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13.05.2021

10:28

Bilanzcheck

Das schwierige Geschäft von FMC – die Stärken und Schwächen der Bilanz

Von: Maike Telgheder

In diesem Jahr wird der Gewinn von Fresenius Medical Care kräftig sinken. Was plant der Vorstand, um den Dialysekonzern wieder auf Wachstumskurs zu bringen?

Die Aktionäre müssen sich neben dem deutlichen Gewinnrückgang auf einen weiter schwankenden Aktienkurs einstellen.

Fresenius Medical Care im Bilanzcheck

Die Aktionäre müssen sich neben dem deutlichen Gewinnrückgang auf einen weiter schwankenden Aktienkurs einstellen.

Frankfurt In normalen Zeiten kann der Dialysekonzern Fresenius Medical Care auf ein solides Geschäftsmodell bauen. Schließlich wächst die Zahl der Patienten, die auf künstliche Blutwäsche angewiesen sind, jedes Jahr um etwa fünf bis sechs Prozent. Doch die Pandemie hat dem Konzern zugesetzt: Denn es sterben überproportional viele schwer Erkrankte an den Folgen einer Corona-Infektion.

Im vergangenen Jahr noch hatten Hilfsgelder aus dem Unterstützungsfonds der USA die wirtschaftlich negativen Auswirkungen der Pandemie abgefedert. In diesem Jahr wird kein großes neues Hilfsprogramm erwartet. Fresenius Medical Care rechnet als Dialyse-Marktführer mit einem Ergebniseinbruch um bis zu einem Viertel.

Die Aktionäre, die sich am 20. Mai zur Hauptversammlung treffen, müssen sich neben dem deutlichen Gewinnrückgang auf einen weiter schwankenden Aktienkurs einstellen. Die Volatilität war bereits im vorigen Jahr sehr hoch, die Titel von FMC haben auf das gesamte Jahr 2020 betrachtet nur ein kleines Plus von drei Prozent geschafft.

Wann kann der Vorstand in diesem Jahr die operative Lage nachhaltig verbessern – und damit auch die Börsenbewertung?

1. Strategie: In der Krise gegensteuern

Fresenius Medical Care wird über die Struktur der Kommanditgesellschaft auf Aktien vom Gesundheitskonzern Fresenius kontrolliert, der 32,2 Prozent der Anteile besitzt. FMC ist gemessen an Umsatz und Patientenzahl der global führende Dialysekonzern. Weltweit werden in mehr als 4000 Dialysezentren rund 346.000 Patienten betreut.

Neben den Dialysedienstleistungen erwirtschaftet FMC etwas mehr als ein Fünftel seiner Umsätze mit dem Verkauf von Produkten und Geräten für die Dialyse. Für Menschen mit Nierenerkrankungen werden ergänzende Versorgungsangebote gemacht, die im Geschäftsfeld Versorgungsmanagement zusammengefasst sind.

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Der weltweite Markt der Dialyse beläuft sich laut Branchenschätzungen auf rund 82 Milliarden Euro. Von Konjunkturschwankungen sind die Anbieter kaum betroffen. Der Markt entwickelt sich mit dem Wachstum der Patientenzahlen stetig nach oben.

2020 allerdings stieg die Zahl der Dialysepatienten pandemiebedingt weltweit langsamer als üblich – nämlich nur um etwa drei Prozent auf rund 3,7 Millionen Menschen. In den Dialysezentren von Fresenius Medical Care wird inzwischen zwar auch breit gegen das Coronavirus geimpft. Mehr als die Hälfte der Patienten des Dax-Konzerns hat mittlerweile mindestens eine Impfung bekommen, wie CEO Rice Powell den Aktionären auf der Hauptversammlung erläutern wird.

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Dennoch wird die Pandemie das Unternehmen noch ein paar weitere Monate stark belasten. Der Vorstand will handeln: Das Betriebsmodell wird global überprüft und auf Einsparmöglichkeiten abgesucht. Auf der anderen Seite sollen Wachstumsfelder wie die Heimdialyse ausgebaut werden. Denn die Pandemie hat auch den Trend befördert, dass sich die Patienten – wenn möglich – lieber zu Hause als in einer Dialyseklinik behandeln lassen.

