir in Zukunft noch Applikationen nutzen werden, die uns Millionen von Möglichkeiten eröffnen“, sagt etwa Alexander Graf, Gründer der Softwarefirma Spryker, der früher unter anderem den Zalando-Konkurrenten Otto in Sachen Digitalisierung beraten hat. „Personalisierung ist einer der Megatrends im Modehandel“, sagt auch Alexander Inderst, Analyst bei der Investmentbank Macquarie. Er sieht Zalando bei dem Thema „sehr gut positioniert“. „Zalando ist eigentlich kein Modehändler. Zalando ist ein Tech-Unternehmen, das Mode verkauft“, bilanziert Inderst.
Von insgesamt 14.000 Mitarbeitern sind bei den Berlinern bereits 1.900 mit Tech-Themen beschäftigt. Die Mehrheit davon sitzt in der deutschen Hauptstadt. Zudem hat Zalando sogenannte Hubs in Helsinki, Dublin und jüngst in Lissabon eröffnet, um den besten Talenten etwas bieten zu können. Experten, etwa für das Boomthema künstliche Intelligenz, sind derzeit in fast jeder Branche heiß begehrt. Sie sollen dabei helfen, aus den Datenmengen, die Unternehmen inzwischen online erfassen, logische Schlussfolgerungen zu ziehen.
Die Kunden sollen dabei nicht nur passiv ausgeleuchtet werden, sondern bestenfalls auch aktiv mitmachen, indem sie Fragen beantworten wie: „Sie suchen etwas für eine Party? Darf es noch etwas mehr Glitzer sein?“ Mit dem Kunden in den Dialog treten nennt das Zalando-Co-Chef Ritter. Auf der Website wird dieser Dialog wohl vorerst nur per getipptem Chat stattfinden, in der App soll auch über Sprachanwendungen kommuniziert werden.
Die Konsumenten sollen auch Einblick nehmen dürfen in die Daten, die Zalando über sie gesammelt hat – und ihre Meinung dazu äußern. Vielleicht gefällt der Kundin der Look, auf den sie vor zwei Jahren noch so verrückt war, schon längst nicht mehr. Vielleicht shoppt ihre Mutter gelegentlich über ihren Account, weshalb Zalando ihr auf einmal so uncoole Blusen empfiehlt.
Zalando-Geschäftsführer Rubin Ritter spricht im Interview über die Wachstumspläne des Onlinemodehändlers, Big Data im Fashiongeschäft und die Frage, wie man als Firma erwachsen wird – und zugleich jung bleibt.
Gefüttert werden die Algorithmen aber nicht nur mit dem, was die Kunden wollen, sondern auch mit dem, was die Experten empfehlen. Über seinen Styling-Service Zalon etwa beschäftigt Zalando 600 Stylisten, die wissen, was angesagt ist, und von Hand für den Kunden die Kleidung auswählen, die ihrer Meinung nach zu ihm passt. Der Erfolg der sogenannten Curated-Shopping-Angebote, zu denen in Deutschland auch Outfittery oder Modomoto gehören, zeigt, welchen Anklang personalisierte Services bei den Kunden finden. Der US-Anbieter Stitch Fix, 2011 als Shoppingassistent und Klamotten-Aboservice für viel beschäftigte Hipster aus dem Silicon Valley gestartet, kam im vergangenen Jahr bereits auf einen Umsatz von 730 Millionen Dollar.
Natürlich haben auch die anderen Großen das Trendthema erkannt. Nicht nur Zalando, der gesamte Modemarkt verfolgt derzeit mit Spannung, wie der US-Gigant Amazon sein Modegeschäft vorantreibt: „Amazon investiert Riesensummen in sein Modegeschäft, um seinen Kunden künftig maßgeschneiderte Angebote zu machen“, sagt Beate Hölters von der Unternehmensberatung Tailorit in Düsseldorf. Die Amerikaner testen zurzeit vieles, um ihre Kunden noch gezielter mit personalisierten Angeboten zu bedienen. Dazu gehört der neue Service „Echo Look“, mit dem Amazon in die Kleiderschränke seiner Kunden schauen möchte.
Nach Wall-Street-Einschätzungen dürfte Amazon seinen Modeumsatz in diesem Jahr um rund 30 Prozent auf nahezu 25 Milliarden US-Dollar steigern. Zalando will in diesem Jahr auf 4,5 Milliarden Euro Umsatz kommen.
Auch die Otto Group will in dem Geschäft für personalisierten Einkauf mitmischen. Dabei setzt der Hamburger Versender vor allem auf sein Start-up About you. Das Unternehmen ist so etwas wie die Stilkritik in Modezeitschriften. Prominente tragen bei About you Outfits, die sich die Kunden dann bestellen können. Diese Influencer geben so quasi einen Einblick in ihren – vermeintlichen – Kleiderschrank. Das Konzept des Start-ups ist eine Mischung aus Modemagazin mit Bestellmöglichkeit und personalisierten Inhalten, die auf den speziellen Interessen basieren, die ein Kunde dort angibt.
Noch ist der Umsatz vergleichsweise klein. Im Geschäftsjahr 2016/17 (Ende Februar) lag er bei 135 Millionen Euro. Aber in Hamburg glaubt man, dass sich das Geschäft bis zum Jahr 2022 auf eine Milliarde Euro steigern lässt. Um dieses Wachstum zu finanzieren, plant die Otto Group zusammen mit Goldman Sachs die nächste Finanzierungsrunde.
Konkurrenz für Zalando kommt auch vom britischen Online-Modehändler Asos. Der konnte seinen Umsatz im vergangenen Jahr um 27 Prozent auf umgerechnet 2,2 Milliarden Euro steigern. Weil auch das 1999 gegründete Unternehmen seine Kunden gut kennt, ist es erfolgreich mit seiner Eigenmarke, die nach Angaben von Asos bereits rund 40 Prozent des Umsatzes ausmachen.
Asos versucht nicht nur mithilfe von Algorithmen, jedem Kunden immer genauer das anzubieten, was ihm gefällt. Die Briten haben sich auch einen neuen Service ausgedacht, damit die Käufer schneller zum Ziel kommen. Wenn jemand irgendwo ein bestimmtes T-Shirt oder eine Jacke entdeckt, kann er ein Foto davon mit dem sogenannten „Visual Search Tool“ hochladen. Der neue digitale Service zeigt dann schnell ähnliche T-Shirts und Jacken im Asos-Shop an. So wollen die Briten erreichen, dass die Kunden ihre Lieblingsteile, die sie zum Beispiel in sozialen Netzwerken entdecken, schneller finden können.
Berater Alexander Graf sieht Ottos About you technisch derzeit vorne in Sachen Personalisierung. Die Hamburger, die sich von Beginn an auf den Handel über mobile Geräte spezialisiert hätten, könnten besser als Zalando erkennen, wenn ein und derselbe Nutzer von der App auf die Website wechselt. Dass Amazon, obgleich stark unterwegs beim Thema künstliche Intelligenz, in puncto Modeexpertise mit den Spezialisten mithalten kann, glaubt er hingegen nicht. Auch Analyst Alexander Inderst sieht in Amazon zwar „einen ernst zu nehmenden Konkurrenten“, jedoch eher für Anbieter von Billigmode oder Basics wie schlichten T-Shirts. „Zalando hat die höhere Modekompetenz.“
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