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02.03.2022

13:57

Automatisierung

„Potenzial für neun Millionen Roboter“: Cobot-Industrie ist auf dem Weg zu Milliardenumsätzen

Von: Axel Höpner

Der Fachkräftemangel wird die Automatisierung immer stärker antreiben. Universal Robots, Weltmarktführer bei kollaborativen Robotern, fürchtet die neuen Konkurrenten nicht.

Weniger als fünf Prozent der Tätigkeiten bei kleineren und mittelständischen Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe sind laut DRV automatisiert. Universal Robots

Cobot-Einsatz bei B&S

Weniger als fünf Prozent der Tätigkeiten bei kleineren und mittelständischen Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe sind laut DRV automatisiert.

München Kleine kollaborative Roboter, die direkt neben dem Menschen arbeiten können, sind die große Wachstumshoffnung der weltweiten Robotikindustrie. Vor allem der Fachkräftemangel wird in den kommenden Jahren auch kleinere Unternehmen zur Automatisierung zwingen. Traditionelle Roboterhersteller wie ABB und Kuka sowie innovative Start-ups kämpfen um Marktanteile in dem neuen Segment.

Unangefochtener Weltmarktführer bei den sogenannten Cobots ist Universal Robots (UR). Die Dänen haben schon 2007 den ersten Prototyp gebaut und dürften laut Branchenschätzungen noch immer auf einen Marktanteil von 40 bis 50 Prozent kommen. Das Unternehmen will das hohe Wachstumstempo halten – trotz der neuen Konkurrenz. „Jede Woche entsteht eine neue Cobot-Firma. Das ist großartig“, sagt Universal-Robots-Chef Kim Povlsen im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Um Marktanteile zu kämpfen sei für ihn dabei gar nicht so entscheidend, sagt Povlsen. Bislang seien erst zwei Prozent des potenziellen Markts erschlossen. „Wir kratzen erst an der Oberfläche“, erklärt Povlsen. Die Branche sei auf dem Weg zu Milliardenumsätzen. „Es gibt das Potenzial für etwa neun Millionen Cobots“, sagt Povlsen. Der Fachkräftemangel werde die Nachfrage in den kommenden Jahren noch verstärken.

So wird es zum Beispiel für kleinere Firmen immer schwieriger, Schweißer zu finden. Der niederbayerische Familienbetrieb B&S Blech mit System hat zwei Schweißzellen mit Cobots aufgebaut, berichtet Geschäftsführer Fabian Schremmer: „Wir haben zwar unsere Handschweißarbeitsplätze aufgestockt, sind aber schnell an unsere Grenzen gestoßen, sowohl was Platz als auch Personal angeht.“

Der Markt steht dabei noch am Anfang. Weniger als fünf Prozent der Tätigkeiten bei kleineren und mittelständischen Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe sind automatisiert, schätzt der Deutsche Robotik-Verband (DRV). Der überwältigende Teil werde weiter „händisch“ erledigt.

Selbst im Corona-Krisenjahr 2020 stieg die Zahl der Auslieferungen kollaborativer Roboter laut Weltrobotik-Verband IFR um sechs Prozent auf gut 22.000 Auslieferungen. „Je mehr Cobots verkauft und eingesetzt werden, desto größer wächst die Vielfalt der Anwendungen“, sagte IFR-Generalsekretärin Susanne Bieller dem Handelsblatt.

Grafik

Cobots übernehmen nicht die Aufgaben klassischer Industrieroboter, sondern erweitern die Möglichkeiten der Automation in der Fabrik. So setzen zum Beispiel die Autohersteller, wichtigster Abnehmer der Branche, hinter Schutzzäunen weiterhin schwere Schweißroboter ein. Seit einigen Jahren kommen Cobots hinzu, zum Beispiel beim Löten von Leiterplatten.

Auch wenn die Konkurrenz groß ist, hat Universal Robots bislang seine starke Position verteidigen können. Seit Marktantritt habe der dänische Pionier mehr als 55.000 Roboter verkauft und damit „sämtliche Erwartungen weit übertroffen“, heißt es beim DRV.

Universal Robots schließt zu Kuka auf

Inzwischen verkaufe UR – in Stückzahlen bemessen – bereits halb so viele Exemplare im Jahr wie Kuka, deutscher Marktführer bei klassischen Robotern. Universal Robots habe das Potenzial, „bis Ende des Jahrzehnts sogar der weltweit größte Roboterhersteller zu werden“, heißt es vom DRV.

Zwar will sich Povlsen nicht auf dieses Ziel festlegen. „Das hängt auch davon ab, wie sich der Gesamtmarkt entwickelt.“ Doch werde Universal Robots in diesem Jahr neue spannende Modelle auf den Markt bringen und sich auch in das Segment mit höheren Lasten hineinbewegen, wenn der Bedarf da sei. 2021 brachte das Unternehmen bereits den UR10e mit einer erhöhten Traglast von 12,5 Kilogramm heraus.

