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08.03.2022

11:51

Biotech-Unternehmen

Impfstoff-Fertigung in Kenia und 15 neue Forschungsprojekte: Moderna forciert Afrika-Strategie

Von: Siegfried Hofmann, Felix Holtermann

Neue Impfstoffe gegen gefährliche Tropenkrankheiten und der Aufbau einer Produktion in Kenia – so will Moderna Präsenz und Anerkennung in Afrika stärken.

Das Biotech-Unternehmen will seine Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent deutlich ausbauen. AP

Moderna-Impfstoff nach Anlieferung auf dem Flughafen Nairobi

Das Biotech-Unternehmen will seine Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent deutlich ausbauen.

Frankfurt, New York Der US-Impfstoffhersteller Moderna verstärkt sein Engagement gegen die Pandemie in einkommensschwachen Ländern. Der Konzern investiert 500 Millionen Dollar in den Bau einer Vakzin-Fertigung in Kenia. Zudem startet Moderna eine breit angelegte Forschungsinitiative.

Das Unternehmen kündigte am Montagabend an, bis zum Jahr 2025 insgesamt 15 Forschungsprojekte für die Entwicklung von Impfstoffen gegen Infektionskrankheiten zu starten. Es geht um Krankheiten, die auf der Dringlichkeitsliste der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stehen und als globale Gesundheitsrisiken oder als vernachlässigt gelten.

Dazu zählen Malaria, HIV, Tuberkulose und Ebola sowie weniger bekannte Infektionskrankheiten wie Lassafieber, Chikungunya, Denguefieber oder Hirnhautentzündungen, wie sie von dem in Asien verbreiteten Nipahvirus verursacht werden. Moderna will zudem einen Impfstoffprototyp gegen bislang noch unbekannte Erreger entwickeln.

Zugleich verkündete das US-Unternehmen ein Programm mit der Bezeichnung „mRNA Access“, das externen Wissenschaftlern Zugang zu Modernas mRNA-Expertise sowie Produktionsmöglichkeiten eröffnen soll.

Die Initiative ziele grundsätzlich darauf, den Aufbau von Produktionskapazitäten für Medikamente und Impfstoffe zu stärken und mit der mRNA-Technik eine wichtige Innovation auf den afrikanischen Kontinent zu bringen, erklärte Moderna-Rechtsvorständin Shannon Klinger im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Biontech und Moderna bauen ihr Afrikageschäft deutlich aus

„Wir wollen eine wichtige Rolle dabei spielen, allen Menschen weltweit einen gleichwertigen Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen und Impfstoffen zu ermöglichen“, sagte sie. In Zukunft könnte eine ganze Reihe Impfstoffe auf dem Kontinent produziert werden, so Klinger. Ähnlich wie zuvor bereits der Konkurrent Biontech forciert das US-Unternehmen seine Aktivitäten mit Blick auf Afrika deutlich.

Biontech hatte im vergangenen Jahr Forschungsprojekte im Bereich Malaria und Tuberkulose gestartet und vor wenigen Wochen den Aufbau eines modularen Produktionssystems für mRNA-Impfstoffe auf dem Kontinent angekündigt. Das Mainzer Biotech-Unternehmen will dazu Produktionsanlagen in Standardcontainern installieren und schlüsselfertig an Standorte in Senegal, Ruanda und eventuell Südafrika liefern.

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Die Pläne fügen sich im Prinzip in die Strategie der beiden Biotech-Aufsteiger ein, zu global tätigen Pharmaunternehmen heranzuwachsen. Zugleich reagieren die Firmen mit ihren Initiativen aber auch auf Rufe nach einer besseren Impfstoffversorgung auf dem afrikanischen Kontinent.

Seit mehr als einem Jahr sehen sich Moderna und Biontech Forderungen nach einer Freigabe ihrer Patente und einem Technologietransfer an einkommensschwache Länder gegenüber. Für eine vorübergehende Aussetzung der Patentrechte im Rahmen der Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) plädierte neben der WHO und zahlreichen Entwicklungsländern auch die US-Regierung. Etliche EU-Staaten blockierten indes eine Entscheidung zugunsten eines solchen „Patent-Waivers“.

