Bosch stellt sich breit auf und setzt neben der Elektromobilität auch auf die Brennstoffzellentechnik. Die wirtschaftliche Lage ist herausfordernd.
Stuttgart Wenn Bosch hinter den Vorhang seiner Entwicklungsabteilung schauen lässt, hat die betreffende Technologie in der Regel Relevanz für die künftige Strategie des weltgrößten Automobilzulieferers. In Feuerbach, dem mit 13 500 Beschäftigten größten und ältesten Bosch-Standort, zeigt Bosch seine neue Brennstoffzelle für Lkws auf dem Systemprüfstand.
Dies soll Symbolcharakter für das Hauptwerk für Einspritztechnik von Verbrennungsmotoren haben, das von der Transformation zur Elektromobilität besonders betroffen ist.
Das Aggregat braucht nicht mehr Platz als ein gängiger Dieselmotor. Anders als etwa der von Tesla angekündigte rein elektrische Truck benötigt ein Brennstoffzellenfahrzeug keine acht Tonnen schwere Batterie, ist in wenigen Minuten aufgetankt und hat eine Reichweite von bis zu 700 Kilometern.
Voraussetzung dafür ist, dass es bis dahin auch genügend Wasserstofftankstellen gibt. Bislang sind es in Deutschland noch unter 100. Aber das Tankproblem gilt bei Experten zumindest für Nutzfahrzeuge als beherrschbar.
„Wir rechnen damit, dass die Brennstoffzelle 2030 bei schweren Nutzfahrzeugen bei den Zulassungen einen Marktanteil von 13 Prozent haben wird“, sagt der Feuerbacher Projektleiter Jürgen Gerhardt.
Technologisch liegen die Vorteile auf der Hand: Wenn der Wasserstoff nachhaltig hergestellt wird, ist ein Brennstoffzellenfahrzeug emissionsfrei. Steigt der CO2-Preis, dann verlieren hohe Herstellungskosten und der niedrige Wirkungsgrad der Motoren aus dem Wasserstoff von nur rund 60 Prozent an Bedeutung. Bislang kostet das Aggregat noch mehr als das Dreifache eines Dieselmotors. Aber auch diese Kosten sinken mit den Stückzahlen.
Das Herzstück eines Brennstoffzellenantriebs – die sogenannten Stacks – wird seit vergangenem April gemeinsam mit dem schwedischen Unternehmen Powercell entwickelt. Die Fertigung in Lizenz übernimmt dann aber Bosch allein. Erstkunde ist das US-Projekt Nikola. Bosch plant die Auslieferung im Jahr 2022.
Parallel dazu soll es auch einen ersten Pkw-Kunden für die Brennstoffzelle geben. „Nicht für das gesamte System, aber für Komponenten“, lässt sich Bosch-Chef Volkmar Denner entlocken. „Wir haben uns frühzeitig auf den Wandel vorbereitet und von Verbrennern über Elektromobilität bis hin zur Brennstoffzelle und zu Mobilitätskonzepten ein großes Lösungsportfolio.“
Mit der breiten Aufstellung setzt sich Denner deutlich von Volkswagen-Chef Herbert Diess ab. Der Vorstandsvorsitzende des größten europäischen Autobauers hatte kürzlich seine Führungskräfte erneut auf reine Batteriefahrzeuge eingeschworen und Wasserstoff abmoderiert: „Die Brennstoffzelle fahren wir auf Grundlevel. Sie ist mindestens in diesem Jahrzehnt keine Alternative für Pkw-Motoren“, sagte Diess.
Die Hersteller stehen unter hohem politischen Druck. In Europa müssen sie bis 2025 die CO2-Emissionen von Lkws im Schnitt um 15 Prozent und bis 2030 um 30 Prozent senken. VW will sich dabei nicht verzetteln.
Bosch-Chef Denner hält neben der Brennstoffzelle als Alternativantrieb auch synthetische Kraftstoffe für wichtig, sogenannte E-Fuels, die auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt werden und sich in den Grundeigenschaften nicht von herkömmlichen Kraftstoffen aus Erdöl unterscheiden.
