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22.06.2022

16:00

Autobauer

Aus für deutsches Autowerk: Ford gibt Autoproduktion in Saarlouis auf

Von: Stefan Menzel

Im Saarland produziert der US-Konzern nur noch drei Jahre lang Autos, danach ist Schluss. Valencia hat sich im internen Wettbewerb durchgesetzt.

Ford-Werke Saarlouis © 2019 Bloomberg Finance LP

Ford-Werke in Saarlouis

In drei Jahren will der US-Konzern Ford dort die Autoproduktion einstellen.

Düsseldorf Ford wird die Autoproduktion in seinem Werk in Saarlouis in drei Jahren einstellen. Das bestätigte die Europatochter des US-Autokonzerns am Mittwoch. Im Ford-internen Wettbewerb um die künftige Fertigung von Elektroautos hat die Fabrik im Saarland gegen das spanische Valencia verloren. Saarlouis wird das aktuelle Modell Focus noch etwa bis Mitte 2025 produzieren.

„Valencia bietet vor allem aus finanzieller Sicht bessere Zukunftsperspektiven“, begründete Ford-Europachef Stuart Rowley im Gespräch mit dem Handelsblatt die Entscheidung. Bei den Materialkosten und der Zulieferbasis habe das Autowerk in Spanien besser abgeschnitten. Das gelte genauso für das Lohnniveau, das in Valencia niedriger sei als in Saarlouis.

Ford wird absehbar nur noch an zwei europäischen Standorten Pkw produzieren, die dann ausschließlich elektrisch angetrieben werden. Köln hatte bereits im Frühjahr die Zusage für zwei Elektromodelle bekommen. Am deutschen Ford-Stammsitz beginnt die Fertigung rein batterieelektrischer Fahrzeuge im nächsten Jahr.

Ford-Werke in Saarlouis unterlagen im Standort-Wettbewerb

Der amerikanische Autokonzern hatte sich lange Zeit die Entscheidung offengelassen, ob Valencia oder Saarlouis zweiter europäischer Elektrostandort wird. Beide Ford-Fabriken mussten bis Ende Januar ihre internen Bewerbungsunterlagen in der Europazentrale in Köln einreichen.

Europachef Rowley betonte, dass der Auswahl von Valencia ein mehrmonatiger Entscheidungsprozess vorausgegangen sei. Bei technischen und bei strategischen Auswahlkriterien seien beide Ford-Standorte mehr oder minder gleichrangig gewesen. Die Vorteile in finanzieller Hinsicht hätten dann am Ende den Ausschlag für die spanische Fabrik gegeben.

Stuart Rowley

Ford-Europachef Stuart Rowley

„Valencia bietet vor allem aus finanzieller Sicht bessere Zukunftsperspektiven.“

„Wir haben uns verpflichtet, im Rahmen unseres Ford-Plus-Plans ein dynamisches und nachhaltiges Geschäft in Europa aufzubauen. Dies erfordert Konzentration und harte Entscheidungen“, sagte Jim Farley, Präsident und CEO des Ford-Konzerns, zur Auswahl von Valencia.

Sowohl die Landesregierung in Saarbrücken als auch die Regierung der Provinz Valencia hatten den Entscheidungsprozess von Ford während der vergangenen Monate massiv zu beeinflussen versucht. Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) war auch zu Gesprächen in die Ford-Zentrale in Dearborn bei Detroit gereist. Deutschland und Spanien hatten Förderpakete in dreistelliger Millionenhöhe geschnürt.

Ford-Betriebsrat will Entscheidung gegen Saarlouis nicht akzeptieren

Der deutsche Ford-Betriebsrat kündigt schon seinen Widerstand gegen die Entscheidung des eigenen Managements an. „Wir werden alle Möglichkeiten sondieren, um diese Entscheidung gegen Saarlouis noch umzubiegen“, sagte Benjamin Gruschka, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats Ford Deutschland.

Die Arbeitnehmerseite warf der Führung von Ford Europa Betrug vor. In dem internen Wettbewerb zwischen Saarlouis und Valencia habe das deutsche Werk tatsächlich besser abgeschnitten. „Das Topmanagement versuchte aber von Anfang an, die Berechnungen zugunsten von Valencia durch diverse Tricks zu optimieren und damit die wirtschaftliche Realität zu negieren“, so der Vorwurf der deutschen Betriebsräte. Auch Ministerpräsidentin Rehlinger sprach von einem zweifelhaften Bieterverfahren. Europachef Rowley widersprach den Vorwürfen. Es sei ein „fairer Auswahlprozess“ gewesen.

Mit dem angekündigten Ende der Autoproduktion bei Ford geht dem Saarland einer der wichtigsten Arbeitgeber verloren. Etwa 4600 Menschen arbeiten aktuell noch in der Fahrzeugfabrik des amerikanischen Autokonzerns. In einem Zulieferpark in unmittelbarer Nähe der Ford-Fabrik sind weitere 1300 Menschen tätig, deren Jobs ebenfalls in einigen Jahren verschwinden dürften. Das Ford-Werk in Valencia hat rund 6000 Beschäftigte.

