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08.03.2022

12:16

Autozulieferer

Kontroverse Abspaltungspläne – Was bleibt von Continental übrig?

Von: Roman Tyborski

Contis Autogeschäft schreibt seit Jahren kaum Gewinne. Eine Abspaltung des automatisierten Fahrens könnte neue Werte schaffen. Doch nicht alle im Konzern sind überzeugt.

Das lahmende Autogeschäft ist die größte Baustelle des Conti-Chefs. dpa

Nikolai Setzer

Das lahmende Autogeschäft ist die größte Baustelle des Conti-Chefs.

Düsseldorf Wolfgang Reitzle will alles aus Continental herausholen. Der Aufsichtsratschef des Dax-Konzerns hat es auf eine höhere Börsenbewertung und mehr Kapital abgesehen. Sein Plan: Die Conti-Sparte für das automatisierte Fahren aus dem Gesamtkonzern herauslösen und dadurch den wirklichen Wert des wichtigsten Zukunftsgeschäfts für Investoren sichtbar machen. Die könnten sich dann auch an den hohen Investitionen beteiligen. Ankeraktionär Schaeffler, so hört man, scheint dem Plan nicht abgeneigt zu sein. Das berichtete das Handelsblatt Anfang Februar.

Die finanzielle Logik hinter dem Masterplan ist bestechend. Aus industrieller Sicht aber ist es ein Risiko. Im Unternehmen und im Aufsichtsrat gibt es neben vielen Befürwortern auch Gegner dieser Strategie. „Was bleibt denn dann noch von Continental übrig?“, fragt ein Aufsichtsratsmitglied. Damit mache sich Conti als Konzern nur angreifbar. Konkurrenten könnten Bestandteile des Unternehmens übernehmen. Am Ende wäre Conti wieder überwiegend ein Reifenhersteller mit vergleichsweise kleinem Software-Geschäft.

Außerdem würden die wirtschaftlichen Argumente bislang fehlen. „Wo ist die Wachstumsstory, die so eine Abspaltung rechtfertigen würde?“, fragt ein Insider mit Blick auf die Kooperation von Bosch und Cariad.

Der Konkurrent von Continental ist mit Volkswagens Softwareeinheit Cariad zuletzt eine langjährige Kooperation bei der Entwicklung des automatisierten Fahrens eingegangen. Eine ähnliche Kooperation auf dem Niveau fehlt Conti bislang.

Continental schwächelt an der Börse, gibt auch die Arbeitnehmerseite zu. Die Schaeffler-Familie, mit 46 Prozent größter Anteilseigner von Conti, sei daher an einer höheren Bewertung interessiert, heißt es aus Finanzkreisen. „Aber ich hatte bislang nicht den Eindruck, dass sie das zwingend über eine Abspaltung erreichen will“, berichtet dagegen ein Mitglied des Aufsichtsgremiums. Außerdem würden die Schaefflers nicht zu überstürzten Entscheidungen neigen.

Kurz: Die Interessenlage bei Conti ist undurchsichtig. Klar ist nur: Wenn Continental am Mittwoch seine Jahreszahlen vorlegen wird, erwarten die Analysten ein gewohntes Bild. Das Reifengeschäft wird zweistellige Margen ausweisen, das Autogeschäft bleibt ein bilanzielles Trauerspiel. Die wichtigste Sparte des Zulieferers, in der das Geschäft mit der Autosoftware und dem automatisierten Fahren gebündelt ist, trägt seit Jahren kaum etwas zum Konzernergebnis bei.

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Dieses Missverhältnis hat direkte Folgen für die eigentlich gut laufende Reifensparte. Denn obwohl die Geschäfte blendend laufen, gerät die Sparte mit in den Strudel der Umstrukturierung, die der Konzern 2019 eingeleitet hat und die intern als „Transformation C“ bezeichnet wird.

Bei den Verantwortlichen des Reifengeschäfts und den Mitarbeitern wächst daher mit jeder Quartalsbilanz, in der das Autogeschäft schwache Ergebnisse liefert, die Ungeduld. „Die Reifensparte finanziert nun seit Jahren zu einem erheblichen Teil die Restrukturierung des Automotive-Geschäfts“, sagt ein Konzernkenner. Zwischenzeitlicher Höhepunkt war die verabschiedete Schließung eines profitablen Reifenwerks in Aachen. In der Reifensparte gebe es daher Sympathien für Reitzles Plan.