„Hauptvorteil ist, dass man mit diesen Kraftstoffen auch die bestehende Fahrzeugflotte betanken kann“, sagt Denner. „Die deutsche Politik verzichtet hier leichtfertig auf einen wichtigen Hebel zur CO2-Reduktion.“ Auf der Welt gebe es eine Milliarde Fahrzeuge. Der Austausch der Flotte werde Jahrzehnte dauern.
Ausschließlich auf batterieelektrische Antriebe zu setzen ist Denner deshalb zu eng gedacht. Gleichwohl will Bosch in diesem Jahr die Investitionen in die Elektromobilität von 400 auf 500 Millionen Euro jährlich erhöhen. Insgesamt sind für dieses Jahr 1,2 Milliarden Euro für alternative Antriebe, automatisiertes Fahren und Mobilitätslösungen geplant. Der Anteil der Entwicklungsausgaben erhöht sich von acht auf 8,5 Prozent.
Eine gewaltige Anstrengung bei einem mit 77,9 Milliarden Euro stagnierenden Konzernumsatz. Bosch stellt neben Automobiltechnik noch Elektrowerkzeuge, Hausgeräte sowie Gebäude- und Industrietechnik her. Auch im wichtigen Autobereich „Mobility Solutions“ stagnierten die Umsätze bei 47 Milliarden Euro. „In Anbetracht der Lage um uns herum können wir damit zufrieden sein“, sagte Denner mit Blick auf die weltweit sinkende Automobilproduktion.
Für die breite Aufstellung nimmt Bosch auch eine schwächere Rendite in Kauf. Das Ergebnis vor Steuern und Zinsen sank 2019 von 5,3 auf drei Milliarden Euro. Damit ging die Rendite von knapp sieben auf vier Prozent vom Umsatz zurück. Auf Dauer ist dieser Wert für den Stiftungskonzern zu niedrig, um sich aus eigener Kraft zu finanzieren und finanziell unabhängig zu bleiben. Aber noch sind die Reserven bei einer Liquidität von 18 Milliarden Euro gewaltig.
„Trotz der herausfordernden wirtschaftlichen Lage investieren wir weiter in wichtige Wachstumsfelder“, betonte Denner. Als Gründe für die schwächere Rendite nannte Denner – neben den Investitionen in Zukunftsprojekte – insbesondere die Marktschwäche in China und Indien, die rückläufige Dieselnachfrage bei Pkws und die Restrukturierungskosten in der Mobilitätssparte.
In Deutschland baut Bosch über 3000 Stellen ab. Auch in China wurden die Kapazitäten angepasst. Weltweit sank die Beschäftigung um 6800 auf knapp 403.000 Mitarbeiter.
In diesem Jahr rechnet Bosch mit einem Rückgang der weltweiten Autoproduktion um weitere 2,6 Prozent auf 89 Millionen Fahrzeuge – das wären fast zehn Millionen weniger als noch 2017. „Dann hat man von allem zu viel und gleichzeitig wegen des Technologiewandels von allem zu wenig“, sagte Mobility-Chef Stefan Hartung.
Vor 2025 erwartet Bosch jedenfalls keine Steigerung der globalen Automobilproduktion. Denner geht sogar noch weiter: „Möglicherweise ist der Zenit der Autoproduktion damit schon überschritten.“ Der Bosch-Chef spielt darauf an, dass der wachsende Mobilitätsbedarf bei immer strengerem Klimaschutz auch ohne größere Fahrzeugflotte bedient werden könne, etwa durch neue Mobilitätsdienste.
Für 2020 wollte Bosch keine konkrete Umsatzprognose abgeben. „Wir wollen aber in den für uns wichtigen Branchen und Regionen stärker als der Markt wachsen“, sagte Finanzchef Stefan Asenkerschbaumer. Um die Ertragskraft zu sichern, würden die Strukturen ständig überprüft.
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