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16.09.2018

19:55

Andreas Tilp

Dieser Anwalt kämpft im VW-Prozess für die Rechte der Anleger

Von: Gertrud Hussla, Laura de la Motte

Anwalt Andreas Tilp repräsentiert Schadensersatzforderungen in Höhe von 5,3 Milliarden Euro gegen VW. Das Verfahren ist auch sein persönlicher Triumph.

VW-Prozess: Schlagabtausch der Anwälte AFP

Rechtsanwalt Andreas Tilp in Braunschweig

„Es ist unstreitig, dass Volkswagen in den USA kriminelles Vergehen zugegeben hat.“

Düsseldorf, Frankfurt Die knallroten Schuhe, die Andreas Tilp gerne mal zu wichtigen Terminen trägt, hat er für Braunschweig ausnahmsweise nicht geschnürt. Der große Auftritt in der Stadthalle ist ihm aber auch so sicher. Fernsehteams filmen die Kisten voller Akten, die er dabei hat, Dutzende Journalisten wollen von ihm wissen: Wie stehen die Chancen der Aktionäre, nach dem Dieselskandal von VW richtig viel Geld zurückzubekommen?

Prozessbeginn im Mammutverfahren der Kapitalanleger gegen VW. Der Auftakt ist jetzt eine Woche her, am heutigen Montag wird voraussichtlich der letzte Termin in diesem Jahr sein. Erst 2019 soll es dann weitergehen. Der Prozess vor dem Oberlandesgericht Braunschweig, er ist ein persönlicher Triumph für den auf solche Verfahren spezialisierten Anwalt Tilp: Er führt die Klage im bislang größten Kapitalanleger-Musterverfahren in Deutschland. Sein Mandant, die Deka Investment der Sparkassen, wurde vom Gericht zum Musterkläger benannt.

Fünf Anwälte aus Tilps Kanzlei sind mit im Team. Der Presse antwortet er routiniert, in breitem Schwäbisch: „Wir sind sehr zuversichtlich, dass es Geld für die Anleger gibt“, sagt der 55-Jährige nach den ersten Verhandlungsrunden. Wobei es eher wie „Gäld“ und „Anläger“ klingt. 

Noch selten habe er einen Senat erlebt, der sich so rasch verhältnismäßig günstig für seine Mandanten positionierte, fährt er fort. Der Inhalt der Klage: VW habe über Jahre seine Berichtspflichten verletzt und Aktionäre über Abgasmanipulationen im Dunkeln gelassen. Im guten Glauben hätten sie in VW-Aktien investiert – und hohe Kursverluste hinnehmen müssen.

Richter Christian Jäde hat bereits signalisiert, dass Aktienkäufe ab Juli 2012 relevant sind. Tilp würde zwar auch bis zu Investments ab 2008 zurückgehen. Damals wurden erstmals Abgaseinrichtungen manipuliert. Aber 2012 sei auch nicht schlecht.

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Im Fall von massenhaften Schadensfällen stößt die deutsche Justiz an ihre Grenzen. Der Prozess gegen Volkswagen dürfte sich über Jahre hinziehen.

Gut zwei Drittel des Gesamtschadens von zehn Milliarden Euro seien erst in den letzten drei Jahren vor Bekanntwerden des Skandals entstanden. Ein weiterer Vorteil für die Anleger: Für alles, was ab 2014 geschah, trage VW die Beweispflicht. Behauptungen, Ex-Chef Martin Winterkorn und weitere Verantwortliche hätten nichts von den Manipulationen gewusst, müsse der Konzern ab diesem Zeitpunkt selbst belegen. Tilp ist eine imposante Person, nicht nur wegen der Statur.

Er ist eloquent, bestens vorbereitet. Für VW hat er eigens eine deutsche Juristin mit jahrelanger Berufserfahrung in den USA engagiert. Sie wertet seit Monaten unzählige US Dokumente zu VW aus. „Ich will mich dabei nicht auf unsere US-Partnerkanzleien verlassen, sondern wollte jemanden, der auch das deutsche Recht kennt“, erklärt Tilp.

Das VW-Verfahren sieht er als Nagelprobe für das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG). Die Einführung und eine Reform des Gesetzes hat Tilp entscheidend mit vorangetrieben. Er nahm mehrfach als Sachverständiger bei Anhörungen im Deutschen Bundestag teil, ist Dozent bei der Deutschen Anwaltakademie. „Tilp ist ein Trendsetter mit genialen Zügen“, sagt Konkurrent Wolfgang Schirp aus Berlin, allerdings sei der kollektive Rechtsschutz in Deutschland auch heute noch stark verbesserungswürdig.

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Schon im Jahr 2007 vertrat Tilp den Musterkläger im Verfahren gegen die Deutsche Telekom. Auch damals gab es einen gewaltigen Medienrummel, es ging allerdings „nur“ um 100 Millionen Euro. Danach errang Tilp einen Sieg gegen die Hypo Real Estate wegen Bilanzmanipulationen. Da ging es schon um 320 Millionen Euro. 

Geld ist allerdings bislang noch nirgends geflossen. Einige Details sind immer noch anhängig, die Verfahren dauern. Bei VW repräsentiert Tilp allein Schadensersatzforderungen in Höhe von 5,3 Milliarden Euro. Das Verfahren kommt allen 3500 Aktionären zugute, die sich der Klage über Tilp oder auch einen anderen Anwalt angeschlossen haben. Ihre Klagen ruhen, bis der Fall entschieden ist. Das Urteil ist dann für gleich gelagerte Fälle bindend.

Mehrere Millionen Euro dürften Tilps Kanzlei mit dem Verfahren zufließen. Als Student hat er einmal bei einem Spekulationsgeschäft 400.000 D-Mark verloren und dann wieder von der Bank zurückgeholt. Es gebe ihm einen besonderen Ansporn, „gegen die Mächtigen vorzugehen“, sagt er. 

Und das immer von seiner Kanzlei in Kirchentellinsfurt bei Tübingen aus. In Tübingen hat er studiert, seine Frau kennt er, seit er 15 ist, sein Wohnhaus ist nicht weit von der Kanzlei entfernt. Das erdet, findet er. „Die besten Ideen kommen ja manchmal, wenn man einfach nur mal in die heimischen Bäume schaut.“ 

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