Viele Firmen sprühen nur so vor Ideen, wie sie die Corona-Folgen mithilfe von Robotern erträglicher machen können. Zwei mutmachende Beispiele aus Japan.
Hisashi Taniguchi
Der Gründer von ZMP mit seinem Patrouillenroboter ‚PatoRo‘.
Bild: ZMP
Tokio Im Hauptquartier von ZMP, einem japanischen Entwickler von Robotern und Robotertaxis, hat Pino bis heute einen festen Platz: ein süßes Wesen mit einer langen Nase wie sein Namensgeber, die Märchenpuppe Pinocchio. Den Roboter stellte Firmengründer Hisashi Taniguchi vor 20 Jahren der Welt vor – er wurde zu einer kleinen Kulturikone.
Die japanische Pop-Queen Hikaru Utada komponierte damals mit „Can you keep a secret“ eine musikalische Liebeserklärung an das Wesen. Das Lied war in ganz Asien ein Hit, das Video mit Pino wurde auf Youtube mehr als 15 Millionen Mal angeklickt.
Nun entschuldigt sich Taniguchi für das heutige Erscheinungsbild des ehemaligen Stars. „Das weiße Plastik ist durch das UV-Licht etwas vergilbt“, sagt er in seinem Büro in Tokio. Denn Pino steht seitdem auf einem Podestplatz – wie viele andere humanoide Roboter wurde er nicht erneuert. „Die Zeit für Partnerroboter wie Pino ist noch nicht reif“, sagt er.
Trotz aller Fortschritte in der Entwicklung Künstlicher Intelligenz würden sich Menschen schnell mit Robotern langweilen. „Vorerst wird der Schwerpunkt auf praktischen Robotern liegen.“ Deren Zeit ist schon längst gekommen.
In allen Logistikzentren oder Fabrikhallen der Welt erledigen Roboter wichtige Arbeiten, sie transportieren Material, schweißen Nähte oder heben Gewichte. Mit dem Ausbruch von Covid-19 erleben sie jetzt ganz neue Anwendungen – vor allem in Japan, kaum ein anderes Land ist so vernarrt in Roboter.
Serie: Hoffnungsträger
In dieser Serie stellen wir Menschen vor, die uns Mut und Hoffnung machen. Deren Ideen und Konzepte über die Pandemie hinausgehen. Männer und Frauen, die die Krise als Chance begreifen – und damit eine Branche oder die ganze Gesellschaft nach vorn bringen können. Alle Beiträge unter: www.handelsblatt.com/hoffnungstraeger
„Kurze Zeit nach dem Ausbruch der Coronavirus-Epidemie im chinesischen Wuhan erhielten wir von dort Anfragen für den Kauf unsers Zustellroboters „DeLiRo“, erinnert sich Taniguchi. Da wurde ihm die Rolle klar, die Roboter in der Krise spielen konnten.
Und rasch rüstete er seine Roboterfamilie zu Corona-Helfern auf. Seinem Patrouillenroboter ‚PatoRo‘ verpasste er eine Düse, mit der das Gerät Geländer und Oberflächen in U-Bahnen, Krankenhäusern und anderen Gebäuden mit Desinfektionsmittel besprühen kann.
Eine andere Variante: Die selbstfahrende Palette „CarriRo Ad plus“ teilt in Quarantäne-Hotels, in denen leichte Covid-19-Fälle sich auskurieren, Essenspakete aus. Auch für den rollenden Robotersessel ‚RakuRo‘ fand sich eine Corona-Idee: Telepräsenz. Kinder können sich beispielsweise in das Maschinenwesen einklicken und es durch einen realen Zoo zu ihren Lieblingstieren steuern.
Japans größte Fluggesellschaft ANA setzt ebenfalls auf die Idee. Mitten in der Pandemie startete sie nach jahrelanger Vorbereitung den Dienst Avatar-in. In ihrem Büro demonstrieren die beiden Gründer Akira Fukabori und Kevin Kajitani das Vorhaben. Chief Operating Officer Kajitani redet von „Plattformen“ und „neuer Mobilitätsinfrastruktur“, aber im Kern geht es nur um eine Sache: es Menschen zu ermöglichen, an einem anderen Ort präsent zu sein – ohne den Fuß vor die Tür zu setzen. Beispielsweise weil man in Quarantäne ist.
