Selbst Größe und eine gute Positionierung in Zukunftstechnologien schützen die Automobilzulieferer nicht vor dem Abschwung.
Qualitätskontrolle bei Elring-Klinger
Der Sprung in die Elektromobilität ist ein Kraftakt.
Bild: Elrnig Klinger
Düsseldorf Diese Meldung ließ aufhorchen: Erstmals seit sechs Jahren ist im Oktober die Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Der lange Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt ist zu Ende. Grund dafür ist die schwächelnde Industrie.
Auffällig an den Details dieser jüngsten Statistik der Bundesanstalt für Arbeit ist, dass die Arbeitslosigkeit ausgerechnet in den bisherigen Vollbeschäftigungs-Boomregionen besonders stark steigt, also in den industriell geprägten Städten und Gemeinden Süd- und Südwestdeutschlands.
Genau dort sind viele Firmen des Maschinenbaus beheimatet: Deutschlands wichtigste und größte Branche, die über eine Million Arbeitnehmer beschäftigt, hat in diesem Jahr zweimal ihre Produktionsprognose nach unten korrigiert: von zwei Prozent plus auf ein Minus von zwei Prozent.
In den ersten neun Monaten bis Ende September sanken die Aufträge um neun Prozent gegenüber dem Vorjahr. Daran gemessen erscheint selbst die gesenkte Prognose noch ambitioniert. Der so lange Zeit prosperierende Südwesten der Republik beheimatet darüber hinaus viele Firmen der Automobilindustrie.
So wie Bosch in Stuttgart. Der Zulieferer kündigte an, in den kommenden zwei Jahren 1600 Jobs in der Antriebssparte in Stuttgart-Feuerbach und Schwieberdingen zu streichen. Bis zum Jahr 2022 sollen in Schwäbisch Gmünd 1000 Arbeitsplätze wegfallen. Konzernchef Volkmar Denner hatte bereits im Sommer bekräftigt, dass die sinkende Nachfrage nach Dieselfahrzeugen zu einem spürbaren Stellenabbau führen werde.
Dazu zählen Abfindungsprogramme, Vorruhestandsregelungen und die Reduzierung von Zeitarbeitsstellen. „Das Marktumfeld ist nach wie vor herausfordernd“, urteilt Klaus Rosenfeld, Vorstandschef des Wettbewerbers Schaeffler. Der fränkische Zulieferer hatte seine Ertragsziele im Sommer gesenkt und dies mit dem Produktionsrückgang seiner Kunden in der Automobilindustrie begründet.
Der Betriebsgewinn war in den ersten drei Quartalen um 23 Prozent auf 883 Millionen Euro eingebrochen. Rosenfeld setzt in der Krise auf befristete Werksferien, Kurzarbeit, Altersteilzeit und Umschulungen: „Wir haben immer gesagt, dass wir betriebsbedingte Kündigungen vermeiden wollen.“
Unter Druck steht auch Rheinmetall. Zwar hat der Mischkonzern dank seines boomenden Rüstungsgeschäfts in den ersten neun Monaten mehr verdient. Doch wegen der schwächelnden Automobilzulieferung kappte Konzernchef Armin Papperger am Donnerstag seine Umsatzprognose für 2019.
Er rechnet nun noch mit einem Plus von einem Prozent statt wie bisher mit vier Prozent. „Wir profitieren vom Nachholbedarf in der militärischen Beschaffung vieler Länder und von steigenden Budgets, insbesondere auch in Deutschland“, erklärte Papperger. In der Autozulieferung könne der Konzern sich aber nicht der eingetrübten Konjunktur entziehen. Beide Sparten, Rüstung und Automobil, sind etwa gleich groß.
Ebenfalls am Donnerstag meldete der Zulieferer SAF Holland ein um sechs Prozent auf 66,9 Millionen Euro gesunkenes bereinigtes Ergebnis. „Wir haben auf das sich abschwächende Marktumfeld für Trailer und schwere Lkws sofort reagiert und an sämtlichen Standorten ein umfassendes Programm zur Senkung der Vertriebs- und Verwaltungskosten initiiert“, erklärte Vorstandschef Alexander Geis.
