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14.02.2023

04:00

Automobilhersteller

Vor nächsten Sparmaßnahmen – Transporter bleiben Fords Gewinnbringer in Europa

Von: Stefan Menzel

Die europäischen Standorte des US-Autokonzerns stehen vor erneuten Kürzungsrunden – auch in Deutschland. Doch es zeigt sich, dass nicht alle Sparten Fords in der Krise stecken.

Elektrischer Ford-Transit auf der New York Motorshow: Mitte des nächsten Jahrzehnts sollen alle Ford-Transporter elektrisch fahren. IMAGO/ZUMA Wire

Ford-Nutzfahrzeuge werden elektrisch

Elektrischer Ford-Transit auf der New York Motorshow: Mitte des nächsten Jahrzehnts sollen alle Ford-Transporter elektrisch fahren.

Düsseldorf Ford Europa kann in der Krise auf seinen Gewinnbringer vertrauen: die leichten Nutzfahrzeuge. Auch im vergangenen Jahr hat Ford Europa mit seinem Nutzfahrzeuggeschäft einen Marktanteil von 15 Prozent erreicht. Der US-Autokonzern ist damit das achte Jahr in Folge wichtigster Nutzfahrzeuganbieter auf dem europäischen Markt, vor Stellantis und Volkswagen.

Insgesamt weist Fords Europatochter für 2022 einen mageren operativen Ertrag von 47 Millionen US-Dollar aus. Mit seinem Pkw-Geschäft dürfte der US-Autokonzern rote Zahlen geschrieben haben. Ford wird in Kürze seinen neuesten Restrukturierungsplan für das Europageschäft vorlegen. Wieder dürften Tausende von Arbeitsplätzen verloren gehen – vor allem bei den Pkw.

Hans Schep, Europachef der Nutzfahrzeugsparte, zeigt sich daher auch vor dem Hintergrund der Sparmaßnahmen im Konzern selbstbewusst: „Unser neuer Rekord von acht aufeinanderfolgenden Jahren europäischer Marktführerschaft zeigt, wie sehr sich unsere gewerblichen Kunden auf die Transporter und Pick-ups von Ford verlassen.“

Ford verlässt sich bei Nutzfahrzeugen auf die Türkei

Genaue Zahlen für das europäische Nutzfahrzeuggeschäft werden von Ford nicht unmittelbar veröffentlicht. Doch über Umwege ist ersichtlich, wie gut der US-Autokonzern mit dem Klassiker Transit und den anderen Nutzfahrzeugmodellen in Europa verdient. Die Rendite ist sehr hoch und liegt im zweistelligen Bereich.

Ford produziert seine europäischen Nutzfahrzeuge überwiegend in der Türkei in einem Joint Venture mit der Koc-Industrieholding, das den Namen Ford Otosan trägt. Ford und Koc halten jeweils 41 Prozent an diesem Gemeinschaftsunternehmen, der Rest wird als Streubesitz an der Börse gehandelt.

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Ford Otosan muss die wichtigsten Finanzkennziffern aufgrund seiner Börsennotierung veröffentlichen. Im vergangenen Jahr hat das amerikanisch-türkische Unternehmen etwa 370.000 Nutzfahrzeuge und weitere 90.000 Pkw produziert. Das ist nicht viel weniger als im gesamten europäischen Pkw-Geschäft von Ford, für das im vergangenen Jahr rund 520.000 Fahrzeuge gezählt wurden.

Mit Nutzfahrzeugen lässt sich dabei gutes Geld verdienen. Ford Otosan hat für 2022 einen Gewinn von gut einer Milliarde US-Dollar ausgewiesen. Die operative Rendite liegt nach Unternehmensangaben bei rund elf Prozent.

Entsprechend des 41-Prozent-Anteils am Joint Venture ist knapp die Hälfte der Erträge an Ford in die USA abgeflossen. Ford Europa hat im Vergleich dazu im vergangenen Jahr gerade einmal eine operative Rendite von 0,2 Prozent geschafft.

Ford profitiert von niedrigen Löhnen

„Das Nutzfahrzeuggeschäft von Ford läuft seit Jahren gut“, bestätigt Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) der Fachhochschule Bergisch Gladbach, „der Konzern verdient jede Menge Geld damit.“ Der Autohersteller profitiere dabei besonders von einer günstigen Kostenstruktur in der Türkei, allen voran den niedrigen Löhnen. Ford Europa könne mit den Erträgen aus dem Nutzfahrzeuggeschäft die schlechten Zahlen aus dem Pkw-Bereich korrigieren.