Aufspaltung ist für große Zulieferer gefährlich

Aus Conti rausgelöst, könnte die Sparte für das automatisierte Fahren eine Bewertung von sieben Milliarden Euro erreichen. Zum Vergleich: Der Gesamtkonzern ist an der Börse etwa 16 Milliarden Euro wert. Für die Befürworter der Abspaltungspläne bei Continental ist das eines der wichtigsten Argumente.

Doch aus Branchensicht sind die Argumente der Gegner im Aufsichtsrat und im Unternehmen ebenfalls nachvollziehbar. Denn das Filetieren eines so großen Zulieferers wie Continental hätte das Potenzial, die deutsche Automobilzuliefererbranche in ihren Grundfesten zu erschüttern. Einst große Namen drohen in Zeiten der komplexen Hard- und Software zu verschwinden.

Schon heute raten Experten den traditionellen Autokonzernen bei der Software direkt mit Tech-Konzernen wie Google, Amazon, Nvidia oder Qualcomm zu kooperieren. „Wir bezweifeln, dass traditionelle Autobauer und Autozulieferer in der Lage sein werden, zeitnah und zu wettbewerbsfähigen Kosten mit den Tech-Konzernen mitzuhalten“, sagt etwa UBS-Analyst Patrick Hummel.

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Alex Koster, Partner bei der Strategieberatung Boston Consulting Group, sieht ebenfalls einen Wandel auf die Branche zukommen. „Die Zerstückelung des alten Modells der Zusammenarbeit zwischen Autobauer und Zulieferer ist ein mögliches Szenario“, sagt Koster. Da die einzelnen Funktionalitäten im Auto immer komplexer würden, könne es dazu kommen, dass traditionelle Zulieferer sich auf Bereiche des Autos spezialisieren. „Das würde die Finanzierung und die Zusammenarbeit mit Tech-Playern vereinfachen“, sagt der Autoexperte.

Tech-Konzerne wittern ihre Chance. Vielen fehlen noch Erfahrungen im speziellen Automotive-Geschäft. Mit der Übernahme spezialisierter Zulieferer könnten sie sich diese Erfahrung praktisch „einkaufen“. Ein Szenario, das auch Contis Sparte für das automatisierte Fahren drohen könnte, da es losgelöst vom Konzern „übernehmbarer“ wird, befürchten Gegner der Abspaltungspläne.

Ein Beispiel dafür gibt es bereits. Chipriese Qualcomm hatte im vergangenen Jahr Veoneer, einen schwedischen Spezialisten für das automatisierte Fahren, für 4,6 Milliarden Dollar übernommen. Das Brisante dabei: Der US-Chipkonzern hatte mit seinem Gebot den traditionellen Zulieferer Magna, der ebenfalls an Veoneer interessiert war, um über eine Milliarde Dollar überboten.

Setzer arbeitet mit „eingeschworener Mannschaft“ zusammen

Conti-Chef Nikolai Setzer hat sich zu den Abspaltungsspekulationen bislang nicht geäußert. Er ist derzeit gleichzeitig auch Vorstand der Automotive-Einheit. Insider berichten, dass er dort Weggefährten aus seiner Zeit bei der Reifensparte um sich versammelt habe. In seiner Reifenzeit sei es eine „eingeschworene Mannschaft“ gewesen, die die Sparte auf Vordermann gebracht habe. Dieses Modell wolle Setzer nun unabhängig von den Abspaltungsspekulationen auch bei Automotive anwenden. „Wenn diese Mannschaft aber in zwei Jahren immer noch keine nennenswerten Ergebnisse liefert, riskiert Setzer seinen Ruf.“

Der Conti-Chef steht angesichts der neuen Konkurrenz aus dem Tech-Umfeld daher vor einer großen Aufgabe. Einige Mitarbeiter in der Automotive-Abteilung sehen darin offenbar eine zu große Aufgabe.

Es heißt, dass viele Ingenieure, vor allem am Standort Lindau am Bodensee, das Unternehmen verlassen und zur direkten Konkurrenz wechseln würden. Bei Bosch und ZF würden sich bereits die Bewerbungen von Mitarbeitern aus Continentals Automotive-Sparte stapeln.

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