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05.10.2021

15:55

Daimler und Traton

Lkw-Hersteller trifft der Chipmangel besonders hart

Von: Franz Hubik

Anders als einige Autobauer können die Lkw-Hersteller ihre Preise im Zuge des Halbleitermangels nicht einfach erhöhen. Cashflow und Marge leiden.

Die Lkw-Branche war in der ersten Jahreshälfte noch weitgehend verschont von dem Chipmangel geblieben, inzwischen sind die Probleme aber auch hier angekommen. Bloomberg

Neue Trucks

Die Lkw-Branche war in der ersten Jahreshälfte noch weitgehend verschont von dem Chipmangel geblieben, inzwischen sind die Probleme aber auch hier angekommen.

München Die Lastwagenindustrie befindet sich gerade in einer „ganz seltsamen Situation“, bekundet Martin Daum. Wenn der Chef des Marktführers Daimler Truck wissen will, wie viele Sattelschlepper sein Konzern in den kommenden Wochen verkaufen wird, dann seien die Experten im Vertrieb jedenfalls gerade die falschen Ansprechpartner. Er müsse vielmehr seine Einkäufer fragen, wie viele Mikrochips „wir kriegen“, so Daum.

Klar ist: Daimler Truck bekommt aktuell weit weniger Halbleiter als benötigt. Mit etwas Verzögerung ist der Engpass an Chips auch bei den Nutzfahrzeugherstellern angekommen. „Das hat die ganze Branche erwischt“, konstatiert Daum. Sein Konzern werde dieses Jahr definitiv weniger Lastwagen ausliefern als möglich wäre. „Und das Gleiche gilt meines Erachtens auch noch fürs nächstes Jahr.“

Daum hat daher nun ein veritables Problem: Anders als seine Pkw-Kollegen von Mercedes-Benz kann der oberste Trucker in Stuttgart nämlich nicht einfach die Preise für seine Produkte erhöhen. „Beim Lkw sind die Autos alle vorverkauft, teilweise sind die Bestellungen bereits im Frühjahr eingegangen“, erklärte Daum am Dienstag. Da könne man den Kunden schlecht sagen, man liefere später als geplant und wolle dann auch noch fünf Prozent mehr Geld. „Das kommt nicht gut“, sagt Daum.

Die Folge: Die zusätzlichen Kosten infolge der Chipkrise müssen die Lkw-Hersteller zunächst selbst tragen. Das geht wiederum zulasten der Profitabilität, prognostiziert Arndt Ellinghorst, Managing Director beim Londoner Finanzdienstleister Sanford Bernstein. „Wir sehen, dass die Chipkrise bei den Lkw-Herstellern stärker durchschlägt als bei den Autoherstellern.“

Dafür gibt es mehrere Gründe. Insbesondere Anbietern von luxuriösen Limousinen und SUVs wie Mercedes oder BMW ist es in den vergangenen Monaten gelungen, ihre Renditen trotz sinkender Verkäufe merklich zu steigern. Die Nobelmarken haben dafür unter anderem die Chipzuteilung auf ihre besonders margenstarken Modelle wie S-Klasse und 7er priorisiert.

In Summe lieferten die Konzerne dadurch anteilsmäßig weniger Kompaktwagen und mehr große Fabrikate mit hohen Deckungsbeiträgen aus. Oder anders ausgedrückt: Der Portfoliomix hat sich zugunsten der Profitabilität verbessert. Parallel haben die Konzerne ihre Listenpreise kräftig angezogen. Die operativen Margen von Mercedes und BMW schossen so im ersten Halbjahr in die Höhe auf ein Rekordniveau um mehr als 13 Prozent.

Rabatte bei Neuwagen werden gekürzt

Aber längst nicht nur die Premiumhersteller versuchen aus der aktuellen Materialnot eine Tugend zu machen. „Aufgrund der weltweiten Halbleiterkrise werden Rabatte bei Neuwagen in großen Schritten gekürzt“, erklärt Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Center Automotive Research (CAR). Seinen Berechnungen zufolge ist ein typischer Pkw allein hierzulande in den vergangenen beiden Monaten im Schnitt um 360 Euro teurer geworden.

Der Kreditversicherer Euler Hermes kalkuliert europaweit mit Preissteigerungen bei Pkws infolge des Halbleitermangels von bis zu sechs Prozent. Gänzlich anders sieht die Lage in der Lkw-Industrie aus. Hier werden die Fahrzeuge maßgeschneidert für den Einsatzzweck des jeweiligen Kunden konzipiert. Standardkarossen, die sich nur in der Ausstattung marginal unterscheiden wie im Pkw-Geschäft, gibt es kaum.

Insofern können die Trucker weder etwaige Anreize flächendeckend kappen noch den Portfoliomix in der Chipkrise erheblich beeinflussen. „Das ist eine Sache, die müssen die Lkw-Hersteller tragen“, erklärt Daimler-Vorstand Daum. „Das heißt noch lange nicht, dass wir in eine Verlustsituation gehen, aber den Extra-Euro machen wir in der Notsituation nicht.“

Das dritte Quartal dürfte bei allen Sattelschlepper-Anbietern insgesamt vergleichsweise mau ausfallen. So warnte jüngst etwa die Volkswagen-Tochter Traton (MAN, Scania, Navistar) davor, dass der Absatz seit dem Sommer deutlich niedriger ausgefallen sei als geplant. Eine Besserung bis Jahresende sei nicht in Sicht. Aktuell muss MAN die Produktion an seinen deutschen Standorten sogar spürbar drosseln, einzelne Schichten fallen komplett aus.

Daimler: Ungünstige Entwicklung vor dem Börsengang

Daimler Truck produziert derweil etwa in Wörth Fahrzeuge auf Halde, um schnell lieferfähig zu sein, wenn wieder mehr Chips eintrudeln. Hier komme man den Kunden bewusst entgegen, auch wenn dieser Weg in puncto Cash-Bindung „einiges kostet“, räumt Daum ein.

„Wir werden temporär eine Abnahme bei den Ergebnissen der Lkw-Hersteller sehen“, konstatiert Bernstein-Analyst Ellinghorst. Für Daimler Truck treten die Marktturbulenzen zu einem ungünstigen Zeitpunkt auf. Der weltgrößte Hersteller von Nutzfahrzeugen soll im Dezember von der Pkw-Sparte Mercedes-Benz separiert und in Frankfurt in Form eines Spin-offs an die Börse gebracht werden.

Tröstlich stimmen kann die Sternentruppe allerdings, dass es grundsätzlich eine „unglaubliche Nachfrage“ nach Lastwagen gibt, betont Ellinghorst. Ein gewisser Teil der Erträge verlagere sich nun eben ins kommende Jahr. 2022 dürfte auch die zusätzliche Kostenlast aus der Chipkrise nicht mehr ganz so stark bei Daimler Truck durchschlagen. Die Preise für bereits bestellte Produkte könne und wolle der Konzern zwar nicht anpassen, aber bei jetzt neu eingehenden Aufträgen sehe die Situation anders aus.

„Selbstverständlich werden wir im nächsten Jahr auch die Preise erhöhen“, kündigte Unternehmenslenker Daum an. Schließlich hätte sich auch Rohmaterial wie Stahl und Aluminium erheblich verteuert. „Das werden wir weitergeben.“

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