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03.01.2023

12:56

Chemiehändler

Brenntag sagt Milliardenzukauf in den USA ab – Aktienkurs springt hoch

Von: Bert Fröndhoff, Arno Schütze

An der Börse wird das Ende der Gespräche mit Univar gefeiert. Aktionäre hatten Fusionspläne von Brenntag kritisiert und wollen den Dax-Konzern weiter unter Druck setzen.

Der Chemikalienhändler kauft seit Jahren typischerweise kleinere bis mittelgroße Distributeure in wachstumsstarken Regionen oder in lukrativen Segmenten auf. dapd

Brenntag-Logo

Der Chemikalienhändler kauft seit Jahren typischerweise kleinere bis mittelgroße Distributeure in wachstumsstarken Regionen oder in lukrativen Segmenten auf.

Düsseldorf, Frankfurt Die Pläne zur Großfusion zweier Chemikalienhändler sind gescheitert. Der globale Marktführer Brenntag aus Essen und die Nummer zwei Univar haben ihre Gespräche für einen Zusammenschluss beendet. Brenntag wollte den US-Konzern mit einem Marktwert von mehr als fünf Milliarden Dollar übernehmen, stieß aber auf scharfe Kritik aus dem Kreis seiner Aktionäre.

Die Investoren reagierten erleichtert auf das Ende der Gespräche: Die Brenntag-Aktie legte am Dienstagmorgen um etwa fünf Prozent auf 63,60 Euro zu. Laut Univar hat Brenntag die Verhandlungen von sich aus beendet.

Der US-Konzern will nun mit anderen Interessenten weitersprechen, die vor allem aus dem Kreis von Private-Equity-Fonds kommen dürften. Auch Univar-Investoren hatten eine Übernahme durch Brenntag kritisiert.

Von dem Dax-Konzern lag bis Dienstagmittag keine weitere Stellungnahme vor. In Branchen- und Finanzkreisen hieß es, der Widerstand einzelner Aktionäre hätte sicher nicht allein zu dem Rückzug geführt. Das Timing der Übernahme sei mit Blick auf die unsichere Lage der Chemieindustrie nachteilig gewesen. Hinzu seien kartellrechtliche Herausforderungen beim potenziellen Zusammenschluss gekommen.

Auf Kundenseite hätte es ebenfalls Bedenken wegen der entstehenden Marktmacht gegeben, hieß es weiter. Brenntag wäre mit Abstand der größte Chemiehändler der Welt geworden. Nach einer Fusion mit Univar hätte das Unternehmen seinen Umsatz von 19 Milliarden auf rund 30 Milliarden Euro ausgebaut. Die Hamburger Helm AG, Nummer fünf der Branche, kommt gerade mal auf mehr als sechs Milliarden Euro Umsatz.

Sorge vor zu erwartenden Marktanteilsverlusten

Für den Kauf hätte sich Brenntag finanziell strecken müssen. Inklusive eines üblichen Premiums auf den Aktienkurs und der Übernahme von Schulden hätte die gesamte Transaktion ein Volumen von acht Milliarden Dollar erreichen können.

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Bei Bekanntwerden der Pläne Ende November war der Brenntag-Aktienkurs um neun Prozent eingebrochen. Aktionäre fürchteten eine Kapitalerhöhung zur Finanzierung des Univar-Kaufs.

Öffentliche Kritik an dem Vorhaben äußerte kurz vor Weihnachten der Hedgefonds Primestone, der rund zwei Prozent an Brenntag hält. Die Risiken des Kaufs würden die Vorteile bei Weitem überwiegen, schrieben sie in einem 19-seitigen Brief an den Vorstand, der dem Handelsblatt vorliegt. Zwar gäbe es eine „strategische Grundlage“, doch die erwarteten Synergien könnten unterm Strich nicht erreicht werden, hieß es darin.

Primestone begründete seine Bedenken vor allem mit zu erwartenden Marktanteilsverlusten bei Kunden. Hersteller wie Unilever oder Danone wollten aus Gründen der Versorgungssicherheit mehrere Lieferanten haben, argumentiert der Hedgefonds in dem Brief. Große Chemiehersteller wiederum wollten sich nicht von einem Großdienstleister abhängig machen und hätten vermutlich Geschäfte nach der Fusion an kleinere Distributeure gegeben.

Unter Analysten hingegen gab es viele positive Stimmen für die Übernahmepläne. Analyst Chetan Udeshi von JP Morgan sah großes Gewinn- und Wertsteigerungspotenzial. Lediglich der Zeitpunkt der Transaktion sei wegen der unsicheren Gewinnaussichten für Brenntag 2023 nicht ideal.

Brenntag-CEO Christian Kohlpaintner hatte die USA als attraktives Ziel für weiteres Wachstum genannt. Brenntag

Christian Kohlpaintner

Brenntag-CEO Christian Kohlpaintner hatte die USA als attraktives Ziel für weiteres Wachstum genannt.

Nun dürfte Brenntag wieder zur bewährten Wachstumsstrategie zurückkehren. Die Essener kaufen seit Jahren typischerweise kleinere bis mittelgroße Distributeure in wachstumsstarken Regionen oder in lukrativen Segmenten auf. Damit baut der Konzern seine Stärke aus, Kunden in aller Welt mit lokalen Netzen bedienen zu können.

CEO Christian Kohlpaintner hatte auf dem Kapitalmarkttag im November die USA als attraktives Ziel für weiteres Wachstum genannt. Mit Univar wäre ihm dort auf einen Schlag ein großflächiger Ausbau gelungen.

Der US-Chemiemarkt gilt wegen der niedrigen Energiepreise und milliardenschweren konjunkturellen Anreize der Regierung als wachstumsstark – anders als Europa.

Hedgefonds fordert Aufspaltung von Brenntag

Der Hedgefonds Primestone will das Essener Unternehmen auch nach dem Abbruch der Gespräche unter Druck setzen. In dem Brief ans Management forderten die Investoren, Geld in einen groß angelegten Aktienrückkauf zu investieren. Damit soll der Aktienkurs weiter nach oben getrieben werden. Aktuell halten auch die Analysten der UBS angesichts der Marktchancen von Brenntag die Bewertung an der Börse für zu niedrig.

Zudem fordert der Hedgefonds eine Aufspaltung des Konzerns, genauer die Trennung der Spezialchemiesparte vom Massenchemiegeschäft in zwei eigenständige Unternehmen. Ein solcher Schritt gilt aber in Industriekreisen als unwahrscheinlich.

Brenntag hat im Zuge des von CEO Kohlpaintner umgesetzten Strategiewechsels diese zwei neuen Sparten gegründet. So will der Konzern die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse besser bedienen können.

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