Die Auto-Cloud will Hersteller und Zulieferer enger vernetzen. Neben BMW, Mercedes und SAP tritt nun auch VW dem Projekt bei. Damit dürfte „Catena-X“ bald zum Standard werden.
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„Catena-X“ soll einen standardisierten Austausch von Daten über die Lieferketten ermöglichen.
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München, Düsseldorf Das Bemühen der deutschen Autoindustrie, eine eigene Cloud aufzubauen, wird immer konkreter. Nach BMW, SAP und Daimler erklärte an diesem Montag auch Volkswagen, dem Projekt „Catena-X“ beizutreten. Die im vergangenen Dezember gegründete Allianz will einen unternehmensübergreifenden Datenaustausch ermöglichen und Hersteller eng mit Zulieferern vernetzen. Erste Anwendungen sollen noch in diesem Jahr starten.
„Catena-X“ soll einen standardisierten Austausch von Daten über die Lieferketten ermöglichen. Die Industrie will ihr Qualitätsmanagement verbessern, die Logistik optimieren und insbesondere dafür sorgen, dass die Nachhaltigkeitsziele erfüllt werden – dafür ist mehr Transparenz notwendig.
Daimler, Volkswagen und BMW haben sich Ziele für die Reduzierung von Kohlendioxidemissionen gesetzt und wollen den Ressourcenverbrauch generell senken. Dafür nehmen sie die Zulieferer in die Pflicht.
Neben den Autoherstellern sind bereits Bosch, ZF Friedrichshafen sowie Henkel und Schaeffler der Allianz beigetreten. Auch die Deutsche Telekom ist als Partner an Bord. Gefördert wird das Projekt von der Bundesregierung im Rahmen des „Gaia-X“-Programms, das europäische Cloud-Strukturen aufbauen will.
„Catena-X“ soll deutschland- und europaweit einen Industriestandard schaffen, erklärten BMW-Chef Oliver Zipse und SAP-Chef Christian Klein bei der Gründung im Dezember. Neben den Schwergewichten der Branche sollen insbesondere auch klein- und mittelständische Unternehmen eingebunden werden, um die Wertschöpfungsketten lückenlos nachverfolgen zu können.
Mit dem Beitritt von Volkswagen erfährt das Projekt eine enorme Aufwertung. Die Wolfsburger mit ihren zwölf Marken produzieren viermal so viele Autos wie die BMW Group und sind in Europa mit Abstand der wichtigste Kunde der Zulieferindustrie. Damit dürfte „Catena-X“ sehr schnell zum Standard in der Autoindustrie werden.
Für SAP ist das wachsende Netzwerk die Bestätigung seiner Strategie: Der Softwarehersteller will künftig verstärkt in Spezialanwendungen für einzelne Branchen investieren. Das Vorhaben läuft in Walldorf unter dem Schlagwort „Industry Cloud“. Die Autoindustrie spielt dabei eine wichtige Rolle, auch weil die meisten Hersteller und Zulieferer Kunden sind.
Auch für die Politik wäre ein Erfolg von „Catena-X“ wichtig: Es handelt sich um eines der Vorzeigeprojekte für die digitale Infrastruktur Gaia-X. Diese soll europäischen Unternehmen mehr digitale Souveränität verschaffen, beispielsweise durch Standards für den Datenaustausch und die Interoperabilität zwischen verschiedenen Cloud-Diensten.
Das Interesse ist groß: Mehr als 200 Unternehmen wollen sich an der Initiative beteiligen. Allerdings dauert die Entwicklung von Standards und Architektur an. Konkrete Produkte nach den Ideen von Gaia-X gibt es bislang nur vereinzelt. Sie dürften nach Einschätzung von Experten erst über die nächsten Monate publik werden. Projekte wie Catena-X dürften für den Erfolg der Initiative entscheidend sein.
SAP-Finanzchef Luka Mucic fordert ein hohes Tempo bei der Umsetzung: „Wir müssen in verschiedenen Industrien die großen Unternehmen zusammenbekommen, um so schnell wie möglich auf der Basis von Gaia-X Anwendungen zu entwickeln.“ Catena-X sei aus seiner Sicht der bislang „mächtigste Anwendungsfall“, sagte der Manager dem Handelsblatt. Der Softwarehersteller hat sich von Beginn an stark bei Gaia-X engagiert.
Der Grund für die Entstehung von Gaia-X sind geopolitische und wettbewerbspolitische Erwägungen: Die Bundesregierung und die EU beobachten mit Sorge die Dominanz der US-Cloud-Anbieter in der europäischen Industrie. Immer mehr Unternehmen nutzen die Dienste von Amazon Web Services, Microsoft und Google, die in der Branche wegen ihrer Größe als „Hyperscaler“ bezeichnet werden.
Auch die deutschen Autohersteller zählen zu den Kunden. So hat BMW 2019 eine umfassende Partnerschaft mit Microsoft geschlossen, um auf Basis der Microsoft-Plattform „Azure“ eine „Open Manufacturing Platform“ zu schaffen. Die OMP soll die gesamte Produktionsstruktur von BMW erfassen und optimieren. Das Projekt soll beispielsweise dafür sorgen, dass autonom arbeitende Roboter besser aufeinander abgestimmt funktionieren. Ausgehend vom Werk Regensburg sollen alle rund 30 BMW-Werke weltweit in die OMP eingebunden werden.
Auch Volkswagen vertraut vornehmlich auf US-Hilfe: Die Wolfsburger haben 2019 mit Amazon die „Volkswagen Industrial Cloud“ aus der Taufe gehoben. Ziel ist es, alle Prozesse von Maschinen und Fabriken in einem Datenraum zusammenzuführen. Damit sollen die weltweit 122 Werke schneller und effektiver arbeiten.
Für die Autohersteller sind diese Projekte lebenswichtig. Sowohl BMW als auch Volkswagen wollen in den kommenden Jahren ihre Produktivität drastisch erhöhen, um die hohen Kosten bei der Einführung von Elektroautos kompensieren zu können. Da nur ein Teil der Mehrkosten an die Kunden weitergegeben werden kann, muss die Effizienz der Lieferketten und der Werke deutlich erhöht werden, lautet die Forderung von BMW-Chef Oliver Zipse und VW-Boss Herbert Diess.
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