2. Operative Lage: Organisches Wachstum schwächer

Weil es in der Pandemie weniger Dialysebehandlungen gab, verlangsamte sich das organische Wachstum von FMC. Zum einen wurden manche Patienten in der Pandemie erst verspätet in die Dialyse überwiesen. Dann hatten Dialysepatienten, die an Covid-19 erkrankt waren, häufiger schwere Krankheitsverläufe, sodass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten oder auch starben.

Da im Zuge der Pandemie aber bei vielen Covid-19-Erkrankten Fälle von akutem Nierenversagen auftraten, erhöhte sich die Nachfrage nach einigen Geräten und Produkten von FMC deutlich. Alles in allem wuchs das Unternehmen währungsbereinigt um fünf Prozent und erreichte damit seine Ziele. Wechselkurseffekte mit eingerechnet legte der Umsatz um zwei Prozent auf 17,9 Milliarden Euro zu.

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Das operative Ergebnis erhöhte sich um zwei Prozent auf 2,3 Milliarden Euro. Hierbei gab es aber unter anderem den Sondereffekt einer Wertminderung auf Firmenwerte in Lateinamerika sowie eine geringere Erstattung bestimmter notwendiger Medikamente für Dialysepatienten. Ohne diese Effekte wäre das operative Ergebnis um sechs Prozent gestiegen.

Das Konzernergebnis verringert sich 2020 um drei Prozent auf 1,16 Milliarden Euro. Währungseffekte ausgeklammert betrug das Minus ein Prozent. Neben gestiegenen Steuersätzen führte die Covid-19-Pandemie im Geschäftsjahr zu einem negativen Effekt auf das Konzernergebnis in Höhe von 49 Millionen Euro.

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Fresenius Medical Care hat umgerechnet insgesamt rund 249 Millionen Euro Hilfsgelder in den USA aus dem Unterstützungsprogramm des „Cares Act“ erhalten.

Trost spendet für Aktionäre die 24. Dividendenerhöhung in Folge. 1,34 Euro je Aktie sollen ausgezahlt werden, 14 Cent beziehungsweise knapp zwölf Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Erhöhung begründet Fresenius Medical Care mit der guten Ergebnisentwicklung, wenn man alle Wechselkurs- und Sondereffekte ausklammert.

3. Sparten: Geschäft in Nordamerika dominiert

FMC macht 70 Prozent des Umsatzes in Nordamerika. Der Ergebnisbeitrag der Region liegt noch höher. Neben Dialysedienstleistungen und dem Verkauf von Produkten ist das Unternehmen in diesem Markt seit einiger Zeit auch im Versorgungsmanagement tätig. Etwa 32 Prozent der Umsatzerlöse in der Dialyse stammen aus den Erstattungen der staatlichen Gesundheitsbehörden der USA, weswegen Änderungen in der Vergütung oft eine maßgebliche Auswirkung auf die Umsätze von FMC haben.

Während die Dialyse nur um ein Prozent auf 11,2 Milliarden Euro zulegte, kletterten die Umsätze im deutlich kleineren Geschäftsbereich Versorgungsmanagement um zehn Prozent auf 1,3 Milliarden Euro. Insgesamt legte die Region Nordamerika um zwei Prozent auf 12,5 Milliarden Euro zu.

Beim operativen Ergebnis gab es einen Sprung um 18 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro, was auch darauf zurückzuführen ist, dass Aufwendungen für ein Effizienzprogramm aus dem Vorjahr nicht mehr anfielen und der Erstattungssatz für Dialysebehandlungen gestiegen ist.

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Die operative Marge erhöhte sich auf 17 Prozent. Im reinen US-Dialysegeschäft erreicht FMC eine Marge von 17,9 Prozent und liegt bei dieser Kennzahl gleichauf mit Wettbewerber DaVita, der der zweitgrößte Player auf dem US-Markt ist.

