PremiumDer Autozulieferer ist derzeit robust unterwegs. Auch die beiden Werke in der Ukraine laufen im Normalbetrieb.
Werk von Leoni in der West-Ukraine
Der Autozulieferer hat zwei Werke in der Ukraine. Die Produktion musste wegen des Kriegs zeitweise unterbrochen werden.
Bild: imago images/Ukrinform
München Aldo Kamper hat bei Leoni schon einiges mitgemacht. Der Ex-Chef der Chipsparte von Osram war vor vier Jahren als Wachstumsspezialist geholt worden, um die Geschäfte des Autozulieferers stark auszubauen. Doch war der neue CEO schnell als Sanierer gefragt: Leoni hatte sich bei der Expansion übernommen, der Anlauf eines Werks in Mexiko geriet zum Desaster. Zu Beginn der Corona-Pandemie musste das Unternehmen als eines der ersten gar Staatshilfe beantragen.
Kaum hatte sich das angeschlagene Unternehmen mit Hilfe der Banken wieder etwas berappelt, ging der Ukrainekrieg los. Leoni hat zwei Werke in dem Land. Die Kabelbaum-Produktion ruhte in den ersten Kriegswochen, was dazu führte, dass auch Kunden wie BMW und VW ihre Produktion anhalten mussten.
Umso mehr freut sich Kamper nun über ein kleines Stück Normalität: Vor kurzem habe man die Mitarbeiter in den ukrainischen Werken in die regulären Werksferien geschickt. Ansonsten aber liefen die beiden Produktionsstätten derzeit im Normalbetrieb. „Alle Kundenabrufe werden bedient.“ Zwei Drittel der Beschäftigten seien Frauen, von den Männern seien derzeit nur wenige zum Kriegsdienst eingezogen. „Was sie seit Monaten leisten, ist und bleibt bewundernswert.“
Auch wirtschaftlich läuft Leoni derzeit stabil. Das Unternehmen sei auf dem Weg der nachhaltigen Gesundung im zweiten Quartal gut vorangekommen“, so Kamper. Der Umsatz im Kerngeschäft mit Bordnetzsystemen stieg um acht Prozent auf 879 Millionen Euro. Das operative Ergebnis (Ebit) vor Sondereffekten der fortgeführten Geschäftsbereiche lag mit 14 Millionen in etwa auf dem Vorjahresniveau. Die Gespräche mit den Kunden über eine „Kompensation der Kostensteigerungen bei Rohmaterialien“ seien erfolgreich weitergeführt worden, sagte Kamper.
Auch andere Autozulieferer hatten sich in den vergangenen Monaten trotz der globalen Krisen vergleichsweise robust gehalten. So steigerte Continental die Umsätze im zweiten Quartal stärker als erwartet um 13 Prozent auf 9,4 Milliarden Euro. ZF rechnet im Gesamtjahr mit einem Rekordumsatz von mehr als 40 Milliarden Euro.
In der Branche hatte es zuletzt Warnungen vor einer Pleitewelle gegeben. „Die Schwarzmalerei in der Zuliefererindustrie ist nicht berechtigt“, sagte Frank Göller von der Managementberatung Horváth, die zahlreiche Unternehmen in Deutschland und Europa berät. Die Unternehmen konnten ihre gestiegenen Kosten zumindest teilweise an die Autobauer weiterreichen.
Bei Leoni sind die Geschäftszahlen derzeit aufgrund von Portfolioveränderungen teilweise nur schwer vergleichbar. Der Konzernumsatz der fortgeführten Geschäftsbereiche ohne die verkaufte Kabelsparte sank im zweiten Quartal um neun Prozent auf 933 Millionen Euro. In den Vorjahreszahlen ist aber noch unter anderem die Industriesparte Industrial Solutions enthalten, die Anfang des Jahres ebenfalls verkauft wurde.
Unter dem Strich schrieb Leoni im ersten Halbjahr eine schwarze Null. Ohne den Verkauf von Geschäftsbereichen wäre das Konzernergebnis noch negativ gewesen.
Der Chip-Experte Kamper war zu Leoni geholt worden, um die Strukturen des Unternehmens mit einem frischen Blick von außen zu hinterfragen. Der Manager hatte in Maastricht und Trier Betriebswirtschaft studiert und seinen MBA in Stanford gemacht. 1994 startete er seine Karriere bei Osram als Controller und wechselte fünf Jahre später zur Chipsparte. Nach einem Gastspiel in den USA übernahm er 2010 die Führung von OS Semiconductors.
Nach seinem Amtsantritt bei Leoni fand der umgängliche Niederländer ein ganz anderes Unternehmen vor als erwartet. „Es gibt vieles, was uns als Management überrascht hat“, sagte er. Die Transparenz bei Leoni sei „nicht besonders gut“.
Doch inzwischen steht der Konzern auch dank des Restrukturierungsprogramms „Value 21“ derzeit zumindest wesentlich stabiler da als zu Beginn der Coronapandemie. Anfang Juli gab es eine grundsätzliche Einigung mit den Konsortialbanken auf einen Refinanzierungsplan zur Verlängerung bestehender Finanzierungsinstrumente bis Ende 2025.
Die Einigung sieht unter anderem vor, dass Nettoerlöse von bis zu 442 Millionen Euro aus dem Verkauf der Kabelsparte zum Schuldenabbau verwendet werden. Die Konsortialbanken können zudem einen Teil ihrer Darlehen in Eigenkapitalinstrumente umwandeln. Ende des Jahres ist auch eine Kapitalerhöhung geplant.
Die Leoni-Aktionäre haben mit dem Unternehmen schwierige Zeiten durchgemacht. Derzeit liegt der Kurs unter acht Euro. Anfang 2018 waren es noch über 60 Euro.
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