Die günstigen Produktionsbedingungen von Ford in der Türkei haben inzwischen auch Begehrlichkeiten bei anderen Autoherstellern geweckt – an erster Stelle Volkswagen. Der VW-Konzern hat sich mit Ford auf eine Gemeinschaftsproduktion bei Nutzfahrzeugen verständigt.

Voraussichtlich vom nächsten Jahr an wird ein Teil der Bulli-Fertigung vom Volkswagen-Traditionssitz in Hannover zu Ford Otosan in die Türkei verlagert. VW- und Ford-Modelle nutzen künftig dieselbe Fahrzeugplattform.

Der VW-Konzern will die eigene Wettbewerbsfähigkeit durch die Zusammenarbeit mit Ford dauerhaft sichern. In Hannover, dem Stammsitz der Nutzfahrzeugsparte von Volkswagen, sind vor allem die Lohnkosten deutlich höher als in der Türkei. Die hannoversche Fabrik soll sich künftig stärker auf die Fertigung von neuen Elektromodellen konzentrieren.

Ford elektrifiziert auch die Transporter

Auch Ford will künftig immer mehr elektrisch angetriebene Transporter und Kleinbusse produzieren. Der US-Konzern hat inzwischen die ersten Elektrovarianten des Transit auf den Markt gebracht. Ford wird die Zahl seiner elektrischen Nutzfahrzeuge in den kommenden Jahren nach und nach ausbauen. 2035 sollen keine Transporter mehr mit Verbrennungsmotor produziert und verkauft werden. Das ist fünf Jahre später als im Pkw-Geschäft.

Mit der Umstellung auf neue Elektromodelle und mit der Position als europäischer Marktführer ist die Zukunft der Nutzfahrzeugsparte von Ford auf lange Zeit gesichert. Bei Personenwagen sieht die Situation völlig anders aus. „Es droht die Wiederholung des Falles Opel“, sagt Hochschulprofessor Stefan Bratzel. Vor gut fünf Jahren hatte sich der damalige Mutterkonzern General Motors aus Deutschland zurückgezogen und seine deutsche Tochter an die französische PSA-Gruppe abgegeben.

Ford verkauft von Jahr zu Jahr immer weniger Pkw in Europa und streicht auch die Zahl der in europäischen Fabriken produzierten Modelle drastisch zusammen. Waren es vor einigen Jahren noch 14 verschiedene Ford-Modelle, so werden es künftig voraussichtlich nur noch vier sein. Der US-Konzern gibt zudem nach und nach seine Pkw-Fabriken in Europa auf. In zwei Jahren soll das Autowerk in Saarlouis schließen, wo derzeit noch gut 4500 Beschäftigte den Ford Focus produzieren.

Ford streicht im Entwicklungsbereich

„Es kann sich eine Abwärtsspirale entwickeln“, warnt CAM-Professor Bratzel. Wenn Ford sein Pkw-Angebot noch weiter zurückfahre, drohe auf absehbare Zeit die Bedeutungslosigkeit auf dem europäischen Automarkt. Bei weiter fallenden Stückzahlen werde es immer schwieriger, kostendeckend zu produzieren. Die Ford-Konzernführung in den USA messe dem Europageschäft viel zu wenig Bedeutung bei.

Nach den jüngsten Spekulationen wird die nächste Sparrunde vor allem die europäische Pkw-Entwicklung in Köln treffen, wo mehrere Tausend Arbeitsplätze gestrichen werden könnten. Offiziell hat sich das Unternehmen zu den Gerüchten bislang nicht geäußert. In Branchenkreisen wird vermutet, dass Ford in Kürze erstmals Details seines neuen Sparprogramms bekannt geben wird.

In der vergangenen Woche hatte sich Ford-Konzernchef Jim Farley kritisch zur Situation des eigenen Entwicklungsbereichs geäußert. „Wir brauchen 25 Prozent mehr an Entwicklern als unsere Wettbewerber“, sagte der Ford-CEO in einem Interview. Ford könne sich diesen Rückstand in Sachen Effizienz nicht leisten.

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