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28.02.2023

19:09

Autozulieferer

Krach bei Bosch: Arbeitnehmer fordern Zukunftskonzept für alle deutschen Standorte

Von: Martin-W. Buchenau

Der kooperative Bosch-Weg steht bei der Transformation vom Verbrenner zur Elektromobilität vor einer schweren Belastungsprobe. Die Beschäftigten fordern erstmals seit Jahren mehr Transparenz und drohen mit massiven Protesten.

In der Transformation zur Elektromobilität wird der Ton beim Autozulieferer rauer. dpa

Produktion bei Bosch

In der Transformation zur Elektromobilität wird der Ton beim Autozulieferer rauer.

Stuttgart Das Stiftungsunternehmen Bosch regelt Beschäftigungsthemen mit seinen Arbeitnehmervertretern gern hinter verschlossenen Türen – vor allem wenn es um die Transformation zur Elektromobilität geht. Umso bemerkenswerter ist es, wenn Gesamtbetriebsratschef Frank Sell vor das Werkstor tritt und sich öffentlich äußert – wie am Mittwochnachmittag.

Auslöser für die Aktion sei, dass die Geschäftsführung wichtige Teile der Produktion für die Elektromobilität in Tschechien ansiedeln wolle, „ohne dass wir auch nur ansatzweise miteinander sprechen konnten“, so Sell. Mit dem über Jahre erfolgreichen, geräuschlosen Bosch-Weg zum Vorteil beider Seiten scheint es damit vorbei zu sein. Seit drei Jahren steht Sell an der Spitze der Arbeitnehmervertretung und geht jetzt in die Offensive.

Insgesamt geht es um Planungssicherheit für 27.000 Mitarbeiter der Antriebssparte. „Die Bosch-Arbeitnehmervertreter möchten ein Zeichen Richtung Management setzen“, sagte Sell im Anschluss am Unternehmenssitz in Stuttgart und warnte in ungewohnter Härte: „Das ist jetzt der erste Schuss.“ Die Beschäftigten fühlten sich nicht ausreichend mitgenommen von der Geschäftsführung.

„Wir reden uns seit drei Jahren den Mund fusselig, machen Vorschläge, wollen in konstruktive Gespräche kommen und stehen da, wo wir am Anfang waren“, sagt Sell. Jetzt brauche es wohl diese klaren Worte, damit die Geschäftsführung wieder zur Vernunft umkehre. Für den Fall, dass dies nicht geschieht, kündigte Sell den nächsten Schritt an: „Dann fahren wir mit 17.000 Leuten zur Zentrale auf der Schillerhöhe.“

Grund für den Konflikt ist das für 2035 anstehende Aus des Verbrennungsmotors. „Die Standortbetriebsräte fordern mehr Perspektiven und Bekenntnisse der Geschäftsführung für alle deutschen Standorte im Unternehmensbereich Mobility Solutions“, sagt Sell.

Klare Zusagen zum Erhalt von Arbeitsplätzen

Es könne kein Zukunftskonzept sein, die industriellen Arbeitsplätze in Deutschland sukzessive entlang der Demografiekurve abzubauen, kritisiert der Gesamtbetriebsratschef. Es geht ihm dabei vor allem um ein einheitliches Vorgehen der Geschäftsleitung um den seit gut einem Jahr amtierenden Bosch-Chef Stefan Hartung und vor allem auch Personalchefin Filiz Albrecht.

Denn deren Salamitaktik, sich im Transformationsprozess jeden Standort einzeln vorzunehmen, stößt inzwischen beim obersten Bosch-Arbeitnehmervertreter trotz einzelner Zusicherungen des Managements auf Argwohn.

Das Aus des Verbrenners rücke immer näher. Die Arbeitnehmervertreter wollen genau wissen, welche Beschäftigungschancen die Zukunftsprodukte aus den Bereichen Wasserstoff und Elektromobilität für die Standorte bringen.

Sell fordert klare Zusagen für den Erhalt der industriellen Arbeitsplätze in der Produktion als auch in Forschung und Entwicklung in Deutschland. Trotz des Wachstumspotenzials der Antriebssparte fehlen den Arbeitnehmervertretern dort auch valide Zusagen. „Wir fordern ein gemeinsames Zukunftsbild für alle Standorte der Antriebssparte“, sagt Sell. Es könne nicht sein, dass der Betriebsrat immer hinterherrenne und der Bittsteller sei. Außerdem fordert er Gespräche über die Schritte der nächsten zwölf Jahre.

Branchenkonkurrent ZF etwa hatte mit seinen Beschäftigten einen „Tarifvertrag Transformation“ geschlossen, mit klaren Verhandlungsabläufen für beide Seiten. Eine solche Transparenz vermissen die Bosch-Arbeitnehmer. „Wir sehen, dass da einige Unternehmen weiter sind als Bosch“, betont Sell.

Bosch-Personalchefin Filiz Albrecht sieht die Forderungen des Betriebsrats derweil in Kernpunkten bereits erfüllt. „Seit Jahren bereiten wir uns auf den Übergang zur Elektromobilität vor: Wir investieren umfangreich in Technologie, Standorte und in die Qualifizierung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagte die Personalerin am Dienstag.

„Dabei beziehen wir die Arbeitnehmervertreter eng mit ein, insbesondere bei Standortentscheidungen.“ Die Geschäftsführung setze alles daran, die Beschäftigung in Deutschland so weit wie möglich zu sichern. Gesamtbetriebsratschef Frank Sell spürt allerdings von dieser engen Einbeziehung der Arbeitnehmer wohl seit Längerem nichts.

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