Verzicht auf die Durchsetzung von Patenten

Moderna hatte unterdessen bereits 2020 angekündigt, dass man die eigenen Covidpatente gegenüber potenziellen Nachahmern in mehr als 90 einkommensschwachen Ländern nicht verteidigen werde, vorausgesetzt, die Impfstoffe werden ausschließlich in diesen Ländern vertrieben und ausgeliefert. Dieses Versprechen hat das Unternehmen nun bekräftigt und erweitert.

Auch über die Pandemie hinaus werde man in diesen Ländern keine Patente durchsetzen, verspricht Moderna. „Aus unserer Sicht hat das für die einkommensschwächeren Länder letztlich den gleichen Effekt wie eine Patentaussetzung, während in den entwickelten Ländern weiter ein Patentschutz bestehen bleibt“, sagt Klinger.

Zudem besteht aus Sicht der Moderna-Managerin das größte Hindernis bei der Versorgung Afrikas nicht mehr in einer mangelnden Verfügbarkeit von Impfstoffen. Die Lage habe sich in den vergangenen anderthalb Jahren gedreht. „Wir sehen oft eher Schwierigkeiten auf der letzten Meile, um den Impfstoff schließlich in den Arm der Menschen zu bringen.“

Damit haben auch die anderen Impfstoffhersteller Probleme – und die Regierungen afrikanischer Staaten. So habe die Afrikanische Union eine Option Modernas, weitere 60 Millionen Impfstoffdosen im zweiten Quartal dieses Jahr zu kaufen, nicht wahrgenommen. Begründet worden sei die Entscheidung damit, dass laut Angaben der Staatengemeinschaft ausreichend Vakzin zur Verfügung stünde, um 70 Prozent der Bevölkerung zu impfen – was dem WHO-Ziel entspricht.

Wie viel Dosen an Moderna-Impfstoff bisher genau in Afrika verimpft worden sind und wie viele noch in Lagerhäusern schlummern, weiß der Konzern nach eigenen Angaben nicht. Aber: „Vergangenes Jahr haben wir 807 Millionen Dosen ausgeliefert. Davon sind rund 25 Prozent an Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen gegangen, unter anderem dank Spenden von EU und USA.“

Insgesamt hat Moderna mit der Impfstoffallianz Gavi die Lieferung von bis zu 650 Millionen Dosen Covidimpfstoff für die Versorgung einkommensschwächerer Länder vereinbart. Man sei damit der größte Vertragspartner der Organisation.

Produktion in Kenia kann erst in einigen Jahren beginnen

Die geplante Produktion in Kenia wird für die akute Versorgung in Afrika noch keine Rolle spielen, sondern nur für den mittel- und längerfristigen Bedarf an mRNA-Vakzinen. Denn anders als Konkurrent Biontech, der einen Produktionsstart seiner ersten Containerfabriken in Afrika für das zweite Halbjahr 2023 in Aussicht stellt, plant Moderna den Aufbau einer regulären Wirkstofffabrik analog zu den bestehenden Produktionsstätten in den USA und Europa.

Das Mainzer Biotech-Unternehmen Biontech will Ende 2023 damit beginnen, den Impfstoff in Containerfabriken auf dem afrikanischen Kontinent herzustellen. dpa

Vorstellung der Biontech-Containerfabriken vor mehreren afrikanischen Regierungschefs

Das Mainzer Biotech-Unternehmen Biontech will Ende 2023 damit beginnen, den Impfstoff in Containerfabriken auf dem afrikanischen Kontinent herzustellen.

Sie soll eine Produktionskapazität von 500 Millionen Dosen jährlich erreichen. Nach Unterzeichnung einer entsprechenden Absichtserklärung mit der kenianischen Regierung will das US-Unternehmen mit den dortigen Partnern in den nächsten Monaten einen konkreten Standort festlegen und zeitnah mit den Bauarbeiten beginnen.

Bis zum eigentlichen Start der Produktion werde es jedoch „einige Jahre dauern“, so Klinger. Allerdings verfolgt Moderna parallel zu diesem Projekt den Plan, ab 2023 den eigenen Impfstoff auch in Afrika abfüllen zu lassen.

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