Der Machtkampf zwischen Renault und Nissan hat beide Partner über Jahre gelähmt. Nun wollen die beiden Autohersteller ihre Allianz komplett neu aufstellen.
Tokio, Paris Renault und Nissan wollen ihre brüchig gewordene Allianz neu aufstellen: Der französische Autobauer reduziert seinen Anteil an dem japanischen Partner von 43 auf 15 Prozent und verliert damit deutlich an Einfluss. Nissan steigt wiederum bei der neuen Elektroauto-Tochter von Renault ein.
Die ungleichen Beteiligungsverhältnisse hatten das Ende der 1990er-Jahre geschlossene Bündnis zunehmend belastet. Nissan, das immer nur 15 Prozent an Renault hielt, fühlte sich von den Franzosen dominiert. Zudem hatte der japanische Konzern anders als Renault bisher keine Stimmrechte bei seinem Partner – auch das soll sich nun ändern.
Die Einigung sei „nach mehreren Monaten konstruktiver Diskussionen“ erreicht worden, teilten beide Unternehmen am Montag mit. Renault werde 28,4 Prozent der Nissan-Anteile an eine Treuhandgesellschaft übertragen, die mit diesen Anteilen verbundenen Stimmrechte würden dabei für die meisten Unternehmensentscheidungen „neutralisiert“.
Der Verkauf der Aktien durch die Treuhänder solle in einem „koordinierten und geordneten Verfahren“ ablaufen. Allerdings gebe es keinen festgelegten Zeitraum. Renault werde sich von den Anteilen trennen, wenn es „wirtschaftlich sinnvoll“ sei. Der französische Autohersteller will so vermeiden, die Beteiligung zu dem aktuell geringen Marktwert abstoßen zu müssen. Die Einigung steht den Angaben zufolge noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung der beiden Verwaltungsräte.
„Eine angepasste Kapitalstruktur sollte die Allianz mit Synergie und der Eröffnung strategischer Möglichkeiten auf beiden Seiten tragfähig halten“, sagte Jefferies-Analyst Philippe Houchois. Renault habe dem Druck widerstanden, die Aktien zum gegenwärtig niedrigen Kurs zu verkaufen, und sei nun in einer besseren Position, überschüssiges Kapital für Wachstum und Dividenden auszugeben.
Mit der Balance bei den Beteiligungsverhältnissen machen Nissan und Renault auch den Weg frei für die künftige Kooperation in der Elektromobilität. Renault strebt eine Aufspaltung seiner Aktivitäten an: Eine Sparte mit dem Namen „Ampere“ soll sich ausschließlich der Entwicklung und dem Bau von Elektroautos widmen. Das klassische Geschäft mit Verbrenner- und Hybridfahrzeugen wird ausgegliedert.
Nissan hatte sich bis zuletzt aber dagegen gewehrt, gemeinsame Patente für Elektroautos und Batterien auf die neue Einheit zu übertragen. Ein Grund dafür war die Befürchtung, dass technisches Know-how an andere Unternehmen abfließen könnte. Diese Bedenken sollen nun aus dem Weg geschafft worden sein.
Renault teilte mit, dass Nissan in „Ampere“ investieren werde mit dem Ziel, ein „strategischer Anteilseigner“ zu werden. Als weiterer Investor für die Elektrosparte ist der US-Chipriese Qualcomm im Gespräch. Bei den Verbrennungsmotoren gründet Renault indes ein Joint Venture mit dem chinesischen Autobauer Geely.
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Die strategische Kooperation von Renault und Nissan begann Ende der 1990er-Jahre, damals retteten die Franzosen das japanische Unternehmen vor der Pleite. An der Spitze beider Hersteller stand Carlos Ghosn, er wollte die Allianz zum nach Absatz größten Autohersteller der Welt machen. Mitsubishi stieß 2016 dazu. Ein Jahr später erreichte Ghosn sein Ziel und überholte Volkswagen als neue Nummer eins.
Im Hintergrund schwelte zwischen den Japanern und Franzosen aber immer der Konflikt um die Vorherrschaft in der Allianz. Als Ghosn Ende 2018 wegen Vorwürfen der Steuerhinterziehung und Untreue in das Visier der japanischen Justiz geriet, bröckelte die Allianz. Der Vater des Bündnisses musste Anfang 2019 zurücktreten und setzte sich später aus dem Hausarrest in Tokio in den Libanon ab.
Vor allem Renault geriet danach in Schwierigkeiten und musste 2020 mit einem Milliardenkredit der Regierung in Paris gerettet werden. Der auf dem Höhepunkt der Krise angetretene Renault-Vorstandsvorsitzende Luca de Meo leitete einen harten Sanierungskurs ein, der inzwischen Ergebnisse zeigt: Der Autobauer schreibt wieder schwarze Zahlen und will die Staatshilfen vorzeitig zurückzahlen.
Um die Neuaufstellung der Allianz mit Nissan kümmerte sich in den vergangenen Jahren vor allem Renault-Verwaltungsratschef Jean-Dominique Senard. Die Gespräche nahmen seit dem Herbst an Fahrt auf. Eine entscheidende Hürde wurde nach Informationen der französischen Wirtschaftszeitung „Les Échos“ dann Anfang Januar genommen, als der an Renault beteiligte französische Staat seine Unterstützung für die neue Kapitalstruktur erklärt habe. Der Staatseinfluss bei Renault hatte in Japan immer wieder für Kritik gesorgt.
Renault und Nissan kündigten am Montag außerdem „operationelle Projekte mit hoher Wertschöpfung“ an, um ihre Partnerschaft „neu aufzuladen“. Diese Projekte würden Märkte in Lateinamerika, Indien und Europa betreffen. Französischen Medienberichten zufolge könnten Einzelheiten schon in der kommenden Woche bekannt gegeben werden, sobald die neue Struktur der Allianz offiziell von den Gremien abgesegnet worden ist.
Nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg betrifft eines der Projekte ein von Nissan und Renault gemeinsam betriebenes Werk im indischen Chennai, das Kleinwagen, Motoren und Getriebe herstellt. Bei einem weiteren Projekt gehe es um eine vertiefte Zusammenarbeit bei Nutzfahrzeugen.
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