Elektroautos könnten teurer als Verbrenner werden, fürchtet der Batteriespezialist ACC. Grund sind die hohen Preise für Lithium, Nickel und Kobalt.
Teure Rohstoffe treiben Elektropreise
Ladestopp für ein Elektroauto von Mercedes: Lithium und Nickel sind deutlich teurer geworden. Das könnte den Elektroboom ins Stocken geraten lassen.
Bild: dpa
München, Zürich Für Yann Vincent, Chef der Automotive Cells Company (ACC), ist die Sache ganz einfach. Ende der Dekade werden mehr als zwei Drittel der Neuwagen in Europa vollelektrisch fahren. Das sei eine „rechnerische Konsequenz der CO2-Regulierung“, sagte der Manager des von Mercedes-Benz und Stellantis unterstützten Batteriezellherstellers dem Handelsblatt. „Aber 70 Prozent wovon? Wie groß wird der europäische Automarkt dann sein?“
Die Antwort auf diese Frage hängt stark davon ab, wie sich die Preise für Batterierohstoffe entwickeln. Denn bis zu 80 Prozent der Kosten des Energiespeichers – des Herzstücks eines jeden Elektroautos – entfallen auf Metalle wie Lithium, Nickel oder Kobalt. Und deren Notierungen haben sich allein binnen eines Jahres teils mehr als verdoppelt.
„Es liegt auf der Hand, dass es eine Bedrohung für den Hochlauf der Elektromobilität darstellt, wenn die Preise für Rohstoffe wie Lithium oder Nickel auf dem aktuellen Niveau bleiben. Denn sie treiben die Kosten für Elektroautos in die Höhe“, warnt Vincent. Stromfahrzeuge seien nach wie vor deutlich teurer als Diesel und Benziner. „Diese Lücke könnte sich vergrößern. Das wäre nicht gut.“
Vincent ist überzeugt, dass die Preise für Batterierohstoffe erst dann sinken werden, wenn weitere Minen mit der Förderung starten. „Aber bis diese neuen Abbauprojekte für Nickel und Lithium final umgesetzt sind, vergeht viel Zeit. Das sollte 2025 oder 2026 der Fall sein.“ Hat der Manager recht, werden Elektroautos noch über Jahre hinweg teuer bleiben. Schließlich steht die Batterie für rund 40 Prozent der Kosten des gesamten Fahrzeugs.
Um ein Abwürgen des Booms von Elektroautos zu verhindern, sei nicht zuletzt der „gesellschaftliche Wille“ entscheidend, den Klimawandel zu bekämpfen, bekundet Stefan Bergold, Europachef des chinesischen Batteriespezialisten Farasis. Auch er betont, wie wichtig dabei der Ausbau des „Mining und Refining“ von Lithium und Nickel ist.
„Nur durch eine signifikante Erhöhung von privaten und staatlichen Investitionen wird es zukünftig möglich sein, genügend Rohstoffe zu marktüblichen Preisen zur Verfügung zu stellen und Lieferengpässe zu minimieren“, erklärte Bergold dem Handelsblatt.
Der Trend eines stetigen Preisverfalls bei Elektroautobatterien ist 2022 jedenfalls infolge von Rekordnotierungen für Lithium und Nickel ins Stocken geraten. Im weltweiten Durchschnitt kostete Lithiumkarbonat in Batteriequalität im März nach Daten des Branchendienstes Benchmark Minerals rund 60.000 Dollar pro Tonne. Gegenüber dem Durchschnitt von Ende 2021 hat sich der Preis mehr als verdoppelt.
Besserung sei kurzfristig kaum in Sicht, sagt George Miller, Analyst bei Benchmark Minerals. Auch er erwartet, dass erst ab 2024 oder 2025 im größeren Umfang neue Metallmengen auf den Markt kommen. Bis dahin rechnet der Branchenkenner mit einer „deutlichen Knappheit“ am Lithiummarkt.
Der Preis für Nickel schoss im März kurzzeitig sogar auf über 100.000 Dollar pro Tonne. Seither haben sich die Notierungen zwar wieder normalisiert und bei rund 33.000 Dollar pro Tonne eingependelt. Die Analysten der Schweizer Investmentbank UBS erwarten allerdings, dass sich der Preis auf diesem im historischen Vergleich immer noch sehr hohen Niveau halten wird.
Die International Nickel Study Group (INSG) geht zwar davon aus, dass das Nickelangebot dieses Jahr um knapp zwölf Prozent auf drei Millionen Tonnen steigen wird und der Nickelmarkt in diesem Jahr überversorgt sein könnte. Allerdings gehört das Nickelangebot zu den größten Unsicherheitsfaktoren am Markt.
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Ein wichtiger Grund dafür ist, dass der Markt für Nickel traditionell zweigeteilt ist: Der Großteil des Angebotswachstums der vergangenen Jahre ging auf sogenanntes Klasse-II-Nickel zurück, das vor allem für die Produktion von Edelstahl eingesetzt wird. Für die Herstellung des für Batterien benötigten Vorprodukts Nickelsulfat ist es nicht geeignet.
Dieses wird bislang überwiegend aus Klasse-I-Nickel gewonnen. Das Analysehaus Roskill erwartet jedoch, dass das Angebot von Klasse-I-Nickel bis 2040 im Schnitt nur um 0,8 Prozent pro Jahr wachsen wird. Das zusätzliche Nickelangebot wäre daher vorerst keine Entlastung für die angespannte Versorgungslage bei Nickelsulfat.
Ende vergangenen Jahres hat der chinesische Produzent Tsingshan Holding angekündigt, aus Klasse-II-Nickel gewonnenes Material in sogenannte Nickelmatte umzuwandeln, die wiederum als Grundstoff für Nickelsulfat eingesetzt werden kann. In der Branche wird dieser Prozess als „Gamechanger“ angesehen, der Knappheiten bei Nickelsulfat beheben könnte.
Noch sei jedoch unklar, ob Autobauer außerhalb Chinas Nickel aus Quellen mit geringerer Reinheit in ihrer Lieferketten akzeptieren, warnen die Analysten von S&P Global Platts. Batteriehersteller wie ACC halten sich daher aktuell mit dem Ausbau ihrer Aktivitäten zurück.
Das Unternehmen hat zwar erst kürzlich angekündigt, im italienischen Termoli eine dritte Fabrik in Europa zu bauen, nach den Werken in Kaiserslautern und Douvrin. Aber an der geplanten Gesamtkapazität von 120 Gigawattstunden bis 2030 hat sich dadurch nichts geändert. „Wir sind sehr vorsichtig bei weiteren Investitionen. Zumal der Automarkt auch schrumpfen könnte“, erklärt ACC-Chef Vincent. „Wir können uns nicht sicher sein, wie sich die Infrastruktur und die Kosten von Elektroautos entwickeln werden.“
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