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16.12.2022

16:25

Außerordentliche Hauptversammlung

„Wir wollen eine führende Rolle spielen“ – VW-Chef Blume verspricht mehr Tempo bei Elektro-Strategie

Von: Stefan Menzel

Gut 100 Tage nach Amtsantritt sieht der neue Vorstandschef den Konzern stabilisiert. Beim Aktionärstreffen gibt es aber auch kritische Stimmen zur Konstellation in der Chefetage.

Vorstandschef Oliver Blume, VW-Aufsichtsrat Wolfgang Porsche und Volkswagen-Chefkontrolleur Hans Dieter Pötsch (v.l.) auf dem Podium in Berlin. dpa

Außerordentliche Hauptversammlung bei Volkswagen

Vorstandschef Oliver Blume, VW-Aufsichtsrat Wolfgang Porsche und Volkswagen-Chefkontrolleur Hans Dieter Pötsch (v.l.) auf dem Podium in Berlin.

Berlin Trotz jüngster Rückschläge verspricht Volkswagen-Chef Oliver Blume seinen Aktionären eine beschleunigte Umsetzung der Elektrostrategie. „Unser Ziel ist es, auch in der Welt der E-Mobilität eine führende Rolle im Markt zu spielen“, sagte Blume am Freitag in Berlin auf einer außerordentlichen Hauptversammlung des Autoherstellers. Ein erfolgreiches Elektrogeschäft sei in den kommenden drei Jahren einer der „wesentlichen Werttreiber“ für Volkswagen.

Das Aktionärstreffen am Freitag musste einberufen werden, um die Ausschüttung einer Sonderdividende aus dem Porsche-Börsengang Ende September an alle Volkswagen-Anteilseigner zu beschließen. Ein Gesamtbetrag von 9,55 Milliarden Euro wird an die Aktionäre verteilt: Pro Aktie werden 19,06 Euro ausgezahlt.

Die Familien Porsche und Piëch, die die Stimmrechtsmehrheit an Europas größtem Autokonzern halten, können dabei mit drei Milliarden Euro rechnen, die sie umgehend in weitere Stammaktien der Porsche AG stecken wollen. Die Anteilseigner stimmten der Sonderdividende am Freitag erwartungsgemäß mit mehr als 99 Prozent zu. Die weiteren Großaktionäre Niedersachsen und die Staatsholding aus Katar hatten im Vorfeld ebenfalls ihre Unterstützung signalisiert.

VW-Chef Blume zeigt sich beim Thema China optimistisch

Nach seinem Amtsantritt Anfang September hat Blume einen Neubeginn bei dem Autoriesen versucht. In den ersten Wochen musste er die zuvor unter seinem Vorgänger Herbert Diess fehlgeschlagene Softwarestrategie korrigieren. Außerdem hat Volkswagen in China entscheidend an Marktanteilen verloren. Die neuen Elektroautos verkaufen sich dort schlechter als erwartet.

Blume verbreitete auf dem Aktionärstreffen neuen Optimismus, speziell für China. „In diesem Jahr werden wir die Auslieferungen von E-Fahrzeugen dort voraussichtlich verdoppeln“, sagte der VW-Chef. Bei Elektromodellen war die Konkurrenz für die Wolfsburger zuletzt deutlich gewachsen. Volkswagen sieht sich nicht nur dem US-Hersteller Tesla ausgesetzt, sondern muss auch neue chinesische Wettbewerber wie BYD, Nio und Xpeng fürchten.

Aus Sicht von Blume ist in den vergangenen Monaten unter seiner Führung eine Stabilisierung des Konzerns gelungen. Bei Volkswagen herrsche inzwischen ein „neuer Managementstil, basierend auf Leistung, Teamgeist und Umsetzung“, sagte er. Sein Vorgänger Herbert Diess hatte sich laut Konzernkreisen am Ende immer stärker isoliert und war zu den eigenen Mitarbeitern auf Distanz gegangen. Blume ist es in seinen ersten Monaten gelungen, auch das Verhältnis zum Konzernbetriebsrat zu befrieden.

