Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

27.01.2023

13:22

Dax-Konzern

Merck strafft die Pharmaforschung – Stellen in den USA fallen weg

Von: Siegfried Hofmann

Die Arzneimittelforschung des Konzerns bleibt seit Jahren hinter den Erwartungen zurück. Merck setzt nun auf eine neue Strategie – und baut dazu auch Personal ab.

Der Darmstädter Konzern setzt künftig stärker auf externe Innovationen, also durch Zukäufe oder Allianzen.

Pharmaforschung bei Merck

Der Darmstädter Konzern setzt künftig stärker auf externe Innovationen, also durch Zukäufe oder Allianzen.

Frankfurt Der Darmstädter Merck-Konzern trimmt seine Pharmaforschung auf höhere Effizienz und setzt dabei nun auch auf Einschnitte beim Personal. So sollen am US-Standort Billerica nahe Boston 133 von rund 500 Arbeitsplätzen im dortigen Forschungszentrum entfallen, wie Merck vor wenigen Tagen bekannt gab.

Betroffen sind nach Angaben des Unternehmens überwiegend Mitarbeiter in der Grundlagenforschung. Die umfangreichen Forschungseinheiten für Neurowissenschaften und Immunologie sowie Onkologie werde man beibehalten und sich dabei auf ausgewählte Bereiche konzentrieren, erklärte das Darmstädter Unternehmen.

Der Personalabbau in den USA ist Teil einer größeren Neuausrichtung, mit der Merck-Chefin Belen Garijo die Produktivität der Arzneimittelforschung verdoppeln will. Diese hatte in den vergangenen Jahren die Erwartungen verfehlt.

Merck setzt stärker auf Zukäufe und Allianzen

Ziel der bereits im November verkündeten neuen Strategie für Forschung und Entwicklung ist es, künftig im Schnitt alle anderthalb Jahre ein neues Produkt auf den Markt zu bringen oder eine zusätzliche Zulassung in einem wichtigen Anwendungsgebiet zu erhalten.

Ähnlich wie andere Pharmakonzerne will Merck dabei noch stärker auf externe Innovationen setzen, das heißt vor allem auf Zukäufe und Allianzen mit Biotechfirmen. Mehr als die Hälfte der neuen Produkte soll künftig aus solchen Transaktionen kommen. Der jetzt geplante Personalabbau in den USA dürfte daher auch dazu dienen, Spielraum und zusätzliche Ressourcen für potenzielle Deals zu generieren.

Weltweit beschäftigt der Dax-Konzern rund 3000 Mitarbeiter in der Pharmaforschung- und -entwicklung. Neben Darmstadt und Billerica betreibt der Konzern auch Forschungszentren in China, Japan, Israel und Indien. Ob auch dort Personalabbau geplant ist, lässt Merck offen.

Die Merck-Chefin will die Produktivität im Konzern erhöhen. imago images/sepp spiegl

Belen Garijo

Die Merck-Chefin will die Produktivität im Konzern erhöhen.

Auf Anfrage erklärte das Unternehmen: „Wir evaluieren unsere geschäftlichen Anforderungen kontinuierlich, um sicherzustellen, dass wir auf die Marktdynamik und die Kundenbedürfnisse reagieren und gleichzeitig unsere Mitarbeitenden weiterhin unterstützen.“ Diesem Transformationsansatz sei es zu verdanken, dass man in den vergangenen Jahren die Zahl der Mitarbeitenden in Darmstadt kontinuierlich um fünf Prozent erhöhen, Arbeitsplätze sichern und in Kapazitäten und Schulungen investieren konnte.

Mit dem relativ starken Einschnitt setzt Merck ein gegenläufiges Signal zum Bayer-Konzern, der jüngst aufgrund des wachsenden Preisdrucks in Europa eine stärkere Ausrichtung seiner Pharmaaktivitäten auf die USA angekündigt hat. Allerdings betont Merck dabei, dass Billerica ein entscheidender Bestandteil der Forschungsstrategie und der Präsenz des Unternehmensbereichs Gesundheit in den USA bleibe.