Ford-Werke Saarlouis Imago

Ford-Werk in Saarlouis

Der Autobauer wird absehbar nur noch an zwei europäischen Standorten Pkw produzieren, die dann ausschließlich elektrisch angetrieben werden.

Der Fahrzeugsektor ist mit mehr als 40.000 Arbeitsplätzen der größte Industriezweig im Saarland. Nicht nur Ford muss den Wandel zum reinen Elektroanbieter bewältigen. Der Zulieferkonzern ZF betreibt in Saarbrücken eines seiner größten Getriebewerke mit rund 9000 Mitarbeitern. Ohne Verbrennungsmotoren werden diese Getriebe auf absehbare Zeit nicht mehr gebraucht. ZF will deshalb künftig auf Elektrokomponenten umstellen.

Im Vorfeld seiner Entscheidung hatte der US-Autokonzern Ford immer wieder darauf hingewiesen, dass mit dem Wechsel zum Elektroantrieb weniger Beschäftigte und weniger Standorte in Europa gebraucht würden.

Auch wenn Valencia jetzt den Zuschlag für eine Elektrofertigung bekommen habe, könne der aktuelle Beschäftigtenstand dort nicht gehalten werden, so Stuart Rowley. „Es gibt noch keine Entscheidung dazu, wie und was wir jetzt in Valencia investieren werden“, betonte der Ford-Europachef. Mit der Produktion des Mittelklasse-SUV Kuga ist die Fabrik voraussichtlich noch bis 2029 über klassische Verbrenner ausgelastet.

Zukunft von Ford in Saarlouis ist ungewiss

Ford galt anfangs eher als Nachzügler in Sachen Elektromobilität. Inzwischen hat der US-Konzern seine strategische Ausrichtung jedoch komplett gedreht und gehört heute zu den strengsten Verfechtern eines klaren Elektrokurses. Von 2030 an will die Europatochter des US-Autokonzerns ausschließlich rein batterieelektrische Pkw verkaufen.

Fünf Jahre später soll es auch bei den leichten Nutzfahrzeugen (Kleinbusse, Transporter) keine Modelle mehr mit Verbrennungsmotor geben. Schon 2026 will Ford in Europa jährlich etwa 600.000 vollelektrische Fahrzeuge verkaufen, zwei Drittel des gesamten Absatzes. Im vergangenen Jahr waren es nur knapp 25.000.

Grafik

Mit der Entscheidung für Valencia beginnt in Saarlouis nun eine mehrjährige Phase der Unsicherheit. Aus Ford-Sicht ist damit nicht automatisch die komplette Aufgabe des deutschen Standorts verbunden. „Es geht darum, eine Zukunft für das Werk in Saarlouis zu schaffen“, hieß es in Unternehmenskreisen. Stuart Rowley machte keine detaillierten Angaben dazu, was nach dem Ende der Autoproduktion auf dem Werksgelände in Saarlouis passieren soll.

Ford könne sich eine weitere Nutzung in Eigenregie oder auch mit einem Partner vorstellen, sagte er. Ein Stellenabbau wäre auf Saarlouis auch bei der Auswahl zum Elektrostandort zugekommen. Ford wolle die kommenden drei Jahre bis zum Ende der Focus-Produktion dazu nutzen, ein Zukunftskonzept für den Standort zu entwickeln. Im Saarland war immer wieder darüber spekuliert worden, in der Ford-Fabrik anstelle von Autos Elektrokomponenten wie etwa Batterien zu produzieren. Auf den Standort Saarlouis komme jetzt auf jeden Fall ein „signifikanter Jobabbau“ zu.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) forderte den US-Autokonzern dazu auf, ein klares Nutzungskonzept für die Fabrik im Saarland vorzulegen. „Ich erwarte von Ford, gemeinsam mit dem Betriebsrat zeitnah konkrete Pläne für die Zukunft des Werks in Saarlouis und seine Beschäftigten auf den Tisch zu legen“, sagte der Minister. Ford stehe als Eigentümer in einer besonderen Verpflichtung.

Strenger Sanierungskurs bei Ford Europa

Die Beschäftigten von Ford Europa haben bereits einen strengen Sanierungskurs hinter sich. Rund 12.000 Arbeitsplätze sind an den europäischen Standorten des US-Konzerns seit 2019 gestrichen worden, knapp die Hälfte davon in Deutschland. Ford verspricht sich davon, dass die gesamten jährlichen Kosten um etwa eine Milliarde Dollar gesenkt werden können. Ford habe damit in Europa eine „neue Basis der Robustheit“ geschaffen, verlautete in Köln dazu. In den Jahren zuvor waren bei der europäischen Ford-Tochter Verluste in Milliardenhöhe aufgelaufen.

Mit der Reduktion der Produktionsstandorte will Ford Europa auf Dauer deutlich bessere Renditen erwirtschaften und nicht mehr länger Verlustträger innerhalb des eigenen Konzerns sein. Dazu gehört eine spürbare Verkleinerung der Modellpalette. Klassische Pkw wird es kaum noch oder möglicherweise überhaupt nicht mehr geben. Ford Europa setzt stattdessen überwiegend auf SUV-Konzepte, deren Renditen grundsätzlich höher als bei gewöhnlichen Limousinen sind.

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