Blume will VW stärker auf die Kapitalmärkte ausrichten

Als Vorstandsvorsitzender will der 54-Jährige. zudem für eine bessere regionale Gleichverteilung der Konzerngeschäfte sorgen. „Wir arbeiten weiter an einer global ausgewogenen Präsenz – in Europa, China und einem starken dritten Standbein Nordamerika“, sagte er am Freitag. Das sei das Ergebnis der jüngsten „geopolitischen Entwicklungen“.

Volkswagen will sich vor allem von China unabhängiger machen, wo der Konzern bislang etwa 40 Prozent seiner Fahrzeuge verkauft. Mit dem Ausbau des Nordamerikageschäfts will Blume in den kommenden Jahren einen Ausgleich schaffen.

Der VW-Chef versprach seinen Aktionären eine stärkere Kapitalmarktausrichtung des gesamten Konzerns. Als Vorbild diene der erfolgreiche Börsengang von Porsche. Für die anderen Konzernmarken wiederholte Blume deshalb seine Ankündigung von Anfang Oktober, dass alle Bereiche des Konzerns „virtuelle Börsenpläne“ durchlaufen sollten. Das sind Testläufe für alle Marken, mit denen mögliche Börsengänge geprüft werden.

Die Aktionäre sollen die Auszahlung der Sonderdividende aus dem Porsche-Börsengang beschließen. dpa

Volkswagen-Chef Oliver Blume (links hinten) auf der Hauptversammlung in Berlin:

Die Aktionäre sollen die Auszahlung der Sonderdividende aus dem Porsche-Börsengang beschließen.

„Wir steuern unsere Marken und Plattformen über verbindliche Kennzahlen – und fördern gleichzeitig Unternehmertum und nachhaltige Wertschaffung“, betonte Blume. Damit soll die Marktkapitalisierung des VW-Konzerns dauerhaft gesteigert werden. Konkrete Ergebnisse wird Blume voraussichtlich im April auf einem Kapitalmarkttag präsentieren.

Volkswagen leidet seit Jahren unter seiner niedrigen Börsenbewertung, die am Freitag auch wiederholt von Aktionärsvertretern kritisiert wurde. Der Autobauer liegt aktuell bei einer Marktkapitalisierung von knapp 80 Milliarden Euro. Die viel kleinere Konzerntochter Porsche schafft derzeit gut zehn Milliarden Euro mehr. Der Börsengang des Sportwagenherstellers gilt als größter IPO in Europa in diesem Jahr.

Volkswagen will vorerst an den Besitzverhältnissen bei Porsche keine Änderungen mehr vornehmen. „Wir haben nicht die Absicht, weitere Porsche-Anteile zu veräußern“, sagte VW-Finanzvorstand Arno Antlitz. Ende September hatte sich der Wolfsburger Autohersteller von 25 Prozent der Porsche-Aktien getrennt und damit knapp 20 Milliarden Euro eingenommen.

Ungefähr die Hälfte davon geht als Sonderdividende an die Aktionäre, der Rest bleibt im Konzern. Volkswagen will mit seinem Anteil die Transformation hin zu Elektromobilität und Digitalisierung finanzieren. „Batterien und Software werden zum entscheidenden Differenzierungsmerkmal in der Autobranche“, sagte Antlitz.

Kritik an Doppelrolle bei Volkswagen und bei Porsche

Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investments, kritisierte am Freitag allerdings den Börsengang. „Für die VW-Aktionäre war der Börsengang der Porsche AG ein Flopp. Werte wurden vernichtet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis der VW-Aktie hat sich von sechs zum Börsengang auf gegenwärtig 4,2 verringert“, sagte Speich.

Kritik gab es auch an der Doppelrolle von Blume als Vorstandschef von Volkswagen und von Porsche. „Nach vier Monaten kann ich sagen: Es funktioniert“, entgegnete Blume. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger warnte hingegen vor Interessenkonflikten. Blume könne nicht zwei Vollzeitjobs bei zwei börsennotierten Unternehmen bewältigen.

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