Die Arzneimittelentwicklung des Konzerns hat sich zuletzt als weniger erfolgreich erwiesen als ursprünglich erhofft. Mehrere prominente Produktkandidaten aus der eigenen Forschung, darunter etwa der gemeinsam mit GSK entwickelte Krebswirkstoff Bintrafusp-alfa, enttäuschten in den entscheidenden klinischen Studien. Zuletzt stellte der Konzern die Arbeiten am Krebsmittelkandidaten Berzosertib mangels Erfolgsaussichten ein. Insgesamt gab er in den vergangenen zwei bis drei Jahren mehr als die Hälfte seiner klinischen Projekte auf.

Umsatz steigt, Forschungsausgaben sinken

Die längerfristigen Ambitionen im Pharmabereich musste der Konzern daher immer wieder herunterschrauben. Ende 2021 stellte Spartenchef Peter Guenter noch fünf grundlegend neue Wirkstoffe in Aussicht, die man ab der zweiten Hälfte des Jahrzehnts auf den Markt bringen wollte. Auch dieses Ziel wird durch die neuen Vorgaben relativiert.

Grafik

In der Ertragsrechnung schlagen sich die gestoppten Studien und die Neuordnung der Forschung vorerst positiv nieder: Während der Umsatz der Merck-Gesundheitssparte in den ersten neun Monaten 2022 um elf Prozent auf 5,8 Milliarden Euro zulegte, sanken die Ausgaben für Forschung und Entwicklung um gut sechs Prozent, was sich wiederum positiv auf die operative Marge auswirkte.

Allerdings werden durch die Verkleinerung des Forschungsprogramms auch die längerfristigen Perspektiven beeinträchtigt. Wichtigste Hoffnungsträger für die nähere Zukunft sind das potenzielle Krebsmittel Xevinapant und der Wirkstoff Evobrutinib gegen schubförmige Multiple Sklerose. Beide Produkte befinden sich in der abschließenden Phase der klinischen Prüfung und könnten theoretisch ab 2025 erste Zulassungen erhalten – vorausgesetzt, die Studien liefern positive Resultate.

Ansonsten ist die Produktpipeline stark ausgedünnt. Sie konzentriert sich im Wesentlichen auf Projekte in präklinischen oder frühen klinischen Forschungsphasen. Hier setzt Merck im Zuge der neuen Strategie zum einen vor allem auf Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, eine neuartige Wirkstoffklasse, bei der Zellgifte mithilfe von Antikörpern gezielt zu Tumorzellen transportiert werden.

Merck-Gesundheitssparte trägt ein Drittel zum Konzernumsatz bei

Zum anderen arbeitet der Konzern an Wirkstoffen, die das Absterben von Tumorzellen (Apoptose) fördern oder eine DNA-Reparatur in Krebszellen blockieren, was ebenfalls zum Absterben der Zellen führt. Diese Projekte aber sind mit hohen Unsicherheiten behaftet und werden noch einige Jahre benötigen, bevor sie in zulassungsrelevante klinische Studien gehen können.

Grafik

Analysten gehen davon aus, dass die Merck-Gesundheitssparte im abgelaufenen Jahr knapp 7,9 Milliarden Euro Umsatz erzielte. Die Sparte trägt damit gut ein Drittel zum Gesamtumsatz bei und profitiert aktuell noch von starken Umsatzzuwächsen beim Multiple-Sklerose-Medikament Mavenclad und beim Krebsmittel Bavencio. Hinzu kamen deutlich positive Währungseffekte.

Die Patente auf Mavenclad laufen allerdings ab 2026 aus. Und abgesehen von Bavencio und dem Krebsmittel Tepmetko genießt der Rest des Produktsortiments kaum noch Patentschutz.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×