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26.01.2023

14:26

Autokonzern

Toyota-Chef Akio Toyoda tritt ab

Von: Martin Kölling

Eine Ära geht zu Ende. Nach fast 14 Jahren im Amt zieht sich Akio Toyoda von der Toyota-Spitze zurück. Sein Nachfolger soll nun die lahmende Elektro-Offensive beschleunigen.

Der Chef des japanischen Autoriesen ist der Enkelsohn des Toyota-Firmengründers Kiichiro Toyoda. dpa

Akio Toyoda

Der Chef des japanischen Autoriesen ist der Enkelsohn des Toyota-Firmengründers Kiichiro Toyoda.

Tokio Seine letzte große Überraschung behielt Toyota-Chef Akio Toyoda lange für sich. Auf einer Pressekonferenz am Donnerstag verkündete der Enkel des Konzerngründers seinen Rücktritt. Damit hatte kaum jemand gerechnet. 14 Jahre lang hatte er die Geschicke des größten Autoherstellers der Welt geführt. Nun räumt er seinen Posten.

Ab April soll der 53-jährige Koji Sato übernehmen, der bislang die Toyota-Premiummarke Lexus und das Rennteam GR Racing leitet. Toyoda erwartet dadurch neuen Schwung für den Autoriesen. So soll sich Toyota etwa zum Mobilitätskonzern wandeln.

Toyoda selbst zieht sich auf den Posten des Verwaltungsratsvorsitzenden zurück, der jetzige Amtsinhaber Takeshi Uchiyamada geht in den Ruhestand. Für Toyota ist das eine Zäsur: Der 66-jährige Firmenerbe hatte den japanischen Autoriesen aus einer Krise mit hohen Verlusten an die Spitze der Autoindustrie zurückgebracht. Sein Vorgänger Uchiyamada hatte daran großen Anteil: Er gilt als Vater des Prius, des weltweit erfolgreichsten Hybridautos.

Der Führungswechsel kommt zu einem kritischen Zeitpunkt. Lange hatte Toyota vor allem auf Hybridantriebe gesetzt, um Kohlendioxidemissionen im Verkehr zu senken. Im Dieselskandal blieb Toyota so schadlos. Bei batteriebetriebenen Elektroautos laufen die Japaner der Konkurrenz aber hinterher.

Während Konkurrenten wie VW und Stellantis längst Hunderttausende Elektroautos weltweit verkaufen, hatte Toyota erst 2022 ein neues Elektromodell präsentiert. Doch bislang sorgte das elektrische SUV bZ4x vor allem für Ärger: Fehlerhafte Bolzen bewirkten einen Rückruf. Räder könnten abfallen.

Schlechte Note beim Klimaschutz

Influencemap, ein britischer Beobachter von Industrielobbying in Sachen Klimaschutz, bewertete Toyotas Fortschritte bei der Dekarbonisierung zuletzt mit der Note D – einem der schlechtesten Werte der Industrie. Dabei hatte Toyoda die Entwicklung von Elektroautos eigentlich zur Chefsache erklärt.

Sein plötzlicher Rückzug hinterlässt daher viele Fragen. „Der Zeitpunkt war etwas überraschend“, urteilt der japanische Autoanalyst Takaki Nakanishi in einem Kommentar. Er persönlich habe damit gerechnet, dass Toyoda die Probleme bei der Entwicklung von Software und Elektroautos noch selbst aus dem Weg räumen werde.

Generationswechsel für die Elektro-Offensive

Auslöser der Rochade war offenbar der Rücktrittswunsch von Toyota-Verwaltungsratschef Uchiyamada. Der inzwischen 76-Jährige soll intern einen Generationswechsel angemahnt haben. „Ich wollte zurücktreten, bevor die jungen Leute mich dazu auffordern würden.“

Dass Toyoda durch einen Vertreter der Familie ersetzt werden würde, sei kein Thema gewesen: Sein Sohn Daisuke sammelt aktuell noch die ersten Erfahrungen als Vizepräsident der Technik-Holding „Woven Planet“. Er soll Toyota in Zukunft auf die Mentalität des Silicon Valleys einschwören. Der Sprung an die Firmenspitze wäre für ihn daher zu früh gekommen.

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Toyodas Erwartungen an seinen direkten Nachfolger Sato sind groß: „Ich erwarte von Sato und seinem Team, dass sie über die Grenzen hinausgehen, die ich nicht überwinden konnte.“

Sato ist im Gegensatz zum Business-School-Absolventen Toyoda ein Ingenieur mit Sinn für Fahrgefühl, Design und Markenbildung. Seit 1992 ist er im Konzern. 2016 wurde er Chefingenieur der Premiummarke Lexus, 2020 ihr Chef und ein Jahr später Branding-Vorstand des Gesamtkonzerns. Damit war er verantwortlich für die Entwicklung des ersten batterieelektrischen Lexus, des RZ, der dem begeisterten Rennfahrer Toyoda gefiel. „Er hat sich das Lächeln von Fahrer Morizo selbst verdient“, sagte Toyoda. Morizo ist Toyodas Rennfahrerpseudonym.