Im vergangenen Jahr steigerte Universal Robots die Umsätze um 41 Prozent auf 311 Millionen Dollar. Damit liegt der Weltmarktführer auch deutlich über dem Niveau vor der Corona-Pandemie. „Wir sind auch sehr gut ins neue Jahr gestartet“, sagt Povlsen mit Blick auf 2022.

„Wir kratzen erst an der Oberfläche“, sagt der Chef von Universal Robots. Universal Robots

Kim Povlsen

„Wir kratzen erst an der Oberfläche“, sagt der Chef von Universal Robots.

Auch wenn der Markt wächst: Der Durchbruch der Cobots kam nicht so schnell, wie manche in der Branche erwartet hatten. Viele Maschinen sind noch zu teuer und zu kompliziert zu bedienen, zudem müssen gerade kleinere und mittelständische Kunden erst noch überzeugt werden, dass sich der Einsatz lohnt.

Die etablierten Anbieter taten sich gerade am Anfang schwer, kleine und einfach zu bedienende Cobots zu entwickeln. Doch inzwischen machen sie Fortschritte. „Wir wollen einer der führenden Cobot-Hersteller der Welt werden“, sagte etwa ABB-Robotik-Chef Sami Atiya dem Handelsblatt. Auch Kuka hat die Bemühungen intensiviert, in dem Segment Fuß zu fassen.

Zuletzt wagte sich der japanische Fanuc-Konzern aus der Deckung. Bei der Vorstellung neuer Modelle verkündete Europa-Chef Shinichi Tanzawa: „Wir wollen der klare Marktführer für Cobots in Europa werden.“ Derzeit könne Fanuc 14.000 Cobots im Monat bauen. „Und wir planen eine weitere Expansion.“ Vor allem für das Lichtbogenschweißen seien die Maschinen gefragt.

Zu den neuen Anbietern, die in der Branche ernst genommen werden, gehört Franka Emika, das kürzlich den früheren Google-Manager Alwin Mahler zum Vorstandschef ernannt hat. Das Münchener Start-up hat einen feinfühligen, agilen Roboterarm samt Controller entwickelt, der schon bei vielen Unternehmen im Einsatz ist.

Immer mehr Cobot-Start-ups entstehen

Die Fortschritte bei Technologie und Bedienbarkeit locken auch Investoren an. So engagierte sich zum Beispiel im vergangenen Jahr Alexander Samwers Beteiligungsgesellschaft Picus Capital beim Start-up Coboworx. Die Firma entwickelt prozessfertige Roboterzellen, die besonders einfach installiert werden können.

Hinzu kommt eine Reihe von Start-ups, auch in Deutschland. Agile Robots zum Beispiel entwickelt Roboterarme – und vor allem die dazugehörige Software –, die etwa Smartphones zusammenbauen können. Bei der jüngsten Finanzierungsrunde sammelte das Unternehmen 186 Millionen Dollar ein und erreichte mit einer Milliardenbewertung den sogenannten Einhorn-Status.

Doch bislang konnte sich Universal Robots behaupten. Das Unternehmen war von Branchenpionier Esben Østergaard gegründet worden und gehört inzwischen zum US-Elektronikspezialisten Teradyne. Der Erfolg der Dänen basiere auf drei Faktoren, schreibt der DRV-Vorstand in einer Erklärung. Die Bedienbarkeit der Roboter sei gut, es gebe ein breites Angebot von „Plug&Play-Lösungsansätzen“. Zudem helfe Teradyne als starke Muttergesellschaft „mit Drang nach vorn“.

UR-Chef Povlsen sieht insbesondere zwei Wettbewerbsvorteile: die Dänen kooperierten mit zahlreichen Partnern, die die Cobots vertreiben und bei den Kunden integrieren. Hinzu komme das technologische Ökosystem. Viele Softwarefirmen und Anwender hätten Hard- und Software für die Cobots und Lösungen für spezielle Anwendungen entwickelt.

Die erfolgsverwöhnte Robotik-Branche hatte zu Beginn von Corona einen Durchhänger, könnte aber langfristig von den Folgen der Pandemie profitieren. Unternehmen mit einem höheren Automatisierungsgrad fiel es leichter, die Produktion aufrechtzuerhalten.

So ist die Branche wieder auf Rekordkurs zurückgekehrt. Der Branchenverband IFR rechnete für 2021 zuletzt mit einem Anstieg um 13 Prozent auf 435.000 neu installierte Roboter. Im Jahr 2024 sollen es den Prognosen zufolge erstmals eine halbe Million Auslieferungen sein.

Die Cobots sollen bei dem Wachstum eine wichtige Rolle spielen – gerade weil neue Branchen und mittelständische Anwender neu erschlossen werden können. „Wir wollen eine Welt schaffen, in der die Menschen mit den Robotern und nicht wie Roboter arbeiten“, sagt Povlsen.

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