Betrachtet nach Regionen, erwirtschaftet FMC in Asien-Pazifik die höchste operative Marge mit 18,1 Prozent. Asien-Pazifik ist mit knapp zwei Milliarden Euro Umsatz die drittgrößte Region von Fresenius Medical Care, nach EMEA (Europa, Mittlerem Osten und Afrika), die im vergangenen Jahr um drei Prozent auf 2,8 Milliarden Euro Umsatz wuchs.

In der Region EMEA sank das operative Ergebnis um acht Prozent auf 412 Millionen Euro. Der Rückgang resultierte hauptsächlich aus einem Sondereffekt im Zusammenhang mit einem Zukauf, ungünstigen Wechselkursen und gestiegenen Personalkosten in einigen Ländern.

Im Segment Lateinamerika sorgten starke negative Währungsumrechnungseffekte für einen Umsatzrückgang um drei Prozent auf 684 Millionen Euro. Zu konstanten Wechselkursen gerechnet ist die Region um 21 Prozent gewachsen. Der operative Verlust in Höhe von 157 Millionen Euro ist maßgeblich auf die Minderung von Firmenwerten zurückzuführen.

4. Finanzlage: Staatliche Hilfsgelder füllen die Kasse

Beim Cashflow verzeichnet FMC Ende 2020 einen deutlichen Sprung um 65 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro. Grund dafür sind die Hilfsgelder der US-Regierung sowie Vorauszahlungen der staatlichen Krankenversicherung CMS, die im Rahmen des Corona-Rettungspakets (Cares Act) geleistet wurden. Die Vorauszahlungen in Höhe von 852 Millionen Euro werden vom Konzern bei Erhalt als Vertragsverbindlichkeiten bilanziert und bei Erbringung der entsprechenden Dienstleitungen als Umsatzerlöse erfasst.

Der Freie Cashflow, abzüglich Investitionen in Sachanlagen und aktivierten Entwicklungskosten gerechnet, erhöhte sich um mehr als das Doppelte auf 3,2 Milliarden Euro. Mit diesen Mitteln hat das Unternehmen genug Spielraum, um die Dividendensumme in Höhe von 392 Millionen Euro zu zahlen und auch die Verschuldung weiter zu senken. Aber das wäre auch ohne Corona-Vorauszahlung gelungen.

Nachdem FMC 2019 umgerechnet rund 1,7 Milliarden Euro für den Erwerb des Heimdialyseanbieters NX-Stage gezahlt hatte, fielen im vergangenen Jahr Akquisitionskosten in Höhe von netto 215 Millionen Euro an. FMC reduzierte seine Netto-Verschuldung von 12,8 auf 11,3 Milliarden Euro.

Damit verringert sich auch der Verschuldungsgrad, gemessen am Verhältnis der Nettoverschuldung zum Ebitda, vom 3,2 auf 2,7 am Jahresende 2020. Beim Kreditrating erhält FMC von den drei großen Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch jeweils Investmentgrade-Status.

5. Ausblick: Besserung in Sicht

Auch wenn die Pandemie FMC in den nächsten Monaten noch fordern wird, so ist mit den fortschreitenden Impfungen eine Besserung in Sicht. FMC hat mit dem Programm FME25 (FME ist das Börsenkürzel in den USA) bereits Initiativen eingeleitet, um die negativen Ergebniseffekte aus der Covid-19-Pandemie zu kompensieren und die Profitabilität zu stärken.

Das Unternehmen will sich in den kommenden Jahren im Dialysemarkt breiter aufstellen und Menschen mit chronischer Nierenerkrankung früher behandeln und während des gesamten Krankheitsverlaufs begleiten.

Bis 2025 sollen so eine durchschnittliche jährliche Umsatzsteigerung im mittleren einstelligen Prozentbereich und eine durchschnittliche jährliche Steigerung des Konzernergebnisses im hohen einstelligen Prozentbereich erreicht werden.

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