Viele Unternehmen wollen wieder in Europa produzieren, beobachtet ABB-Robotikchef Sami Atiya. Er sagt auch: „Wir sind froh, dass wir in China sind.“
ABB-Roboter im BMW-Werk in München
Die Robotikbranche hofft auf einen Automatisierungsschub, weil Firmen ihre Produktion teilweise näher an die Heimat zurückbringen wollen.
Bild: dpa
München Der zweitgrößte Roboterhersteller der Welt, ABB, sieht trotz aller globalen Verwerfungen derzeit kein Ende des Robotikbooms. „Der Bedarf an Robotern steigt und steigt“, sagte ABB-Robotikchef Sami Atiya im Club Wirtschaftspresse München. Derzeit sehe man vor allem verstärkt den Trend, Produktion wieder näher in Richtung Heimatmärkte zu verlagern. „Es gibt kaum ein Unternehmen, das sich das gerade nicht anschaut.“
In Deutschland seien die hohen Energiepreise allerdings eine große Belastung. „Wenn wir das nicht in den Griff bekommen, haben wir ein Problem.“ Verbraucher und Unternehmen müssten entlastet werden, damit es nicht „zu Massenentlassungen kommt, weil Firmen schließen müssen“.
Die Robotikbranche hat ihre Umsätze in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesteigert, von einem kurzen Durchhänger zu Beginn der Coronapandemie einmal abgesehen. Auch Susanne Bieller, Generalsekretärin des Welt-Branchenverbands IFR, sagte: „Es wird jetzt massiv in Automatisierung investiert.“ Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Auslieferungen laut Branchenverband IFR um 27 Prozent auf erstmals 487.000 verkaufte Roboter.
In diesem Jahr setzte sich der Trend bislang vielerorts fort. So konnte die ABB-Sparte Robotik und Industrieautomatisierung den Auftragseingang im ersten Halbjahr um 40 Prozent steigern. Allerdings sanken die Umsätze um vergleichbar neun Prozent auf 1,5 Milliarden Dollar. ABB führte dies vor allem auf den Chipmangel und Produktionsunterbrechungen in China zurück. Das operative Ergebnis halbierte sich nahezu auf 109 Millionen Dollar.
Doch kann ABB nun in wirtschaftlich unsicheren Zeiten einen Rekord-Auftragsbestand abarbeiten. Bislang sehe man keine Stornierungen, sagte Atiya.
Denn die unterbrochenen Lieferketten in Zeiten von Coronapandemie und Ukrainekrieg haben bei vielen Unternehmen weltweit zu einem Umdenken geführt. Laut einer ABB-Studie wollen 33 Prozent der Unternehmen in Deutschland Produktion wieder in die Heimat holen (Reshoring), weitere 47 Prozent zumindest näher heran (Nearshoring).
Wegen der hohen Arbeitskosten und des Fachkräftemangels sei das aber nur mit mehr Automatisierung möglich, sagte Atiya. „Es gibt keine Branche, die nicht nach Robotern fragt.“ Interesse gebe es derzeit in der Baubranche ebenso wie in der Textilindustrie und bei Bäckereien. In der Autobranche, sie ist einer der wichtigsten Abnehmer von schweren Industrierobotern, gebe es vor allem das Interesse, die Batterien für Elektroautos nicht nur in Asien zu fertigen oder produzieren zu lassen.
In der Vergangenheit war immer wieder einmal spekuliert worden, ABB könne seine Robotiksparte abspalten. „Das steht gar nicht zur Debatte“, sagte Atiya. Die Einheit sei „Super-Kerngeschäft“ und werde weiter wachsen – „mit entsprechender Profitabilität“.
ABB gilt als Marktführer auf dem wichtigsten Robotikmarkt China. „Wir sind froh, dass wir in China sind“, betonte der ABB-Vorstand. Mit einer Roboterdichte von 246 Maschinen auf 10.000 Mitarbeiter im Jahr 2020 laut IFR habe das Land immer noch Nachholbedarf. Zum Vergleich: In Südkorea waren es 932 Einheiten, in Deutschland 371.
Mögliche Handelsbeschränkungen aufgrund der wachsenden Spannungen zwischen den USA und China fürchtet Atiya derzeit nicht. ABB produziere in China für den chinesischen Markt. „Wir können uns in China komplett versorgen.“
ABB liegt auf dem Weltmarkt auf Platz zwei hinter der japanischen Fanuc. Es folgen – in etwa auf Augenhöhe – die Midea-Tochter Kuka und Yaskawa. Auch die Konkurrenten haben Ambitionen. So hat Kuka-Chef Peter Mohnen angekündigt: „Wir wollen mittelfristig die Nummer zwei und langfristig Weltmarktführer werden.“
Das Augsburger Unternehmer, der größte europäische Konkurrent von ABB, hat seine zwischenzeitliche Innovationskrise nach eigener Einschätzung überwunden. Mit 25 neuen Produkten und Varianten will Kuka jetzt wieder Boden gutmachen.
Weltmarktführer Fanuc wiederum will ABB und Kuka auf ihrem Heimatmarkt herausfordern. „Wir wollen die Robotikumsätze in Europa in den nächsten zehn Jahren mit zweistelligen Wachstumsraten verdoppeln“, sagte Fanuc-Europachef Shinichi Tanzawa dem Handelsblatt.
Laut Branchenschätzungen dürften die Japaner auch in Europa führend sein, ABB liegt hier allerdings auf Augenhöhe. Fanuc erzielt mit Robotern in Europa etwa eine halbe Milliarde Euro Umsatz.
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