Der neue Chef muss eine schwierige Aufgabe lösen

Konkrete Aussagen über seinen künftigen Kurs sparte sich Sato. Das Auto solle künftig ein Teil sozialer Systeme werden, inklusive der Infrastruktur. „In dieser Transformation ist es unsere Aufgabe, Autos so weiterzuentwickeln, dass alle Menschen auf der Welt wollen, dass Autos weiter existieren“, erklärte der künftige Toyota-Chef.

Toyoda hinterlässt seinem Nachfolger allerdings eine schwierige Aufgabe. In seiner Laufbahn ist der anfangs unsicher wirkende Manager zum selbstbewussten Sprecher der japanischen Autohersteller aufgestiegen. Vor allem glänzte er als Krisenmanager: Als er 2009 während der Weltfinanzkrise das Familienerbe übernahm, herrschte in Toyota-City, der Heimat des Konzerns, blanke Angst vor dem Untergang. Innerhalb eines Jahres war der Autobauer von einem Rekordgewinn tief in die Verlustzone gerutscht. Und nicht einmal die eigenen Ingenieure mochten das Fahrverhalten der meisten Modelle.

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Toyoda entschied sich für langfristige, aber tiefe Strukturreformen. „Zurück zu den Ursprüngen“ war sein Motto, und er setzte – anders als seine Vorgänger – wieder auf sportliche Modelle. Nicht alle im Konzern sahen das mit Wohlwollen: Weil er trotz seiner Rolle selbst Rennen und Rallyes fuhr, betrachteten ihn einige führende Manager als verwöhnten Firmenerben. Durch seine erfolgreiche Führung – insbesondere in den Krisenjahren – hat er diese Vorurteile mittlerweile entkräftet.

Im Jahr 2010 musste Toyota in den USA den bis dahin größten Rückruf aller Zeiten stemmen. Toyoda musste sogar vor dem US-Kongress aussagen. 2011 erschütterten ein Erdbeben, der folgende Tsunami und die Atomkatastrophe von Fukushima die Japaner. Die dortigen Autofabriken standen für Monate still. Eine Flut in Thailand sorgte für weitere Probleme.

Toyota ist resilient, aber sorgt sich um die Zukunft

Akio Toyoda nutzte diese Krisen, um den Konzernriesen flexibel aufzustellen. Das zahlte sich aus. Während andere Autohersteller etwa in der Coronapandemie in die Verlustzone fielen, erreichte Toyoda sogar eine Zeit lang zweistellige Gewinnmargen. Für das bis März laufende Bilanzjahr 2022 sagte Toyota mehr Umsatz, aber einen Rückgang der Gewinnmarge von 9,5 auf 6,7 Prozent voraus.

Auch der Chipmangel hat den Konzern nicht so stark getroffen wie die Konkurrenz. Während die Verkäufe beim Verfolger Volkswagen in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres um 9,2 Prozent auf 7,4 Millionen Autos fielen, erreichte Toyota mit 9,6 Millionen verkauften Fahrzeugen sein Vorjahresniveau. Für 2023 rechnet der Konzern wieder mit 10,6 Millionen verkauften Autos.

Toyoda brachte sein Unternehmen auch bei der Vernetzung von Autos und digitalen Geschäftsmodellen voran. Er investierte massiv in Künstliche Intelligenz und Robotik. In Sachen Elektroauto aber reagierte Toyoda erst spät. Erst 2021 verdoppelte er innerhalb weniger Monate das Ziel für 2030 auf 3,5 Millionen Elektroautos. Gleichzeitig hält er an der Entwicklung von Wasserstoff-Autos mit Brennstoffzellen und auch an Verbrennungsmotoren fest. Unter seiner und Satos Führung entwickelte Toyota einen Motor, der Wasserstoff verfeuert.

Sato schwor die Aktionäre am Ende der Konferenz ein, sich auch der neuen Konkurrenz zu stellen – egal ob von Tesla oder Technikkonzernen wie Sony aus Japan und Foxconn aus Taiwan. „Ich werde alles geben, um uns einen Schritt näher an eine Mobilität zu bringen, die nur Autohersteller schaffen können.“ Das letzte Wort hatte dennoch Toyoda. Als das Bild der Übertragung schon ausgeschaltet war, lief der Ton noch ein bisschen weiter. Sato sei am Ende etwas steif gewesen, sagte Toyoda lachend. „Ich hätte gern ein Lächeln am Ende gesehen.“

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