In Zukunft soll Avatar-in mit allen Robotern funktionieren, die mit der Plattform kompatibel sind. Derzeit geht es mit dem fernbedienbaren Roboter Newme, den das Team entwickelt hat. Dabei handelt es sich um ein 150 Zentimeter großes, dürres rollendes Wesen mit einem Display anstelle eines Kopfes.
Auf dem wird das Gesicht des Menschen gezeigt, der sich über das Internet einloggt. „Die Körperlichkeit schafft dabei eine Ebene, die Videokonferenzen nicht vermitteln“, sagt Fukabori, der offiziell der Firmenchef ist.
Wie ein typischer Einsatz für einen Newme aussehen soll, zeigte ANA einmal der Wirtschaftszeitung "Nikkei Asian Review": In der japanischen Provinz Oita unterhält sich eine Tochter mit ihren Eltern.
ZMP Gründer Taniguchi
„Die Zeit ist noch nicht reif für Partnerroboter."
Bild: ZMP
Dabei befindet sie sich aber nicht selbst vor Ort, sondern lenkt einen Newme-Roboter durch die Wohnung ihrer Eltern und spricht dabei durch den Bildschirm mit ihnen. Sie persönlich befindet sich im fast 800 Kilometer entfernten Tokio vor ihrem Computer.
Menschen sprechen ganz natürlich mit dem Wesen, berichten die ehemaligen Flugzeugexperten. Kinder umarmen das Wesen sogar. Der Roboter ist daher extra für Körperkontakt designt: Sein dünnes Rückgrat ist mit Schaumstoff gepolstert.
Mit der Coronavirus-Pandemie hat sich der Fokus des Teams etwas verschoben. Die Roboter sollen nun zuerst in Krankenhäusern zum Einsatz kommen, um eine menschlichere Kommunikation zwischen isolierten Covid-19-Patienten und deren Angehörigen zu ermöglichen.
Ein anderer Roboter zeigt, dass die beiden Start-up-Gründer hochfliegende Pläne haben. Avatar-in hat gerade eben ein Produkt zur Internationalen Weltraumstation geschickt, wo es Menschen am Boden eine digital-reale Weltraumerfahrung vermitteln kann.
Von Robotern war ZMP-Gründer Taniguchi schon immer fasziniert. Das Geschäftsmodell von seiner Firma veränderte er während der Weltfinanzkrise 2008. Damals hatten die Geldgeber nichts übrig für Visionen mit beschränktem Nutzwert. Er schaute sich daher nach neuen Möglichkeiten um.
Auf die Idee mit dem Robotertaxi kam er bei einem Besuch in seiner Heimat, einem Vorort der Stadt Himeji. Dort gab es kein Taxi. „Dann fand ich heraus, dass viele kleine Taxiunternehmen geschlossen hatten, die Fahrer in Rente gegangen waren“, erinnert Taniguchi sich. „Deshalb beschloss ich, ein selbstfahrendes Taxi zu entwickeln.“
Er kaufte sich einen Minivan von Toyota und baute dort seine Technik ein. 2016 fuhr das Robot-Taxi dann auf einem G7-Gipfel die Staats- und Regierungschefs spazieren. Dieses Jahr begannen nun in Kooperation mit japanischen Taxikonzernen Fahrtests im belebten Verkehr der Hauptstadt Tokio. Die Erfahrungen und die Technologie setzt er jetzt in seinen Logistikrobotern um.
Im Erdgeschoss des siebengeschossigen Bürogebäudes in der Nähe der renommierten Tokio-Universität, das ZMP fast vollständig belegt, werden derzeit Modelle zusammengeschraubt. Um die Kosten niedrig zu halten, baut Taniguchi sie allesamt auf einer Plattform.
Der Gepäckkasten eines gelben Transportroboters liegt dabei abgedeckt in der Ecke der Werkstatt. Das Gefährt werde für ein Projekt mit einem deutschen Unternehmen entwickelt, mit einigen technologischen Weltneuheiten, verrät Taniguchi nur. Seine anderen Modelle will er vor allem verleasen.
Seine eigentliche Vision hat sich allerdings bei aller Nutzwertstrategie nicht geändert. „Ich möchte Roboter bauen, die niedlich und beliebt sind, die lange Zeit benutzt werden können und gleichzeitig nützlich für die Menschen sind“, sagt Taniguchi.
Vielen seiner praktischen Roboter von heute hat er daher ein Gesicht gegeben – mit großen Kulleraugen. Die seien für Roboter wichtig, die sich unter Menschen bewegten, erklärt Taniguchi. Denn Menschen müssten wissen, dass der Roboter sie auch sieht.
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