Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

Duell um die Zukunft

Seite 3 von 5

Software im Blut

Tesla hat seine Produktionsprobleme überwunden. Dominik Asbach/laif

Montage des Model S

Tesla hat seine Produktionsprobleme überwunden.

Auf dem Parkplatz kurven Angestellte und Besucher um den Konzernsitz von Tesla. Einige parken in der Not gegenüber bei SAP, der deutsche Softwarekonzern hat seinen Silicon-Valley-Sitz ebenfalls in Palo Alto. Auch die Büroetage von Tesla ist voll. Die Atmosphäre ist die einer Fabrikhalle: Metallpfeiler, verbunden mit v-förmigen Verstrebungen. Leuchtdioden pflastern die hohe Decke. Darunter ein Meer von Monitoren und Schreibtischen. Meetings werden auf der Terrasse der Cafeteria abgehalten.

Ingenieure, Produktteams, Softwareentwickler hocken auf Holzbänken und Holztischen. Papier ist selten zu sehen, überall stehen dafür Laptops. Besucher sind leicht auszumachen, am Anzug oder zu schickem Kostüm. Die Tesla-Leute tragen Jeans, Hemd, Pullover.

Tesla ist im Herzen immer noch ein Start-up, trotz der Börsenbewertung von mehr als 100 Milliarden Dollar. Die Programmierer und Softwareexperten sind jung, schlecht bezahlt und mit Leidenschaft dabei. Sie motiviert nicht Geld, sondern das Charisma von Musk und seine Vision, die Welt mit Elektromobilität und Solarspeicherung vorm Klimawandel zu bewahren.

Software gehört zur DNA von Tesla. Musk war aus seiner Zeit beim Bezahldienst Paypal mit Software vertraut, bei seiner Autofirma investierte er viel Geld und Zeit in die Programme. Musks Vorteil ist natürlich auch, dass er keine IT-Altlasten mitschleppen muss – anders als die etablierten Hersteller: Im neuesten VW-Bus steckt noch immer das IT-System eines Uralt-Polo. Große Touchbildschirme im Cockpit und ausgefeilte Unterhaltungssystem lassen sich damit nicht betreiben.

Musk verlangt viel von seinen Mitarbeitern. Immer am Anschlag, immer im Notfallmodus, so wie bei einem Start-up, das vor dem alles entscheidenden Pitch steht. Ehemalige Mitarbeiter berichten von Arbeitsexzessen, autokratischem Verhalten, einer schonungslosen Art der internen Kritik, die an Beleidigung grenzt.

Vorstoß in den Massenmarkt. mauritius images / INNA FINKOVA / Alamy

Model 3 Tesla

Vorstoß in den Massenmarkt.

VW versucht, Leute bei Tesla abzuwerben. Aber hochkarätige Neuzugänge wie Matthew Renna, ehemaliger Ingenieur für das Model S und X, sind nicht oft zu vermelden. Falls es gelingt, ist bei VW zu hören, dann stehen die Neuankömmlinge oft kurz vor dem Burn-out, wenn sie bei den Deutschen ankommen.

Das Ergebnis der Schinderei bei Tesla kann sich mehr als nur sehen lassen. Zum Beispiel für Alex Roy. Der 48-jährige New Yorker liebt deutsche Autos. Seinen Rekord für die schnellste Durchquerung der USA, den berüchtigten „Cannonball Run“, stellte der New Yorker 2006 in einem BMW M5 auf. Seit über 30 Jahren besitzt der Auto-Journalist und Auto-Manager verschiedene Modelle des Porsche 911. Er sagt: „Ich freue mich darauf, einen elektrischen 911 zu fahren.“

Doch sein Alltagswagen ist seit Mitte 2019 ein Tesla Model 3. Roy arbeitet als „Director of Special Operations“ an einem Geheimprojekt für Argo AI, den Softwareentwickler für selbstfahrende Autos, in den VW im vergangenen Juli 2,3 Milliarden Euro gesteckt hat.

Sein Job bei Argo in Pittsburgh wird auch mit Volkswagen-Geld bezahlt, Roy fährt die 600 Kilometer aus Manhattan aber im Tesla. „Das Ladenetzwerk funktioniert reibungslos, ich muss nicht mal ein Telefon oder eine Kreditkarte rausholen“, sagt Roy. Ein Tesla funktioniert wie ein smartes Gerät, es passt sich in eine Softwareumgebung ein. Bei VW und seinem Ladenetzwerk „Electrify America“ sei alles umständlicher: „Es sind zwei unterschiedliche Unternehmen. Da müssen Geschäftsprozesse abgestimmt werden. Es ist ein kulturelles Problem.“

Tesla ist mit Innovationen deutlich schneller am Markt und sammelt wertvolle Erfahrungen. Alexander Wachtmeister (Automobilexperte bei der Unternehmensberatung Boston Consulting Group)

Dazu kommt Teslas Assistenzsystem, der Autopilot. Roy: „Ich habe ihn 99 Prozent der Zeit aktiviert. Funktioniert wunderbar, um Fahrstress zu verhindern.“ Die Autosteer-Funktion, die den Wagen in der Mitte der Spur hält, sei den Systemen anderer Autohersteller klar überlegen. Wohl auch, weil sie dazulernt, wenn Fahrer wie Roy sie aktiviert haben. Und weil Tesla sie aggressiv als „Full-Self Driving“ bewirbt.

Brett Smith, Technologie-Experte am Center for Automotive Research (CAR) in Michigan, sieht darin den größten Unterschied. Tesla nehme Risiken in Kauf, probiere aus, sammle Erfahrungen und Daten und verbessere so den Autopiloten, während die etablierten Autokonzerne abwarteten. Smith erinnert an den A8, den Audi 2019 mit einem Staupiloten mit weitgehender Autonomie verkaufen wollte – und dann vor regulatorischen Fragen zurückschreckte.

Tesla arbeitet nach dem Prinzip des „Minimum Viable Product“ – des Produkts, das gerade gut genug ist, um es auf die Straße zu schicken, mit dem man dann aber rasch aus Fehlern lernen kann. Die Philosophie könnte nicht weiter vom Perfektionsdrang der klassischen Autoindustrie entfernt sein. „Um das zu ändern, müssen Manager mehr tun, als ihre Krawatte auszuziehen“, lacht Smith.

Teslas Risikobereitschaft zu kopieren sei für VW, Mercedes und Co. nicht einfach: „Wenn Toyota oder GM Entscheidungen trafen, die zu tödlichen Unfällen führten, wurden sie direkt vor den Kongress zitiert“, sagt Smith. „Aus irgendeinem Grund ist das bei Tesla noch nicht passiert.“

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×