SAF-Holland hatte wiederholt seine Ziele für 2019 senken müssen und erwartet nun weiter einen Umsatzrückgang bis zu drei Prozent. Dass aber auch Größe und eine exzellente Positionierung in Zukunftstechnologien nicht vor Rückschlägen schützt, erfährt gerade Continental.
Jahrelang war der Dax-Konzern Anlegers Liebling, weil Continental frühzeitig auf automatische Antriebssysteme, Sensorik und Software setzte – und trotzdem immer am gewinnträchtigen Brot-und-Butter-Geschäft, der Reifenproduktion, festgehalten hat. Nach milliardenhohen Wertberichtigungen auf in der Vergangenheit zugekaufte Firmenteile, darunter der Bremsenhersteller Teves und der Mechatronikhersteller Siemens VDO, erwartet der Zulieferer in diesem Jahr einen Verlust.
Angesichts der weltweit rückläufigen Nachfrage nach Autos bleiben die Perspektiven gedämpft. Das gilt auch für Elring-Klinger. Der Zulieferer von der Schwäbischen Alb liefert für fast alle Autobauer der Welt Zylinderkopfdichtungen, die den Verbrennungsmotor abdichten.
Nach roten Zahlen im ersten und zweiten Quartal entfaltete ein krisenbedingt aufgelegtes Sparprogramm seine Wirkung und verhalf dem Zulieferer im dritten Quartal zu einem kleinen Gewinn von 6,7 Millionen Euro. Vorstandschef Stefan Wolf sieht das Unternehmen auf Kurs – auch „dank der guten Jahre, die hinter uns liegen“.
Der Zulieferer hat aus der vergangenen Krise vor einem Jahrzehnt gelernt und seine Eigenkapitalquote nochmals gestärkt: von 36 Prozent im Vorkrisenjahr 2008 auf 41 Prozent im abgelaufenen Geschäftsjahr. Das verschafft mehr Luft in der aktuellen Krise, denn man ist weniger auf externe Kreditlinien angewiesen. Deshalb reicht es trotz Auftragsflaute, dass die Angestellten ihre prall gefüllten Arbeitszeitkonten abbauen, ohne dass es zu einem Stellenabbau kommt.
Langfristig hofft der Dettinger Zulieferer auf einen neuen Boom und sieht sich dafür gut gerüstet. Denn Wolf hat sich schon frühzeitig Gedanken über die Zeiten gemacht, wenn seine Zylinderkopfdichtungen nicht mehr gebraucht werden, weil es eines Tages keine Verbrennungsmotoren mehr geben könnte. Der Ausweg: Elring-Klinger entwickelte Produktionsanlagen zur Fertigung von Brennstoffzellen und für Komponenten von Batterien.
In den kommenden Jahren hofft Wolf auf einen kräftigen Schub durch das wachsende Elektroauto-Angebot. Elring-Klinger baut Batteriesysteme, aber auch einzelne Komponenten, die Batteriezellen für Elektromotoren verbinden. Bislang ist der Umsatzbeitrag mit sieben Prozent gering, 2030 soll er bei 25 Prozent liegen.
Die Chancen dafür stehen gut, glaubt Vorstandschef Wolf, zugleich Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall: „Die Automobilindustrie steht vor dem größten Wandel in ihrer Geschichte.“ Wer in der Transformation die Gewinne aus dem auslaufenden Geschäft mit Verbrennungsmotoren klug investiert, hat gute Chancen im Elektrozeitalter.
Mehr: Im Rahmen des neuen Sparprogramms will Zulieferer Norma herausfinden, wie es seine Standortstruktur verbessern kann. Jährlich sollen bis zu 45 Millionen Euro gespart werden.
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